Steuerreform

Ökosoziale Steuerreform: Klimabonus federt die CO2-Bepreisung ab

Kanzler Kurz, Vizekanzler Kogler sowie die Minister Gewessler, Blümel und Kocher präsentierten ihr Prestigeprojekt – die ökosoziale Steuerreform.
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Der CO2-Preis verteuert Sprit und Heizen. Die ökosoziale Steuerreform der türkis-grünen Bundesregierung schafft aber einen Klimabonus als Ausgleich und bringt niedrigere Steuern für Arbeitnehmer sowie Unternehmen.

Wien – Nach langen Verhandlungen hat sich die türkis-grüne Bundesregierung nun auf eine ökosoziale Steuerreform geeinigt. Die Eckpunkte stehen, an den Details wird noch gearbeitet. Der Großteil der Maßnahmen wird ab 1. Juli 2022 wirksam. Insgesamt verspricht Türkis-Grün eine Entlastung in Höhe von 18 Milliarden Euro bis 2025. Umweltschädliches Verhalten wird mit einer Bepreisung des CO2-Ausstoßes belastet, als Ausgleich wird es einen Klimabonus geben.

📽 Video | „Ökosoziale Steuerreform: Details präsentiert“

Die Lohn- und Einkommenssteuer wird gesenkt. Auch die Körperschaftssteuer für Unternehmen wird gesenkt. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) lobte das „Megaprojekt“ als „größte Steuerentlastung der 2. Republik“. Für Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) ist es „historisch“. Hier die Eckpunkte:

1. CO2-Preis: Autofahren und Heizen werden teurer. Das klimaschädliche CO2 bekommt in Österreich nämlich einen Preis. Ab 1. Juli 2022 beträgt der Einstiegspreis 30 Euro pro Tonne. Das bedeutet, dass der Liter Treibstoff zunächst um rund acht Cent pro Liter teurer wird. 2023 sollen CO2-Emissionen dann 35 Euro pro Tonne kosten, ab 2024 dann 45 Euro und 2025 wird der Preis auf 55 Euro erhöht. Ab 2026 soll es einen EU-weiten CO2-Emissionshandel für sämtliche Lebensbereiche geben.

Die Einnahmen aus der CO2-Steuer werden kumuliert bis 2025 rund fünf Mrd. Euro betragen, wobei sie 2022 nur rund eine halbe Mrd. ausmachen werden, weil es nur ein halbes Jahr ist.

2. Klimabonus: Je nachdem, wo man wohnt und ob man öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung hat oder auf das Auto angewiesen ist, bekommt man die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung als regionalisierten Klimabonus zurück. Im ersten Jahr wird er zur Gänze ausgezahlt, obwohl die Steuer erst ab 1. Juli fällig ist. Diese Aufschiebung um ein halbes Jahr erklärte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) mit der aktuell angespannten Lage am Gasmarkt, die zu einem enormen Anstieg der Gaspreise geführt hat. Durch die CO2-Steuer würde das zu massiven Verteuerungen führen, die man vermeiden wolle. Konkret wird es 2022 vier Stufen geben: 100 Euro, 133 Euro, 167 Euro und 200 Euro pro Jahr und Person im ersten Jahr. Für Kinder gibt es die Hälfte des „regionalen Klimabonus“. Die genaue Berechnung nach Region wird erst gemacht.

Zusätzlich sollen 500 Millionen Euro in eine Offensive für sauberes Heizen investiert werden, wobei eine Abkehr von Öl und Gas, der Tausch von Heizkesseln und die thermische Sanierung gefördert werden.

Mit dem Anstieg des CO2-Preises werde auch der Klimabonus steigen und etwa im Jahr 2025 fast das Doppelte betragen, weil auch der CO2-Preis bis dahin auf 55 Euro angestiegen sein werde, erklärte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Soweit aber der CO2-Ausstoß und damit die Einnahmen aus der Abgabe sinken, geht auch der „regionale Klimabonus“ zurück. Die Steuerreform bringe ein „neues Denken“. Umweltfreundliches Verhalten werde günstiger, umweltschädliches teurer. „Weniger Dreck in der Luft, aber mehr Geld im Geldbörsel“, so Kogler.

3. Arbeit: Ab Juli 2022 wird die Lohnsteuer in der zweiten Stufe von 35 auf 30 Prozent und ab Juli 2023 in der dritten Stufe von 42 auf 40 Prozent gesenkt. Die anderen Stufen bleiben unverändert.

Gesenkt werden ebenso die Krankenversicherungsbeiträge für kleine Einkommen ab Juli 2022, beginnend mit 1,7 Prozentpunkten. Bis zu einem Einkommen von 2600 Euro brutto wird es eine langsam einschleifende Senkung der Beiträge geben. Davon profitieren laut Regierungsangaben 2,3 Millionen Arbeitnehmer und 1,6 Millionen Pensionisten. Darüber hinaus soll auch ein Mitarbeiterbeteiligungsmodell eingeführt werden, mit dem Arbeitnehmer mit bis zu 3000 Euro steuerfrei am Gewinn eines Unternehmens profitieren können.

