Hochwasser-Lage in Tirol entspannt sich langsam, Aufräumarbeiten laufen
Nach den Überschwemmungen und Vermurungen im Tiroler Unterland am Wochenende sind nun die Aufräumarbeiten in vollem Gange. Die Schäden sind enorm, die Hilfsbereitschaft ist groß. Die Kelchsau ist nach wie vor nicht erreichbar.
Kufstein – Nach den starken Regenfällen in der Nacht auf Sonntag und dem darauffolgenden Hochwasser in der Stadt Kufstein und zahlreichen Muren in ganz Tirol hat sich die Lage entspannt. Am Montag liefen die Aufräumarbeiten auf Hochtouren.
In der Stadt Kufstein, die besonders betroffen war, waren 150 Feuerwehrleute seit den Morgenstunden unter anderem mit dem Auspumpen von Kellern und Tiefgaragen beschäftigt, berichtete Bürgermeister Martin Krumschnabel.
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Höhe des Schadens noch nicht abschätzbar
Am Sonntag hatte es noch bis etwa 21.30 Uhr teils heftig geregnet, erst in den Nachtstunden wurde es ruhiger. Die Höhe des Schadens konnte Krumschnabel nicht abschätzen.
Wie der hydrographische Dienst informierte, lagen alle Pegel am Montag wieder unterhalb der Meldemarken. Das für die kommenden Tage prognostizierte sonnige Wetter mit nur kurzen Regenschauern sorgt für weitere Entspannung.
Die Überflutungen in der Kufsteiner Innenstadt betrafen vorwiegend Keller, Tiefgaragen sowie ebenerdige Geschäftslokale. Auch der Kindergarten und der Turnsaal der Stadt waren betroffen, sagte Krumschnabel.
Von beschädigten Wohnungen war ihm bis auf einen Fall nichts bekannt, es wurde auch niemand verletzt. Der Bürgermeister rief die Bevölkerung dazu auf, die entstandenen Schäden zu melden und genau zu dokumentieren. Ihnen wurde Hilfe aus dem Katastrophenfonds des Landes zugesagt.
Bei den Aufräumarbeiten sind auch zwei Katastrophenzüge aus dem Bezirk Innsbruck-Land im Einsatz, die Feuerwehren koordinieren ihre Einsätze "perfekt", meinte der Bürgermeister.
Das Zentrum und die südlichen Bereiche der Stadt waren seit Montagfrüh für den gesamten Verkehr gesperrt. Anwohner und jene, die in der Stadt arbeiten, konnten und können jedoch in das Areal gelangen, wobei allerdings Parkflächen und Tiefgaragen nicht bzw. nur teilweise nutzbar sind, hieß es.
Das Hochwasser in Kufstein hatte vor allem die Zulaufbäche des Inn anschwellen und über die Ufer treten lassen, der Pegel des Inn blieb dagegen auf einem ungefährlichen Niveau. Die Bäche verlaufen zum Teil unter den Häusern und waren stark verklaust. "Es wurde hier tonnenweise Sand und Gestein herausgeschöpft", sagte Krumschnabel. Mehrere Lkw-Ladungen mit Material, das die Wassermassen von den Bergen heruntergespült hatten, mussten weggebracht werden. "In der Menge hat es das noch nie gegeben", berichtete der Stadtchef.
Vermurungen in weiteren Teilen des Unterlands
Doch nicht nur in der Stadt Kufstein hat am Montag das große Aufräumen begonnen. Vermurungen und Überschwemmungen gab es vereinzelt über ganz Tirol verteilt, der Schwerpunkt war aber eindeutig in den Bezirken Kufstein und Kitzbühel. Die Pegelstände der Flüsse sind seit Sonntagabend im ganzen Land kontinuierlich wieder gesunken.
Auch im Gemeindegebiet Söll hat sich die Lage beruhigt und damit schreiten auch die Aufräumarbeiten voran. Die Evakuierung konnte bereits aufgehoben werden und die betroffenen Bewohner konnten in ihre Häuser zurückkehren. Im Bereich Ried hatten 16 Personen aus Vorsicht evakuiert werden müssen, da der Bereich von einem Hangrutsch bedroht war.
