Nach heftigen Unwettern in Tirol: Die Hänge kommen nicht zur Ruhe
Während in Kufstein weiter aufgeräumt wird und Kelchsau nur über einen Notweg erreichbar ist, donnerte gestern in Wörgl-Boden eine große Mure zu Tal. Drei Häuser mussten evakuiert werden.
Kufstein, Hopfgarten, Mayrhofen, Wörgl – Seit dem Wochenende und den sintflutartigen Regenfällen kommen die Helfer und die Bevölkerung nicht mehr zur Ruhe. Gestern ging in Wörgl-Boden, Pinnersdorf, eine große Mure ab. Drei Häuser mussten vorsorglich evakuiert werden, da vorerst ein Ende der Hangrutschung nicht abzusehen war. Landesgeologe Roman Außerlechner bestätigte dann erste Befürchtungen.
„Nach wie vor ist sehr viel Wasser im Hang, auch tun sich laufend neue Risse auf“, erklärt Außerlechner nach einem Lokalaugenschein mit Wörgls Bürgermeisterin Hedi Wechner. Diese bezeichnete die Situation derzeit als sehr bedrohlich. Außerlechner wird am Montag die weiteren Entwicklungen in Augenschein nehmen. Bis dahin bleibt die Straße im Ortsteil Pinnersdorf gesperrt, die Häuser evakuiert.
📽️ Video | Mure donnerte in Wörgl zu Tal
Die großen Regenmengen in der letzten Woche haben auch im Stilluptal bei Mayrhofen für Erdrutsche gesorgt. „Eine große Mure ist beim Stillupperhaus abgegangen, nun müssen Tausende Kubikmeter Schlamm und Geröll verräumt werden“, erklärt BM Monika Wechselberger. Drei Grundbesitzer seien betroffen, ganz besonders die Besitzer des Stillupperhauses. „Es ist ein Elend, zumal diese Familie erst im Jänner einen sehr schweren Schicksalsschlag erlitten hat“, sagt Wechselberger.
Die Aufräumarbeiten dürften laut der Gemeindechefin vier bis fünf Wochen dauern und die Kosten dafür laut ersten Schätzungen bei rund 150.000 Euro liegen. Dem TVB Mayrhofen-Hippach wurden vierzig Prozent seines neu errichteten Wanderwegs im Stilluptal zerstört, wie TVB-Obmann Andreas Hundsbichler berichtet.
50 Soldatinnen und Soldaten des Stabsbataillons 6 aus Innsbruck rückten gestern in Kufstein an, um beim Räumen des Betts des Mitterndorfer Baches mitzuhelfen. „Wir räumen das Material unter zehn Brücken weg. Geplant sind derzeit drei Einsatztage“, erklärte Oberleutnant Thomas Wippel. Die Stadt Kufstein hatte das Bundesheer um einen Assistenzeinsatz gebeten, nachdem die Bäche noch immer verlegt sind und am Wochenende neuerlich Regenfälle drohen. Damit besteht wieder Gefahr.
Ein Problem in Kufstein sind die zahlreichen Überbauungen der Bäche. Die Schächte verklausten in der Katastrophennacht am Samstag und sorgten für die Überschwemmungen. Ein Umstand, der schon lange bekannt ist und auch im Gefahrenzonenplan 2019 seinen Niederschlag fand. Damals wurde auch ein Schutzprojekt vom Gemeinderat in Auftrag gegeben. Nur die Umsetzung war noch nicht möglich.
Laut den Kufsteiner Grünen sollte die Debatte über die Verbauung angesichts der jetzigen Erkenntnisse neu aufgenommen werden. Grünen-GR Victoria Da Costa: „Wir wollen eine ehrliche Debatte um weitere Möglichkeiten im Hochwasserschutz, auch wenn das bedeuten würde, dass man die Kanalisierung einzelner Bäche wieder rückbauen müsste.“
Gestern zu Mittag erfolgte die nächste Lieferung über den Penningberg und die Haagalm für den Spar-Markt im noch abgeschnittenen Hopfgartner Ortsteil Kelchsau. „Frische Ware wie Fleisch und Gemüse für das kommende Wochenende“, berichtet Spar-Marketingleiterin Barbara Moser. Die nächste Lieferung dürfte schon über die Behelfsbrücke erfolgen. Das Bundesheer ist bereits wieder abgerückt: „Wir sind am Mittwoch noch mit dem Zusammenbau der Ersatzbrücke fertig geworden“, erklärt Presseoffizier Christoph Seidner. Zum Einheben benötigt es dann einen 150-Tonnen-Kran, über den das Bundesheer aber nicht verfügt.
Gestern Abend kam es dann auch wieder zu einer einspurigen Öffnung der B186 Ötztalstraße nach einer tagelangen Sperre aufgrund eines Felssturzes und mehrerer Murenabgänge zwischen der Leckgalerie und der Klammgalerie. Ab heute Freitag wird die Straße dann täglich einspurig zwischen 6.30 und 20 Uhr geöffnet sein. Der Verkehr wird mittels Posten geregelt und gesichert. Eine endgültige Öffnung hängt vom Fortschritt aller Arbeiten sowie der Wetterentwicklung in den kommenden Tagen ab. Damit bleibt die Ötztalstraße nach Zwieselstein vorläufig nur noch in der Nacht für den gesamten Verkehr gesperrt.
In Neustift im Stubaital ist die Hauptzufahrt zum hinteren Oberbergtal derzeit gesperrt. Grund sind laut Roman Außerlechner von der Landesgeologie verstärkte Block- und Steinschlagaktivitäten infolge der Schneeschmelze. Einzelne Brocken hätten bereits Damm, Straße und Bach übersprungen, ein größerer Bergsturz sei nicht ganz auszuschließen. Die Gemeinde Neustift arbeite aber bereits an einer Notumfahrung, um u. a. die Franz-Senn-Hütte zu beliefern. (wo, ad, mm, md)