📽 Video | „Im Zentrum: Wie ökosozial sind die Pläne der Regierung wirklich? “

Die gesamten Lohnnebenkosten sollen in Vollausbau der Steuerreform zu einer Entlastung des Faktors Arbeit um 4,7 Milliarden Euro und einer Senkung der Abgabenquote von 47,3 auf 46,2 Prozent führen, sagte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP).

4. Familien: Ebenfalls ab Juli 2022 wird der Familienbonus von 1500 auf 2000 Euro pro Kind und Jahr angehoben. Wer 2500 brutto im Monat verdient und zwei Kinder hat, zahlt damit keine Steuern mehr. Außerdem sollen Alleinerzieherinnen mit niedrigem Einkommen mehr vom Kinderbonus profitieren. Alleinerzieherinnen mit einem Einkommen bis zu 12.000 Euro pro Jahr erhalten einen Kinderbonus von 450 Euro pro Kind statt bisher 250 Euro. Zudem wird auch der Bezieherkreis erweitert. Künftig sind auch jene Familien bezugsberechtigt, in denen beide Partner arbeiten und beide jeweils mehr als 6000 Euro, aber unter 12.000 Euro verdienen.

5. Wirtschaft: Unternehmen werden mittels Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 23 Prozent bis 2024 (ein Prozent 2023 und ein Prozent 2024) um bis zu 700 Mio. Euro entlastet. Zudem soll es nach deutschem Vorbild Entlastungen für besonders CO2-intensive Unternehmen geben, damit es nicht zu einem „Carbon Leakage“ kommt – Betriebe sollen nicht wegen der mit den Klimamaßnahmen verbundenen Kosten ihre Produktion in andere Länder mit weniger strengen Auflagen verlagern. Für besonders energieintensive Unternehmen ist eine „Härtefallregelung“ vorgesehen. Die Eigenstromsteuer für die Einspeisung von selbst erzeugtem Strom soll entfallen – diese Entlastung wird von der Regierung mit 50 Mio. Euro beziffert.

Den 2012 beseitigten Steuervorteil für Landwirte in Form des so genannten „Agrardiesels“ soll es künftig wieder geben. Außerdem sollen energieautarke Bauernhöfe Förderungen von insgesamt 25 Mio. Euro erhalten. (sas, TT)

📽️ Video | Zusammenfassung: Die Eckpfeiler der Steuerreform

Von absoluter Ablehnung bis zu differenziertem Lob: Reaktionen auf die Steuerreform der Regierung

Günther Platter (Landeshauptmann): „Es handelt sich um eine mutige Steuerreform. (...) Mir war es wichtig, dass insbesondere die niedrigen und mittleren Einkommen entlastet und nicht weiter belastet werden, was mit der Reform gewährleistet ist.“

Margit Schratzenstaller, Steuerexpertin beim Wifo, bewertet grundsätzlich positiv, dass 2022 der Einstieg in die CO2-Bepreisung erfolgt. „Man hätte sich aber gewünscht, dass das ein bissl mutiger gewesen wäre, sowohl was den Einstiegspreis anbelangt als auch den Zielpreis“, so Schratzenstaller. So werde der gewünschte Lenkungseffekt „relativ begrenzt bleiben“.

Harald Mahrer (Wirtschaftskammer-Präsident): „Nach langen und harten Verhandlungen hat sich am Ende ein vernünftiges Paket für die Stärkung des heimischen Wirtschaftsstandorts durchgesetzt.“ Vor allem mit der Erhöhung des Gewinnfreibetrags sowie mit der Senkung der Körperschaftssteuer und der Tarifstufen in der Lohn- und Einkommensteuer wurden langjährige Kammer-Forderungen aufgegriffen, hielt er fest.

Die Opposition lässt kein gutes Haar an der Steuerreform. Für die FPÖ ist sie „eine reine Mogelpackung zulasten der Bevölkerung“ und ein „Strafpaket für die österreichischen Steuerzahler“. Auch die SPÖ findet, die Steuerreform sei „weder sozial noch ökologisch“. Und für die NEOS ist es „nicht mehr als eine Umverteilungsreform“.

Franz Schellhorn vom wirtschaftsliberalen Think Tank Agenda sparte ebenfalls nicht mit Kritik. „Es handelt sich um einen Fleckerlteppich, auf dem möglichst viele Gruppen Platz finden. Aber ein klares, für jedermann nachvollziehbares Konzept fehlt.“ Österreich bleibe ein „Hochsteuerland“.

Arbeiterkammer und Gewerkschaft sprachen von einem ambitionierten Programm, allerdings sei mehr Verteilungsgerechtigkeit notwendig.

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