Aktivisten blockieren Baustellen in Wien: Hainburg der Generation Klimaschutz
In Wien erhitzt die Stadtstraße Aspern die Gemüter. Dutzende Aktivisten campieren und blockieren Baustellen.
Von Carmen Baumgartner-Pötz
Wien – 3,2 Kilometer Straße können für ziemlich viel Ärger sorgen. So wie derzeit in der Donaustadt. Der 22. ist der flächenmäßig größte Bezirk Wiens und mit rund 195.000 Einwohnern eine eigene Stadt am Rande der Großstadt. Mit der Seestadt Aspern hat die permanent wachsende Bundeshauptstadt dort vor einigen Jahren einen komplett neuen Stadtteil mit U-Bahn-Anbindung hochgezogen.
Um im 22. auch den Autofahrern entgegenzukommen und massige Rückstaus zu entschärfen, soll die so genannte Stadtstraße gebaut werden. „Für mehr Lebensqualität in der Donaustadt“, rund zur Hälfte untertunnelt, mit Lärmschutzwänden und durchgehend Tempo 50, wie es von der Stadt heißt.
Die Verbindungsstraße, die die Südosttangente (A23, Anschlussstelle Hirschstetten) mit der S1-Spange Seestadt Aspern verbinden soll, gilt allerdings als ebenso umstritten wie der geplante Lobautunnel. Und deshalb wird seit dem Frühjahr immer wieder dagegen protestiert. Seit Ende August besetzen nun Aktivisten des Bündnisses Fridays For Future, Extinction Rebellion, Jugendrat und System Change not Climate Change zwei Baustellen und haben ein Zeltcamp errichtet.
Denn die städtische Lesart, dass es die Straße als Entlastung brauche, lassen sie nicht gelten. „Es ist in Anbetracht der Klimakrise unfassbar zynisch, eine Klimamusterstadt Wien zu propagieren und gleichzeitig eines der größten Straßenbauprojekte der jüngeren Geschichte als eine entlastende Klimamaßnahme darzustellen. Der Bau der Stadtstraße wird vor allem Arbeiterinnen und Arbeiter in den motorisierten Individualverkehr zwingen, obwohl weniger als die Hälfte der Haushalte überhaupt ein Auto besitzt und mehr öffentlicher Verkehr allen Menschen zugutekommen würde. Da stellt sich die Frage, für wen die Rückschrittskoalition Rot-Pink eigentlich Politik macht“, kritisierte Amina Guggenbichler von Fridays For Future.
Eine der beiden Baustellen liegt in der Verantwortung der Stadt, jene bei der Anschlussstelle Hirschstetten ressortiert beim Bund, also bei der Asfinag. Dort betont man, es gehe beim Zubringer zur Stadtstraße um eine Aus- und Entflechtung der Verkehrsströme und eine Reduzierung von Stau. Mit den Aktivisten – derzeit ruht die Baustelle dort zu einem Großteil – stehe man in ständigem Kontakt. „Wir setzen auf Dialog und versuchen zu erklären, dass es sich um keinen Neubau handelt, sondern es uns um Entflechtung geht“, so eine Asfinag-Sprecherin. Zwischen den beiden blockierten Baustellen befinden sich Zelte des „Klimacamps“, wo sich täglich Dutzende Menschen aufhalten, einige schlafen auch dort. Von einer Räumung will momentan niemand etwas wissen. Die Polizei kontrolliert, schreitet aber sonst nicht ein.
Ob das Projekt Stadtstraße tatsächlich umgesetzt wird (Bauende wäre 2025/26), steht indes noch gar nicht fest. Denn Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) lässt bekanntlich alle geplanten Straßenbauprojekte einem Klimacheck unterziehen.