Dr. Viola hilft an der Klinik Innsbruck Opfern häuslicher Gewalt unauffällig
Für Menschen, die bedroht oder misshandelt werden, will die Klinik Innsbruck eine niederschwellige Anlaufstelle sein. Dafür wurde ein neuer Notruf eingeführt.
Von Benedikt Mair
Innsbruck – Es sind fünf Worte, die Leben retten können: „Ich muss zu Dr. Viola.“ Wer mit diesem Satz künftig Portiere, Wachdienstangestellte, Pfleger oder Ärzte an der Innsbrucker Klinik anspricht, erhält Hilfe. Gedacht ist das Angebot für Opfer häuslicher Gewalt – unabhängig von Alter oder Geschlecht –, die mit dem Notruf, wenn sie sich in den eigenen vier Wänden bedroht fühlen oder misshandelt werden, Schutz suchen können. Und ihn umgehend, unauffällig finden.
Durchschnittlich werden am Landeskrankenhaus in Innsbruck bei einer Patientin oder einem Patienten pro Woche Spuren häuslicher Gewalt festgestellt – von blauen Flecken, über Wunden bis hin zu schwersten Verletzungen. Allerdings sei es nicht immer so offensichtlich, wenn es zuhause Probleme gebe. Menschen, die solche Dinge erleiden, seien „oft sehr zurückhaltend und tun sich schwer, sich zu öffnen“, sagte Alexandra Kofler, die ärztliche Direktorin der Klinik Innsbruck, gestern bei der Präsentation des neuen Notrufs. „Und sie lassen sich auch nicht immer gleich helfen. Ihnen muss die Hand gereicht und Vertrauen aufgebaut werden. Auch brauchen Betroffene die Möglichkeit, aktiv nach Hilfe zu fragen.“ Hier greife das in den vergangenen Wochen und Monaten ausgearbeitete Konzept. Wird nach Dr. Viola gefragt, starte ein komplexes Prozedere. „Im Hintergrund gibt es klare Abläufe. Es ist festgelegt, was passieren muss, wenn der Satz genannt wird.“ Wichtig sei, dass das alles unauffällig vonstattengeht, betont Kofler. Selbst wenn der Peiniger oder die Peinigerin, oft der Lebenspartner des Opfers, mit zur Klinik kommt – was durchaus vorkommt – soll er nichts von alldem mitbekommen.
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„Akut von Gewalt betroffenen Menschen wollen wir helfen, ohne dass sie sich lange erklären müssen“, meint Thomas Beck, Psychologe an der Klinik und Leiter der dort etablierten Opferschutzgruppe, die den Viola-Notruf erdacht und ausgearbeitet hat. „Aus der Forschung ist bekannt, dass die Hürde, um Hilfe zu bitten, in diesen Fällen hoch ist. Auch gegenüber medizinischem Personal gibt es Angst, abgelehnt, beurteilt oder verurteilt zu werden“, sagt Beck. „Wir möchten, dass das Landeskrankenhaus in Innsbruck als sicherer Ort erkannt wird.“ Das neue Angebot sei als Mosaikstein zu verstehen, der sich in eine möglichst umfassende Versorgung Gewaltbetroffener einfüge.
Auch die Corona-Krise, die dadurch bedingten Lockdowns und ihre Folgen haben dazu beigetragen, dass die Verantwortlichen an der Klinik jetzt mit diesem Projekt starten. Zwar sind laut Andrea Hohenegger, leitende Diplompflegerin der orthopädischen und traumatologischen Ambulanz in Innsbruck und stellvertretende Leiterin der Opferschutzgruppe, „die Bagatellverletzungen in dieser Zeit zurückgegangen, schwere Verletzungen hingegen angestiegen“.
Der Name „Dr. Viola“ kommt nicht von ungefähr, sagt Hohenegger. Er sei leicht auszusprechen, auch von Menschen, die nicht Deutsch als Muttersprache haben. Seit gestern ist der Notruf, der wie ein Codewort funktioniert, etabliert, Aushänge in der Klinik weisen darauf hin. Primäre Anlaufstellen sind Unfall- sowie chirurgische Ambulanz und die Notfallaufnahme. Bescheid wissen aber alle Mitarbeiter auf dem Areal.
Wer den Satz ausspricht, wird sofort in ein Zimmer in Sicherheit gebracht, wo sich geschultes Personal der Sache annimmt. „In Absprache mit der oder dem Betroffenen wird dann über weitere Schritte entschieden“, erklärt Thomas Beck. „Es gibt mehrere Möglichkeiten: eine stationäre Aufnahme, die Vermittlung zum Gewaltschutzzentrum oder an einen Psychologen.“ (TT.com, APA)
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