Zufahrt für Kelchsau in Arbeit
Seit Samstag um Mitternacht ist die Kelchsau von der Außenwelt abgeschnitten. Die Landesstraße wurde am Ortsanfang zum Teil von der Kelchsauer Ache weggerissen. Auch die zweite Straße in den Ort ist wegen einer unterspülten Brücke nicht mehr passierbar. Die Grundversorgung der Bevölkerung sei aber gesichert, teilte das Land am Montag mit.
Nach einem Lokalaugenschein der Brückenabteilung wurde die Planung einer Hilfsbrücke rund 30 Meter weiter talauswärts gestartet. "Dazu muss auf der Uferseite des Ortsteils Kelchsau das vorhandene schwere Gerät genutzt werden, um eine Zufahrtsrampe und ein Brückenwiderlager zu errichten", wurde erklärt. Die Dauer der Arbeiten – für die Errichtung der Ersatzbrücke sowie die Sanierung der Landesstraße – können derzeit noch nicht abgeschätzt werden. Vor allem hinsichtlich der Landesstraße war eine Lagebeurteilung bzw. Schadensbegutachtung erst mit Sinken des Wasserstandes möglich.
🚧 Nach wie vor Straßensperren in Tirol
Auf Tirols Straßen gab es Montagvormittag noch einige Sperren. Die Felbertauernstraße (B 108) war zwischen der Mautstelle und Hinterburg noch bis 12.00 Uhr gesperrt. Die B 173 zwischen Söll und Kufstein soll nur mehr wenige Stunden nicht befahrbar sein. Die L 205 ist zwischen der Brixentaler Straße und Kelchsau gesperrt sowie die Eibergstraße (B 173).
🚞 Noch nicht alle Zugverbindungen wieder offen
- Die Bahnlinie von Wörgl bis Saalfelden ist wieder offen, jene zwischen Saalfelden und Schwaz noch nicht.
- Ebenfalls unterbrochen aufgrund von Problemen in Deutschland war der grenzüberschreitende Zugverkehr auf der Strecke zwischen Ehrwald und Garmisch, erklärte Christoph Gasser-Mair, Pressesprecher der ÖBB. Ein Schienenersatzverkehr sei aufgrund der Straßenverhältnisse nur teilweise möglich.
- Die Strecke zwischen Scharnitz und Mittenwald war wieder offen.
536 Einsätze bis Sonntagnachmittag
Die ergiebigen Niederschläge seit Samstagnachmittag hatten im Nordalpenraum und am Alpenhauptkamm in Osttirol zu einer deutlichen Hochwasserentwicklung geführt. Die Niederschlagsmengen von 90 bis 130 mm mit Spitzen bis 190 mm hatten an der Brixentaler Ache samt Kelchsauer Ache, Kitzbüheler Ache und Tauernbach in der Nacht auf Sonntag Hochwasser verursacht. Der Ziller erreichte Sonntagmittag am Pegel Hart ebenfalls einen Höchststand im Bereich eines 30-jährlichen Hochwassers.
Am Sonntagabend entspannte sich die Lage – rückläufige Pegelstände inklusive. Wie die Leitstelle Tirol berichtet, fanden bis Sonntagnachmittag insgesamt 536 Feuerwehreinsätze statt – davon knapp die Hälfte allein in Kufstein. Auch in den Bezirken Kitzbühel und Schwaz waren die Mitglieder der Feuerwehr stark gefordert. Bis zu 100 Einsätze wurden am Samstag zwischen 21 und 23 Uhr verzeichnet.
📽️ Video | Hochwasser und Überschwemmungen im Unterland
Noch am Sonntag sicherte das Land Tirol Unterstützung für die Geschädigten des Hochwassers zu. Wie auch bei früheren Ereignissen würden Mittel des Landes-Katastrophenfonds eingesetzt, um private und betriebliche Schäden abzufedern, sobald diese einschätzbar sind, kündigt LH Platter an. Damit wird eine Beihilfe in der Höhe von 50 Prozent des geschätzten Schadens gewährt, wovon die Hälfte sofort ausbezahlt wird. Zuvor hatten bereits Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler Hilfe aus dem Katastrophenfonds zugesagt.
