Umbruch, Krisen, Ängste: Hilfe für junge Erwachsene in eigener, neuer Tagesklinik in Innsbruck
In Innsbruck gibt es Österreichs einzige Adoleszenz-Tagesklinik. Sie soll Psychiatrie-Patienten von 16 bis 25 Jahren in Entwicklungskrisen helfen.
Von Nicole Strozzi
Innsbruck, Hall – Vor zig Jahren wurde ein Gesetz geschrieben, in dem steht, dass man ab dem 18. Geburtstag erwachsen und volljährig ist. Auch was die klinische bzw. psychiatrische Versorgung betrifft, hat man mit 18 einen scharfen Übergang in die Erwachsenenpsychiatrie geschaffen. Doch so einfach ist das nicht.
„Die Gesellschaftsstrukturen haben sich verändert. Kinder und Jugendliche haben längere Entwicklungsphasen, gehen länger zur Schule, wohnen oft länger daheim“, erklärt Barbara Sperner-Unterweger, Direktorin der Innsbrucker Uniklinik für Psychiatrie II. Dieser Übergang ist oft schwierig und mit Krisen gepflastert.
„Bei manchen Patienten klappt das sehr gut, sie fühlen sich erwachsen. Aber manche haben Ablösungsschwierigkeiten, beschäftigen sich eher mit jugendspezifischen Themen, wollen, dass ihre Eltern auch eingebunden werden. Es ist daher sinnvoll, in beide Richtungen zu denken“, ergänzt Kathrin Sevecke, Direktorin der Kinder- und Jugendpsychiatrie Hall und Innsbruck.
Insgesamt 12 Therapieplätze
Seit Jänner dieses Jahres gibt es erstmals in Österreich an der Innsbrucker Psychiatrie II eine eigene Tagesklinik für Adoleszenz für Psychiatrie-Patienten von 16 bis 25 Jahren. Ziel ist es, genau dieser Gruppe von jungen Menschen den Übergang vom Kinder- und Jugend- ins Erwachsenenalter zu erleichtern und eine Versorgungslücke zu schließen.
Die Tagesklinik, die morgen offiziell eröffnet wird, wird gemeinsam von der Erwachsenen-Psychiatrie und der Kinder- und Jugendpsychiatrie betrieben. Auch das ist ein Novum. „Einzigartig ist, dass zum ersten Mal zwei Kliniken des Landes eine gemeinsame Versorgungsstruktur betreiben. Es gibt sowohl einen Oberarzt der Psychiatrie II als auch eine Oberärztin der Jugendpsychiatrie“, erklärt Sperner-Unterweger. Insgesamt werden 12 Therpieplätze angeboten. Behandelt wird das ganze Spektrum von psychischen Erkrankungen, die oftmals durch Adoleszenz-Krisen bedingt sind und einen Entwicklungsstillstand bedingen können. Der Schwerpunkt liegt auf psychosomatischen Erkrankungen wie Angst, Stress, Trauma oder Essstörungen.
Behandlung dauert meist drei Monate
Die Patienten bleiben fünf Tage die Woche von 8 bis 16 Uhr in der Klinik, verbringen den Abend, das Wochenende oder die Feiertage daheim. Die Behandlungsdauer liegt meist bei drei Monaten. In vielen Fällen können die Patienten ihre Ausbildung fortsetzen. In diversen Gruppensitzungen – von der Tanztherapie bis zur Ernährungsberatung – erlernen sie mit interdisziplinären Expertenteams Bewältigungsstrategien und soziale Kompetenzen. Dieses Programm gibt Struktur, die in diesem Alter oftmals fehlt.
Kontakt
Ambulante Tagesklinik für Adoleszenz: Innsbruck, Anichstraße 35, Psychiatrie-Gebäude, Haus 6 Parterre
Anmeldung für Erstgespräche: +435050427081; Montag bis Donnerstag von 9 bis 12 Uhr
„Gerade die Corona-Zeit hat die Situation erschwert und die jungen Menschen noch mehr belastet“, betont Sevecke. Immer mehr Jugendliche benötigen psychiatrische Unterstützung. „Es gibt Patienten, die haben angefangen zu studieren, waren aber noch nie an der Uni. Der Austausch mit Gleichgesinnten fehlt“, sagt Sperner-Unterweger.
In diese Sturm- und Drangzeit fallen viele essenzielle Erfahrungen und Entscheidungen: Ausbildung, Partnerschaft, die eigene Zukunft. Umso wichtiger ist es, dass diese Gruppe von Menschen aufgefangen und nicht übersehen wird.