Eine Wahl als Formsache: Roland Weißmann wird neuer ORF-Chef
Roland Weißmann ist ab Jänner für fünf Jahre Generaldirektor des ORF. Dass er Chef des wichtigsten hiesigen Medienunternehmens wird, war klar. Die Grünen haben ihn trotz ÖVP-Mehrheit mitgewählt.
Von Karin Leitner
Wien – Schon am Sonntagabend stand fest, was gestern am frühen Nachmittag formal fixiert worden ist. Roland Weißmann, Wunschkandidat der Kanzlerpartei ÖVP, wird den ORF ab Jänner 2022 führen – fünf Jahre lang.
Die Stiftungsräte, die obersten Aufsichtsratsleute des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, haben am Dienstag den Favoriten der Türkisen mehrheitlich gewählt. Damit ist die Ära von Alexander Wrabetz, der den ORF seit 1. Jänner 2007 führt, passé.
Seit jeher ist die ORF-Generaldirektorenwahl eine hochpolitische. Weil die Stiftungsräte, die den Chef küren, von Parteien und Ländervertretern nominiert werden. Das Besondere diesmal: Die Kanzlerpartei hat die Mehrheit im 35-köpfigen Stiftungsrat. Sie hätte ob dessen keine „unabhängigen“ Stiftungsräte oder solche anderer Couleur gebraucht, um Weißmann, den bisherigen Vize-Finanzdirektor, zu inthronisieren. Um zu vermeiden, dass dieser als reiner „Parteisoldat“ wahrgenommen wird, versuchten die Türkisen, den Koalitionspartner, die Grünen, für Weißmann zu gewinnen.
Diese spielten, was gewünscht worden war. Die drei Vertreter der Öko-Partei, angeführt von Lothar Lockl, der den Bundespräsidentschaftswahlkampf von Alexander Van der Bellen erfolgreich orchestriert hat, votierten für Weißmann. Zum Missfallen von vielen Grün-Wählern und Funktionären, die das an der so genannten Basis argumentieren müssen.
Was bleibt – und das läuft der Wahlwerbung vor der vergangenen Nationalratswahl mit dem Slogan „Wen würde der Anstand wählen?“ zuwider: Vizekanzler und Parteichef Werner Kogler und Co. haben bei Postenschacherei mitgemacht. Die ÖVP stellt fortan den Frontmann des ORF, die Grünen haben sich mit Personalverlangen auf der Ebene darunter durchgesetzt. Sie bekommen zwei von vier ORF-Direktoren (Programm und Finanzen). Der bisherige Ö3-Chef Georg Spatt und ORF-III-Geschäftsführerin Eva Schindlauer sind vorgesehen. Die ÖVP, so ist zu hören, wird auch bei Chefredakteurs- und Ressortleiterposten mitreden.
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Gestern um zehn Uhr hat das Prozedere auf dem Wiener Küniglberg begonnen. Die Bewerber haben den Stiftungsräten ihre Konzepte für das Unternehmen präsentiert, Fragen dazu waren möglich. Der stellvertretende Technik-Direktor Thomas Prantner startete, es folgten der ORF-Externe Harald Thoma, dessen Vater RTL Deutschland gegründet hat, ORF-1-Managerin Lisa Totzauer, Weißmann und Wrabetz. Neu waren für die Aufsichtsräte die Vorstellungen nicht; die Anwärter hatten sie im Vorfeld auch via Privatsender präsentiert.
Um Inhalt und Ideen für das mächtigste und wichtigste gebührenfinanzierte Medienunternehmen im Land ging es ohnehin nicht. Gefragt war Parteiloyalität. Die war nachvollziehbar. Gewählt wurde nämlich nach den Hearings nicht geheim, sondern offen. Somit wussten die jeweiligen Parteioberen, ob die von dieser nominierten Stiftungsräte getan haben, was ihnen geheißen worden ist. Aufmucker wären ersichtlich – und sanktionierbar gewesen. Die Stiftungsräte hüteten sich davor.
Und so lief alles im Sinne der ÖVP. 18 Stimmen sind für die Mehrheit vonnöten. Nicht nur die 16 Stiftungsräte votierten für Weißmann, sondern auch ÖVP-nahe „Unabhängige“ und die drei Grünen-Vertreter. Detto hat Stiftungsratsvorsitzender Norbert Steger, einst FPÖ-Vizekanzler, Weißmann gewählt. Das hat 24 Stimmen für diesen, damit eine Zweidrittelmehrheit, ergeben.
FPÖ-Chef Herbert Kickl hatte tags davor auf die FPÖ-Stiftungsräte eingewirkt, Totzauer zu wählen. Steger scherte aus.
Der amtierende Generaldirektor Wrabetz hat gestern sechs Stimmen lukriert; jene des Fünf-Personen-SPÖ-„Freundeskreis“. Die zusätzliche Stimme kam von Siggi Neuschitzer, der einst von den Freiheitlichen bestellt, später von der SPÖ-geführten Kärntner Regierung in der Position verlängert worden ist.
Totzauer, die beruflich dem Landesstudio Niederösterreich entstammt und als Bürgerliche gilt, hat fünf Stimmen erhalten. Drei davon kamen von FPÖ-Stiftungsräten, eine Stimme gab es von der von den NEOS entsandten Rätin Anita Zielina und der ORF-Zentralbetriebsrätin Christiana Jankovics. Prantner, der sich in den vergangenen Jahren um Wohlwollen der Blauen bemüht hatte, und Thoma, Geschäftsführer der Pocketfilm Media Entertainment GmbH, hat keiner der Stiftungsräte gewählt.
Der 53-jährige gebürtige Linzer Weißmann verwaltet seit 2012 als Chefproducer das größte Programmbudget im ORF, er wurde im Vorjahr Co-Geschäftsführer der Tochtergesellschaft ORF Online und Projektleiter für den geplanten ORF-Player. Er wolle „auf Augenhöhe“ mit dem scheidenden ORF-Chef zusammenarbeiten, sagte er nach der gestrigen Wahl. Wrabetz habe ihm versichert, ihn bei Wesentlichem einzubeziehen. „Das genügt mir.“
📽️ Video | Roland Weißmann im Porträt
Auf seine politischen Verstrickungen und Screenshots von einer Skype-Zusammenkunft mit des Kanzlers Medienbeauftragten Gerald Fleischmann angesprochen, sagte er: Es sei kein Wahlkampf gewesen, „sondern die Bestellung eines Vorstandes“. Er treffe viele Stiftungsräte, habe mit diesen „Zukunfts- und gesetzliche Fragen“ besprochen. Es sei „normal“, sich mit diesen „und anderen Stakeholdern auszutauschen“; es wäre „problematisch, es nicht zu tun“. Er habe sich für eine ORF-Gesetzesnovelle eingesetzt: „So ist das einzuordnen.“ Auch nun wolle er „laut“ für die benötigte Novelle lobbyieren.
Eine GIS-Gebührenerhöhung steht an. Wrabetz wollte 2016 7,7 Prozent mehr, 2017 hat es ein Plus von 6,5 Prozent gegeben. 26 der 30 Stiftungsräte stimmten damals dafür. Kolportiert wird eine zweistellige Steigerung.
Mit der jetzigen Generaldirektoren-Wahl ist es in Sachen ORF nicht getan. Am 16. September folgt jene der Chefs der ORF-Landesstudios. Auch dort könnte es nicht nur um Befähigung, um Leistungsnachweis gehen, sondern auch ums Hören auf die Regierenden.