Deutschland-Wahl

Nach Deutschland-Wahl: „Ampel", „Jamaika", oder doch wieder eine „Groko"?

Die SPD von Kanzlerkandidat Olaf Scholz (l.) liegt nach dem vorläufigen Endergebnis knapp vor der Union mit Spitzenkandidat Armin Laschet (r. oben). Auch die Grünen mit ihren Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck sowie FDP-Chef Christian Lindner wollen in Zukunft mitregieren.
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Nach dem vorläufigen Endergebnis ist völlig offen, wer in Zukunft Deutschland regieren wird. Sowohl SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz als auch sein Unions-Kontrahent Armin Laschet fordern die Regierungsbildung ein. Koalitions-Varianten gibt es mehrere.

Berlin – Nach der Bundestagswahl in Deutschland vom Sonntag bleibt zunächst offen, wer die künftige Regierung stellt. Nach dem vorläufigen Endergebnis würde es rechnerisch wieder für eine Neuauflage der Großen Koalition reichen. Wahrscheinlicher ist ein Dreierbündnis, dabei ist die Lage übersichtlicher geworden: War vor einigen Wochen noch von bis zu fünf möglichen Dreier-Varianten die Rede, sind es jetzt nur noch zwei bis drei.

🔴🟢🟡 „Ampel": SPD, Grüne und FDP

SPD und Grüne ziehen bei vielen Themen weitgehend an einem Strang – wie etwa bei der Vermögensteuer oder einer Lockerung der Schuldenbremse. Die FDP würde es indes einige Überwindung kosten, mit Grünen und Sozialdemokraten zu regieren. Ihr Chef Christian Lindner gibt als Ziel aus, eine „Linksverschiebung der Politik" mit höheren Steuern zu verhindern. Eine Ampelkoalition schließt er aber nicht aus; die FDP würde aber einen sehr hohen Preis dafür verlangen, etwa den Posten des Finanzministers.

Aber auch SPD und Grüne sind sich nicht in allem einig. So will sich SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz nicht auf einen früheren Kohleausstieg als 2038 festlegen. Für eine funktionierende Ampelkoalition gibt es derzeit ein Beispiel auf Landesebene: in Rheinland-Pfalz.

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⚫🟢🟡 „Jamaika": Union, Grüne und FDP

In dieser Konstellation wären es die Grünen, die viel Überwindung aufbringen müssten, schließlich gibt es zwischen CDU/CSU und FDP viele Überschneidungen. Sie könnten versuchen, die Grünen etwa in ihrer Klima- und Sozialpolitik auszubremsen. „Jamaika" ist mit einer schweren Hypothek belastet: 2017 scheiterten die Verhandlungen über ein solches Bündnis krachend, weil die FDP sie in letzter Minute platzen ließ.

Zwar kann sich FDP-Chef Christian Lindner ein nochmaliges Kneifen kaum erlauben, doch die inhaltlichen Differenzen mit den Grünen bleiben; insbesondere weil diese auch die Industrie beim Klimaschutz in die Pflicht nehmen wollen. Das Beispiel für ein funktionierendes Jamaika-Bündnis gibt es allerdings – und zwar in Schleswig-Holstein.

🗳 Wo Ampel und Jamaika schon regieren

🔴🟢🟡 Ampel-Koalition: Dreierbündnisse aus SPD, FDP und Grünen kamen außerhalb der kommunalen Ebene in Deutschland bisher selten zustande. Im südwestlichen Bundesland Rheinland-Pfalz regiert SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer seit 2016 in einer solchen Dreierkonstellation. Erst im Mai einigten sich die Partner erneut auf solch eine Koalition. Von den Gegensätzen der Parteien im Bundestagswahlkampf war auch angesichts der verheerenden Flutkatastrophe bei der Ampel in Mainz nicht viel zu merken.

Erstmals hatte der damalige SPD-Ministerpräsident Manfred Stolpe im nordöstlichen Bundesland Brandenburg 1990 eine Koalition mit Liberalen und dem Bündnis 90 geschmiedet, das später mit den Grünen fusionierte. In Bremen entstand unter Klaus Wedemeier 1991 ein rot-gelb-grünes Bündnis.

⚫🟢🟡 Jamaika-Koalition: Geprägt ist der Begriff von den Landesfarben des karibischen Inselstaates: Schwarz, Gelb und Grün. Im nördlichsten Bundesland Schleswig-Holstein regiert die Koalition mit Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) seit 2017 trotz großer inhaltlicher Unterschiede bei diversen Themen ohne schwere Krisen. Das Führungspersonal kennt einander gut und sucht gemeinsam den Erfolg. Im Vorfeld der Landtagswahl im Mai 2022 dürften inhaltliche Differenzen aber wieder eine größere Rolle spielen.

Zuvor war es in Deutschland auf Landesebene nur einmal zu Jamaika gekommen: zwischen 2009 und 2012 im Saarland unter CDU-Ministerpräsident Peter Müller und seiner Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Trotz inhaltlicher Differenzen arbeitete das Bündnis lange Zeit vergleichsweise ruhig zusammen.

Auch auf Bundesebene war Jamaika bereits im Gespräch. Nach der deutschen Bundestagswahl 2017 hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ein Bündnis der Union mit FDP und Grünen ausgelotet. Doch die FDP brach nach mehreren Verhandlungswochen die Sondierungsgespräche überraschend ab.

Genauso traf sich bei Merkels erster Regierungsbildung 2005 die Union mit der Grünen-Spitze, um zu sondieren, was gemeinsam mit der FDP möglich wäre. Das eineinhalbstündige Gespräch war aber eher ein erstes Beschnuppern - "für morgen, für übermorgen", wie die damalige Grünen-Co-Chefin Claudia Roth seinerzeit sagte.

🔴⚫ Große Koalition:

Zwar gibt es zwischen den bisherigen Koalitionspartnern keine unüberwindbaren Hürden. Aber insbesondere die SPD hat wenig Neigung, das ungeliebte Bündnis mit der Union neu aufzulegen. Ganz ausgeschlossen ist der neue „GroKo"-Aufguss aber nicht. Es könnte dazu kommen, wenn sich Grüne und FDP bei den Verhandlungen verhaken und kein Bündnis mit beiden Parteien zustande kommt.

📽️ Video | Ringen um Regierungsbildung beginnt

🔴🟢🔴 Rot-Grün-Rot

Nach dem vorläufigen Endergebnis fehlen einer Koalition aus SPD, Grünen und den Linken fünf Sitze zur Mehrheit im neuen Bundestag. Und selbst wenn eine rechnerische Mehrheit zustande kommen sollte, dürfte es schwierig werden –entscheidende Hürde ist die Außenpolitik: Die Linke steht NATO und Bundeswehreinsätzen ablehnend gegenüber. Bei Sozialpolitik, Gesundheit, der Rente, aber auch in der Steuerpolitik gibt es hingegen viele Gemeinsamkeiten der drei Parteien. (APA/AFP)

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