Verpflichtung zur Erinnerung: Eine Konfrontation mit der ganzen Geschichte
Die neue Länderausstellung in der KZ-Gedenkstätte Auschwitz gedenkt der Opfer, macht aber auch Täter aus Österreich zum Thema.
Von Wolfgang Sablatnig
Auschwitz – Auschwitz – „Auschwitz ist der Ort, an dem man realisieren muss, was der Mensch fähig ist, anderen Menschen anzutun“, sagt Hannes Sulzenbacher. Er hat in den vergangenen acht Jahren die Arbeit an der neuen Österreich-Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte Auschwitz geleitet. Am Montag wurde die Ausstellung eröffnet – in Anwesenheit von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und einer hochrangigen Delegation aus Österreich.
„Es ist unser Wille und unsere Verpflichtung, die Erinnerung an die Opfer zu bewahren. Und es ist unser Wille und unsere Verpflichtung, daran zu erinnern, dass nicht nur die Opfer, sondern auch die Täter und Täterinnen Teil unserer Gesellschaft waren und von ihr geprägt waren“, erklärte Van der Bellen. Der Bundespräsident erinnerte aber auch daran, dass Antisemitismus und Rassismus in Österreich schon vor 1938, vor dem Einmarsch Nazideutschlands und dem „Anschluss“ Österreichs, in der Gesellschaft des Landes präsent waren. Van der Bellen: „Der Rassismus und Antisemitismus der Nationalsozialisten ist nicht vom Himmel gefallen. Die Konzentrations- und Vernichtungslager sind nicht vom Himmel gefallen. ‚Auschwitz‘ ist nicht vom Himmel gefallen.“
In Auschwitz auch die Täter zu sehen, ist nicht selbstverständlich. Bereits 1978 wurde in Auschwitz eine österreichische Länderausstellung eröffnet – mit Konzentration auf die Opfer und getragen von der These von Österreich als erstem Opfer der Nazis.
Der Beschluss, eine neue Ausstellung zu gestalten, fiel bereits 2009. Zuständig war der Nationalfonds der Republik für die Opfer des Nationalsozialismus. Bis zur Eröffnung dauerte es mehr als zwölf Jahre. „Die Konfrontation mit unserer Geschichte kann keine Konfrontation mit der halben Geschichte sein“, betonte Sobotka.
Beide, Van der Bellen und Sobotka, schlugen den Bogen ins Jetzt. „Niemals wieder“ bedeute, sich jedem Versuch der Zerstörung des Rechtsstaats entgegenzustellen, sagte der Bundespräsident. „Auschwitz verbietet Allgemeinplätze“, meinte der Nationalratspräsident. Das „Niemals wieder“ dürfe nicht zum Ritual erstarren.
Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, erinnerte an seine Großmutter, die in Auschwitz ermordet wurde: „Möge diese Ausstellung die Erinnerung an die Shoah wachhalten, damit so etwas nie wieder passiert.“
Ein Projekt in diesem Sinne ist „Promemoria Auschwitz“. 800 Jugendliche aus Tirol, Südtirol und dem Trentino besuchen bei der „Reise der Erinnerung“ die Gedenkstätte. Platter kündigt an, das Land werde die Initiative weiter unterstützen.
Über die Entfernung vom Leben
Österreich und Auschwitz bedeutet eine besondere Herausforderung. „Wir sind die einzige Ausstellung eines Landes, das gleichzeitig ein Täter- und ein Opferland ist“, sagt Hannes Sulzenbacher, Kurator der neuen österreichischen Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte. Die Ausstellung wolle beide Seiten verknüpfen, berichtet er.
Die Schau trägt den Titel „Entfernung. Österreich und Auschwitz.“ Gemeint ist die räumliche Distanz der Opfer und Täter von ihrer österreichischen Heimat. „Die Menschen hatten nicht einmal mehr einen Namen.“ Gemeint ist aber auch die „Entfernung der Menschen aus dem Leben“, die in Auschwitz stattgefunden habe.
Die Gestaltung folgt dem Titel. Was vor Auschwitz lag, die Verfolgung und der Antisemitismus in der Heimat, ist nur virtuell, auf Bildschirmen zu sehen. Die Ausstellungsstücke stammen alle aus Auschwitz.