Literatur

„Franz. Schwul unterm Hakenkreuz“: Neues Buch von Jürgen Pettinger

ORF-Moderator und Buchautor Jürgen Pettinger.
© Manfred Weis

Franz Doms ist eines der vergessenen Opfer der NS-Justiz. Jürgen Pettinger gibt dem exemplarischen Schicksal eine Stimme.

Von Carmen Baumgartner-Pötz

Wien – Ein dicker Akt voller Einvernehmungsprotokolle der Gestapo und der Kriminalpolizei. Gerichtsprotokolle, Fotos. Dutzende Zeugenaussagen. Als der ORF-Journalist Jürgen Pettinger (der gebürtige Linzer moderierte 2009–2012 Tirol heute, derzeit ist er im ZiB-Team) vor einigen Jahren im Zuge einer Recherche auf den jungen Franz Doms stößt, lässt ihn dessen Geschichte nicht mehr los. 1944 stirbt Doms im Alter von 21 Jahren im Hinrichtungsraum des Landesgerichts Wien – weil er homosexuell ist. An ihm sollte ein Exempel statuiert werden, wie der Historiker Andreas Brunner vom Verein QWIEN – Zentrum für queere Geschichte im Vorwort schreibt.

Neu im Buchhandel: „Franz. Schwul unterm Hakenkreuz“, Hardcover, 192 Seiten, € 22.
© Kremayr & Scheriau

Pettinger hat sich in die Dokumente über Franz Doms vertieft. „Ich wollte ihm Stimme und Farbe zurückgeben, seine Geschichte erzählen“, schildert der Oberösterreicher die Genese seines Buches „Franz. Schwul unterm Hakenkreuz“, das dieser Tage bei Kremayr&Scheriau erscheint. Er gestaltet zuerst ein (preisgekröntes) Radio-Feature mit dem Titel „Mit einem Warmen kein Pardon. Der Fall Franz Doms“, das 2017 ausgestrahlt wird, und hält sich dafür genau an den Akt. „Aber das war die Sprache der Täter. Ich wollte die Geschichte aber dann aus seiner Sicht erzählen, weil Doms eines dieser vergessenen Opfer aus der Nazizeit ist, für die es keine Erinnerungskultur gibt“, beschreibt Pettinger. Deshalb zeichnet er die Geschichte von Franz Doms romanhaft nach und wählt einen fiktionalen Zugang, hält sich dabei aber an historisch Belegtes. „Die Nazis waren ja detailversessen, die Aufzeichnungen über Doms waren sehr umfangreich“, erzählt Pettinger. Sei es etwa, wie Doms als junger Bursch in einer Straßenbahn das erste Mal eine sexuell konnotierte Begegnung mit einem Mann hat, oder der Besuch einer Badeanstalt mit seinem Freund Kurt, der mit einer Razzia endet. „Ich wollte Franz Doms Geschichte so richtig und echt wie möglich erzählen“, so der Autor. Fast 80 Jahre nach seinem Tod bekommt Doms, mutmaßlich als Resultat von Pettingers hartnäckiger Recherche, nun auch eine Gedenkstätte im Wiener Landesgericht. Bisher hatte man ihn schlichtweg vergessen.

📽️ Video | "Franz - schwul unterm Hakenkreuz"

„Die Akzeptanz steht auf tönernen Füßen“

Nach dem Fall des Nazi-Regimes änderte sich für Homosexuelle – bis auf den Wegfall der Todesstrafe – praktisch nichts. Sie blieben eine geächtete Gruppe, versteckt, im Untergrund. Zeitzeugen konnten aus Scham und Angst, weiter verfolgt zu werden, nicht über das Erlebte sprechen. Jahrzehntelang war Homosexualität in Österreich unerwünscht und unsichtbar, am Rand des Illegalen. Veränderungen bis hin zur Ehe für alle waren nie das Resultat politischen Willens, sondern folgten den Erkenntnissen von Höchstgerichten.

Pettinger möchte mit seinem Buch ein Stück Erinnerungskultur schaffen und das Bewusstsein dafür schärfen, dass Diskriminierung von Homosexuellen nach wie vor stattfindet. Einem schwulen Paar kann in Österreich etwa die Anmietung einer Wohnung verweigert werden. Ungleichbehandlung aufgrund von Hautfarbe oder Geschlecht wird aber geahndet. „Wenn so etwas immer noch möglich ist, dann steht die Akzeptanz auf tönernen Füßen“, mahnt er. Von Ländern, in denen Homosexuelle immer noch um ihr Leben fürchten müssen, gar nicht zu reden.

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