FPÖ, NEOS und ÖGB lassen kein gutes Haar an türkis-grüner Steuerreform
Beate Meinl-Reisinger kritisiert, dass die Steuerlast nicht sinke und der Klimabonus ungerecht sei. Gar einen „Skandal“ in Sachen CO2-Bepreisung wittert Herbert Kickl. ÖGB-Chef Katzian ortet Steuergeschenke für Konzerne statt Entlastung für Geringverdiener.
Wien – Die Opposition übt massive Kritik an den Steuerreformplänen von ÖVP und Grünen. Das System werde dadurch weder einfacher noch gerechter, und die Steuerlast sinke auch nicht, kritisierte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger am Dienstag. Ihre Partei fordert stattdessen die Abschaffung der kalten Progression, eine drastische Absenkung der Lohnnebenkosten und eine wirkungsvolle CO2-Bepreisung. Die FPÖ sah den Klimabonus durch steigende Heizkosten aufgefressen.
📽 Video | NEOS lassen kein gutes Haar an Regierungsplänen
Der freiheitliche Parteichef Herbert Kickl sprach von Ernüchterung, denn der angekündigte Bonus reiche laut Medienberichten in vielen Fällen nicht einmal ansatzweise aus, um die stark ansteigenden Preise für das Heizen abzufedern. „Das zeigt klar, dass die schwarz-grüne Bundesregierung in ihrem Elfenbeinturm keine Ahnung von der Lebensrealität der Menschen in unserem Land hat“, kritisierte er in einer Aussendung.
Kickl ortet „Belastungs-Skandal“
„Unterm Strich ist klar, dass beim Thema Heizen hunderttausende Menschen nicht entlastet, sondern belastet werden. Und für all diese kommt mit der CO2-Steuer noch eine weitere Belastung zu. Das ist ein Skandal und muss wieder korrigiert werden“, forderte Kickl. Vielfach seien die Menschen nicht in der Lage, innerhalb weniger Monate auf umweltfreundliche Heizsysteme umzusteigen. Das betreffe den Mieter mit der Gastherme ebenso wie den Besitzer eines Einfamilienhauses. Der FPÖ-Obmann forderte Konzepte von der Regierung, wie den davon betroffenen Arbeitnehmern diese Teuerung abgegolten werden könne. Zudem müsse es einen Preis-Stopp im Energiesektor geben.
Den NEOS geht es unter anderem um eine Stärkung des Mittelstands, führte Parteichefin Meinl-Reisinger aus, und das werde durch diese Steuerreform nicht erfüllt. Der Finanzminister agiere als Wegelagerer, denn er hole sich pro Prozentpunkt Inflation 250 Mio. Euro über die kalte Progression zurück. Diese nicht abzuschaffen, sei eine „Bankrotterklärung des Ziels, endlich eine echte Entlastung zu schaffen“, wie Meinl-Reisinger sagte.
„Stadt-Land-Spalterei“ für Meinl-Reisinger höchst problematisch
Für die Jungen sei die Ankündigung der Regierung eine ganz schlechte Nachricht. 30 Euro CO2-Preis seien eine Bankrotterklärung, und noch dazu sei der Klimabonus nicht gerecht, weil er unabhängig vom Einkommen ausgezahlt werde. Die NEOS wollen einen CO2-Preis von 350 Euro pro Tonne, andere preiswirksame Steuern wie die Mineralölsteuer würden dafür aber wegfallen. Dass hier noch dazu Wien benachteiligt werde und die ÖVP gezielt Stadt und Land gegeneinander ausspiele, stört Meinl-Reisinger: „Diese Spalterei halte ich für ganz, ganz, ganz problematisch“, sagte sie.
NEOS-Budgetsprecherin Karin Doppelbauer zeichnete ebenfalls ein vernichtendes Bild: „Die Regierung ist ein Weltmeister im Ankündigen, aber ein vollkommenes Armutschkerl beim Umsetzen.“ Die versprochene Tarifsenkung wiege die kalte Progression der vergangenen Jahre nicht auf, das ÖVP-Versprechen der Abgabensenkung werde nicht gehalten, und Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) habe keine Ahnung, wie die Reform gegenfinanziert werden solle.
