Deutschland-Wahl

Grüne und FDP verhandeln weiter, laut Umfrage 59 Prozent für Ampelkoalition

V.l.n.r: Volker Wissing (FDP-Generalsekretär), Annalena Baerbock (Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen), Christian Lindner (FDP-Vorsitzender) und Robert Habeck (Co-Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen) auf einem Selfie, das in den vergangenen Tagen in sozialen Medien die Runde machte.
© Volker Wissing

Bei der zweiten Runde der Vorsondierungen zwischen FDP und Grünen ging es am Freitag bereits um Inhalte und Ziele einer Koalition. Die Deutschen geben laut ZDF-“Politbarometer“ einer Koalition der beiden Parteien mit der SPD den Vorzug.

Berlin – Fünf Tage nach der Bundestagswahl haben Spitzenvertreter von Grünen und FDP weiter über eine gemeinsame Beteiligung an der neuen Bundesregierung beraten. Dazu kamen am Freitag in Berlin unter anderem FDP-Chef Christian Lindner, die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck zusammen. Bei der zweiten Runde sogenannter Vorsondierungen sollte es konkreter um Inhalte und Ziele einer Koalition gehen. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz begrüßte die Gespräche.

Die Verhandlungsteams von Grünen und FDP berieten dazu in der Früh in einem Bürogebäude neben dem Berliner Zoo zunächst getrennt. Nach Angaben beider Delegationen kamen sie dann zu gemeinsamen Gesprächen zusammen. Grüne und FDP hatten die Gespräche am Dienstag eingeleitet und davon ein Selfie auf Instagram gepostet. Von Sonntag an steigen dann auch die SPD als stärkste Kraft und die Union in Gespräche ein. Beide streben jeweils ein Bündnis mit Grünen und FDP an – also entweder eine Ampelkoalition unter SPD-Führung oder ein Jamaika-Bündnis unter Führung der Union.

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Dabei wuchs auch in der Union die Erwartung, dass es zu einer Ampel kommt. „Die Wahrscheinlichkeit, dass es eine Ampel geben wird, ist nicht nur offenkundig, sondern ist sehr groß“, sagte Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) in der ARD. „Die SPD hat die Wahl gewonnen.“ Der neue Chef der sächsischen CDU-Landesgruppe im Bundestag, Carsten Körber, sagte im Deutschlandfunk: „Ich gehe mit großer Wahrscheinlichkeit davon aus, dass wir in die Opposition gehen und Olaf Scholz eine Ampelkoalition anführen wird.“ Bei einem Scheitern der Gespräche über ein Ampelbündnis steht die Union laut Linnemann und Körber aber bereit.

Laut einer Umfrage fänden 59 Prozent der Bevölkerung es gut, wenn es zu einer Ampel käme, wie die Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-“Politbarometer“ ermittelt hat. 20 Prozent fänden ein solches Bündnis schlecht, 19 Prozent wäre das egal. Ein Jamaika-Bündnis fänden nur 24 Prozent gut und 62 Prozent schlecht. In einer anderen Umfrage gaben 51 Prozent an, dass ein Ampelbündnis unter SPD-Führung am ehesten für einen Neuanfang stehen würde. Nur 18 Prozent denken dies von einer Jamaika-Koalition, wie das Infratest dimap im „Deutschlandtrend“ für das ARD-“Morgenmagazin“ ermittelt hat.

Zwei Drittel der Befragten für Rücktritt Laschets

Die SPD war mit 25,7 Prozent als stärkste Partei aus der Bundestagswahl hervorgegangen. Die Union war auf ihren historischen Tiefstand von 24,1 Prozent abgestürzt. Fast zwei Drittel der im ZDF-Politbarometer Befragten sind der Ansicht, Laschet sollte als CDU-Chef zurücktreten, darunter auch 62 Prozent der Unions-Anhänger.

Scholz sagte dem „Spiegel“: „Ich bin optimistisch, dass eine Ampelkoalition gelingen kann.“ Dass Grüne und FDP zuerst untereinander sprechen, finde er „richtig“. Das sei eine Konsequenz aus den Jamaika-Erfahrungen. 2017 waren Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition von Union, FDP und Grünen geplatzt. Die FDP hatte die Gespräche abgebrochen. Scholz sagte, damals hätten die Verhandlungen den Eindruck erweckt, als gehe es ausschließlich um Union und Grüne. Nun sollten die Parteien auf Augenhöhe reden: „Echte Zuneigung entsteht, wenn man sich ernsthaft aufeinander einlässt.“

Zentral sei Vertrauen. „Denn später werden wir viele Aufgaben lösen müssen, die bei den Koalitionsverhandlungen noch gar nicht vorhersehbar waren“, sagte Scholz. Für die Verhandlungen habe er konkrete Vorstellungen, „wie das passen könnte“. Die Gespräche sollten aber nicht über die Medien geführt werden. Es gebe „große Schnittmengen“ - als Beispiele nannte Scholz ein erstklassiges Mobilfunknetz, eine größeres und moderneres Stromnetz sowie den Ausbau von Windkraft und Solarenergie.

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FDP-Fraktionsvize Michael Theurer, der zum Verhandlungsteam der FDP zählt, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Es geht jetzt nicht darum, Unterschiede der Parteien in einzelnen Positionen zu betonen.“ Nötig sei eine verbindende Fortschrittsidee. Nachhaltigkeit in der ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimension könnte zur verbindenden Klammer gemeinsam fortentwickelt werden.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt erwartet harte Verhandlungen. Niemand solle so tun, „als ob wir uns schon Wattebäuschchen gegenseitig zuwerfen“, sagte Göring-Eckardt am Donnerstag in der ZDF-Sendung „maybrit illner“. Mit schwierigen Diskussionen rechnet die Fraktionschefin etwa in der Klimapolitik.

CDU/CSU trifft am Sonntag FDP, am Dienstag die Grünen

Die frühere CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer rief die Union vor den Gesprächen mit Grünen und FDP zur Geschlossenheit auf. „Entscheidend für die Frage, ob es am Ende zu einer Zukunftskoalition im Jamaika-Format kommt, sind die Inhalte und der Rückhalt aller Verantwortlichen“, sagte sie der dpa. „Die Union muss jetzt mit breiter Unterstützung für die Vorsitzenden von CDU und CSU in Gespräche gehen.“ Die Parteichefs Armin Laschet (CDU) und Markus Söder (CSU) wollen am Sonntagabend mit weiteren Verhandlern zunächst mit der FDP und am Dienstag mit den Grünen zusammenkommen.

Nach Unregelmäßigkeiten am Wahlsonntag in Berlin forderte die Bundesregierung unterdessen eine gründliche Untersuchung. „Es ist die Verantwortung der zuständigen Berliner Stellen und Verantwortlichen, das was geschehen ist, ganz klar aufzuarbeiten“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. „Man kann jeden Berliner Wähler und jede Berliner Wählerin verstehen, die sich am Sonntag gewundert haben, wie es in einzelnen Wahllokalen zuging, die sich zum Teil auch massiv geärgert haben, dass Stimmzettel fehlten und was alles noch berichtet worden ist.“

Dass sich daraus dringende Fragen ergäben, sei klar. Auf Nachfrage, ob die Ereignisse dem Ansehen Deutschlands schaden könnten, sagte Seibert: „Man kann bessere Werbung für sich machen.“ (APA/dpa)

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