Entwarnung in Innsbruck: Situation an Inn und Sill entspannt
Der für die Sicherheit in Innsbruck zuständige Vizebürgermeister Johannes Anzengruber gab am Montag für die Hochwasserlage in Innsbruck Entwarnung. „Die Hochwassersituation in Innsbruck ist momentan entspannt. Aufgrund der stabilen Wetterlage sind Überschwemmungen bei Inn und Sill nicht zu erwarten, vereinzelte Verklausungen bei kleineren Bächen sind aber nicht auszuschließen.Wir haben in den letzten Tagen Gott sei Dank nie die Hochwassermarke HW1 am Inn erreicht. Die Sill stieg leicht an und erreichte am 18. Juni den HW1-Wert von 3 Meter 90 cm am Pegelmesstand Reichenau. Trotzdem haben wir am Wochenende in Innsbruck die entsprechenden Vorbereitungsmaßnahmen zum Hochwasserschutz eingeleitet.“
Pegelstände in Salzburg stabilisierten sich
Nachdem am Sonntagnachmittag die intensiven Regenschauer in Salzburg nachgelassen hatten, stabilisierten sich auch die Pegelstände an der Salzach. Die Saalach zeigte ebenfalls von Weißbach bis Siezenheim durchgehend eine rückläufige Tendenz. Auch in Hallein – dort hatte sich am Samstag der Kothbach in einen reißenden Fluss durch die Tennengauer Bezirkshauptstadt verwandelt – beruhigte sich die Lage am Montag. Die Aufräumarbeiten liefen auch hier auf Hochtouren.
Am Montagvormittag konnten noch immer 50 Personen nicht in ihre Häuser und Wohnungen, wobei 30 davon nur vorsorglich evakuiert worden waren, weil im Ortsteil Gamp die Gefahr von Muren noch nicht gebannt ist.
📽 Video | Hallein räumt nach Überflutungen auf
Lage in Oberösterreich und Niederösterreich
Auch in Oberösterreich hat nach dem Hochwasser das Aufräumen begonnen. Montagvormittag waren fallende Wasserstände zu erwarten, weil nach Mitternacht keine relevanten Niederschläge gefallen waren und auch in den kommenden Tagen mit keinen mehr zu rechnen war.
Der Höchststand an der Salzach war laut dem Hydrographischen Dienst Oberösterreich bereits Sonntagabend erreicht worden, ebenso am Inn in Schärding. Ähnliche Meldungen kamen von der Donau. Lediglich für Grein im Bezirk Perg wurde noch ein geringfügiger Anstieg vorhergesagt. In Steyr war alle Pegel der Enns und sowie der Oberlieger stark fallend.
In Schärding, wo mobile Hochwasserschutzelemente und Pumpenanlagen die Überflutung von zwölf Häusern verhindert hatten, waren am Montag noch Verkehrswege gesperrt. Mit den Aufräumungsarbeiten musste noch gewartet werden, bis sich das Wasser zurückgezogen haben würde. Danach müsse es aber schnell gehen, bevor der zurückgelassene Schlamm bei Schönwetter extrem hart und dann nur noch schwer zu entfernen ist, hieß es von der Einsatzleitung.
Auch in vielen Teilen von Niederösterreich sind am Montag nach den starken Regenfällen vom Wochenende die Aufräumarbeiten angelaufen. Allerdings sind mehrere Ortezu Katastrophengebieten erklärt worden.
Betroffen sind nach Angaben des Landes Neuhofen a. d. Ybbs, Ferschnitz und Euratsfeld im Bezirk Amstetten, Paudorf und Furth (beide Bezirk Krems) sowie Aggsbach-Dorf in der Gemeinde Schönbühel-Aggsbach (Bezirk Melk). LHStv. Stephan Pernkopf (ÖVP) sicherte in Absprache mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP) rasche Hilfe zu. (TT.com, APA, dpa)
📽 Video | ORF-Reporter Werner Fetz aus Aggsbach-Dorf
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