„Fettes Schwein“: Heikles Thema bei den Volksschauspielen in Telfs
Neil LaButes gesellschaftskritischer Klassiker „Fettes Schwein“ wird in Telfs gespielt. Regisseur Peter Lorenz und Schauspielerin Anna Lena Bucher im Gespräch vor der Premiere.
Von Markus Schramek
Telfs – Schon allein der Titel ist eine bewusste Provokation. Und „Fettes Schwein“, die wortwörtliche deutsche Übersetzung des Theaterstücks „Fat Pig“ von US-Dramatiker Neil LaBute, ist auch genau so zu verstehen: als zutiefst kränkende, beleidigende Beschreibung des Äußeren einer jungen Frau. LaButes Stück wurde 2004 in New York uraufgeführt. Kommenden Samstag (14. August) kommt „Fettes Schwein“ im Rahmen der Volksschauspiele im Großen Rathaussaal in Telfs zur Premiere.
An Relevanz hat der Stoff nichts eingebüßt, eher im Gegenteil. Im digitalen Zeitalter von Facebook, Instagram und Co. ist der Druck, einem bestimmten, oftmals künstlich aufbereiteten Schönheitsideal folgen zu müssen, sicher nicht geringer geworden.
Protagonist Tom spiegelt in „Fettes Schwein“ diese Orientierungslosigkeit wider. Er verliebt sich in Helen, doch als diese wegen ihrer Figur von Toms Freunden und Arbeitskollegen verspottet wird, hat er nicht den Mumm, zu seiner Liebe zu stehen. Tom beugt sich der Erwartungshaltung seiner Umgebung, anstatt auf seine – durchaus echten – Gefühle zu hören.
Der junge Tiroler Regisseur Peter Lorenz (27) inszeniert „Fettes Schwein“ in Telfs. Er hat den Text ins Tirolerische übersetzt. Beleidigung und Diskriminierung sind nämlich auch im heiligen Land wahrlich keine Seltenheit. Anna Lena Bucher (29), gebürtige Schweizerin und Absolventin der Schauspielschule am Salzburger Mozarteum, spielt die Rolle von Helen, die als „fettes Schwein“ beschimpft wird.
Lorenz will aufzeigen, wie verletzend Sprache sein kann, oftmals gedankenlos verwendet: „Jemand ein ,fettes Schwein‘ zu nennen, geht natürlich gar nicht. Darüber muss man heute nicht mehr diskutieren. Es macht aber auch einen Unterschied, ob man von ,übergewichtig‘ oder ,mehrgewichtig‘ spricht.“
„Jeder Mensch, der von der Norm abweicht, hat seine eigene Definition“, ist Bucher überzeugt. Ihre Anregung war es, schon bei den Proben den Begriff „mehrgewichtig“ einzusetzen; im Textoriginal LaButes gibt es dafür keine Entsprechung. „Betroffene Menschen sollen selbst entscheiden, welche Bezeichnungen für sie in Ordnung gehen und welche beleidigend wirken“, fordert Bucher. Denn: „Es wird immer noch akzeptiert, über andere zu sprechen oder gar für diese zu entscheiden. Man meint es ja gut. Doch das ist ein Eingriff in die Privatsphäre.“
Bucher hat selbst schon blöde Kommentare, Blicke und Diskriminierung aufgrund ihres Körperbildes erlebt. „Jeder Mensch, der angestarrt wird, weiß, warum. Dagegen baut man sich einen Schutzschild auf“, sagt die Schauspielerin. „Ich bin, wie ich bin. Warum müssen wir ständig Kommentare über Körper machen, vor allem über weibliche?“
Ihr sei jedoch klar, dass man auch als Schauspielerin „öfter nach dem Äußeren besetzt wird“. Wichtig findet Bucher es dabei, dass auch auf der Bühne Körper so gezeigt werden, wie sie sind, ganz ohne Trickserei: „Alle Körperbilder sollen ganz normal sichtbar sein. Es ist falsch, jemanden in ein Fatsuit zu stecken.“
Mit welcher Erkenntnis sollen Besucher die Aufführung von „Fettes Schwein“ verlassen? Lorenz: „Mit dem Mut, zu seinen Gefühlen zu stehen und sich selbst keine Chance aus Feigheit entgehen zu lassen. ,Ich mache es anders‘, sollen sich die BesucherInnen nachher denken. Das wäre schön.“
Tiroler Volksschauspiele
Diese Woche stehen noch zwei Theaterpremieren auf dem Programm:
„Das Leben des Angelo Soliman“ (ab 11.8., Kranewitter Stadl) widmet sich dem Leben der im 18. Jahrhundert aus Afrika verschleppten Titelfigur. In der Inszenierung Magdalene Schaefers sind auch Puppenspielerinnen im Einsatz.
„Fettes Schwein“ von Neil LaBute in der Regie von Peter Lorenz ab 14.8. im Großen Rathaussaal.
Info: www.volksschauspiele.at