„Mein Lieblingstier heißt Winter“: Schockgefrostet im Dino-Park
Der vielgefeierte Dramatiker und Bachmann-Preisträger Ferdinand Schmalz legt mit „Mein Lieblingstier heißt Winter“ sein Romandebüt vor.
Innsbruck – Wer Witze über Namen macht, hat schon verloren. Aber Ferdinand Schmalz hat sich seinen Namen selbst ausgesucht – und sich sicherlich etwas dabei gedacht. Schmalz hat auf optimierten Ernährungshandreichungen eine schweren Stand. Schmalz klingt deftig, g’schmackig. Also ungefähr so wie die Stücke, die Schmalz, der eigentlich Matthias Schweiger heißt, schreibt – und die ihn zu einem der meistgespielten und meistprämierten Gegenwartsdramatiker des deutschen Sprachraums machten. Für einen Corona-bedingt knappen Zeitraum war seine Hofmannsthal-Überschreibung „jedermann (stirbt)“, die ihm 2018 den Nestroy einbrachte, zuletzt im Tiroler Landestheater zu sehen.
Doch im Nom de Plume klingt nicht nur Freude am Fettigen an, sondern eben auch am Schmalzigen, am Pathos des offensiv Populären also, an Operetten-Schmelz und Hefterlroman, Kokolores und Kolportage. Das alles führt Ferdinand Schmalz in seinem ersten Roman zusammen. Der heißt „Mein Lieblingstier heißt Winter“ – und lässt sich denn auch als Krimi lesen. Jedenfalls spielt der Autor mit den Versatzstücken des Genres. Gesucht wird diesmal zwar kein Mörder. Aber ein Selbstmörder. Beziehungsweise dessen Leiche. Die hätte Tiefkühlkostvertreter Schlicht abholen sollen. So hat er es seinem Stammkunden, dem promovierten Rehragout-Genießer Schauer versprochen. Schauer war sterbenskrank und wollte Schluss machen. Das ist seit 2017 bekannt. Da gewann Ferdinand Schmalz für einen Auszug von „Mein Lieblingstier heißt Winter“ den Klagenfurter Bachmann-Preis. Erst jetzt erfährt man: Die Kühltruhe, die Schockfrostsuizid-Erfüllungsgehilfe Schlicht entsorgen soll, ist nur mit Rehragout gefüllt.
Also macht sich Schlicht auf die Suche nach „seiner“ Leiche – und stößt dabei auf ganz anderes: auf Katastrophengewinnler zum Beispiel; und auf windige Investoren; auf Selbstmordsüchtler und Oligarichinnen, weihnachtliche Nazi-Memorabilia, rotfaktorige Kanaris und jede Menge Gulasch. Letztlich, so viel darf verraten werden, steuert die wilde Fahrt durch ein zur Kenntlichkeit entstelltes Beinahe-Österreich auf ein Finale furioso in einem derangierten Dino-Park zu. Davor geht es drunter und drüber, um alles – und um nichts.
„Mein Lieblingstier heißt Winter“ ist, no na, grotesk, ein bisschen unheimlich und unheimlich komisch. Der Plot erinnert an Kurt Palms Anti-Krimis; die Sprache, vor allem aber nicht nur in den Dialogen an den Erzählton von Wolf Haas’ „Brenner“-Büchern – und (natürlich) an Schmalz’ eigenen, kunstvoll zerdrechselten Bühnendialekt. (jole)
S. Fischer, 190 Seiten, 22,70 Euro.