ÖGB-Chef Katzian: Vermögen zu wenig besteuert, Arbeit zu hoch
Alles andere als zufrieden mit den Steuerreform-Plänen der Regierung ist auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian: Die Schritte zur Klimarettung seien „zwar richtig, aber zu zaghaft“. Eine große Entlastung für Arbeitnehmer bringe die Reform nicht, dafür aber Steuergeschenke für große Unternehmen und Konzerne. Und wichtige Zukunftsinvestitionen in Gesundheit, Pflege und Bildung fehlen, kritisierte Katzian in einer Aussendung.
📽 Video | Vizekanzler Kogler in der "ZiB2" zum Klimabonus
Die türkis-grüne Bundesregierung hat aus seiner Sicht „die Chance verpasst, die Schieflage im österreichischen Steuerstruktur zu ändern“. Mit den vorliegenden Plänen bleibe unselbstständige Arbeit zu hoch besteuert und große Vermögen zu wenig, bekräftigte der ÖGB-Chef die Forderung nach Millionärsabgabe und Wiedereinführung der Erbschaftssteuer.
Besserverdiener profitieren
Eine Analyse der Pläne durch den ÖGB zeige, dass von der geplanten Einkommenssteuersenkung Bezieher und Bezieherinnen hoher Einkommen wesentlich stärker profitieren als jene mit Einkommen unter 1800 Euro – und die Kalte Progression werde nicht ausgeglichen. Dadurch hätten sich seit 2016 rund 4,5 Mrd. Euro angesammelt. Nach der ersten Steuerreformetappe im Vorjahr seien noch drei Mrd. Euro offen. Diesen Ausgleich hätten sich die Arbeitnehmer verdient, befand Katzian. Zudem werde der entlastende Effekt 2026 „verpuffen“, dann werde die Kalte Progression wieder voll greifen.
Die Senkung von Krankenversicherungsbeiträgen begrüßte er zwar insofern, als sie Geringverdiener entlastet. Aber die Versicherungsträger bräuchten dafür einen regelmäßigen, valorisierten Ausgleich, damit sie nicht – zulasten der Versicherten – finanziell unter Druck kommen.
Kritisch sieht der ÖGB-Präsident die regionale Differenzierung des Klimabonus. In Wien etwa – wo wegen des großen Öffi-Angebots nur der geringste Bonus ausbezahlt werden soll – seien die Heizkosten hoch, verwende doch fast die Hälfte der Haushalte Heizöl oder Gas. „Den Preis dafür zahlen MieterInnen, die sich die Heizung nicht aussuchen können“, stellte Katzian fest.
„Steuergeschenk für Konzerne“
Als „Steuergeschenk für große Unternehmen und Konzerne“ lehnt Katzian eine Senkung der Körperschaftssteuer ab. Diese liege schon jetzt unter dem OECD-Schnitt – und die Senkung führe weder zu höheren Investitionen noch zu mehr Beschäftigung. Solche Anreize wären aber nötig – und ebenso Geld für den Ausbau der Kinderbetreuung und die Pflege, stellte der Gewerkschafts-Chef fest. (TT.com, APA)
💬 Designierter IHS-Chef Feld: CO2-Preis „ändert das Kalkül“
Der deutsche Ökonom und designierte IHS-Chef Lars Feld sieht beim CO2-Preis trotz der niedrigen Höhe von 30 Euro pro Tonne sehr wohl Lenkungseffekte, wie er am Dienstag im Ö1-“Morgenjournal“ sagte. „Es ändert ja das Kalkül der Konsumenten und Produzenten erheblich, wenn eine bestimmte Sache verteuert wird“, so Feld. Ein Einstieg mit einem niedrigen Preis und mit dem Wissen, dass dieser weiter steigen wird, sei sinnvoll, damit sich die Menschen daran gewöhnen können.
Die Steuersenkungen sieht Feld als Versuch, in den fragilen Aufschwung nach der Coronakrise noch mehr Schwung hineinzubekommen und so aus der Krise herauszuwachsen. „Natürlich wird das Löcher in den Haushalt reißen, deshalb bin auch gespannt, was dann im weiteren Verlauf irgendwann mal kompensatorisch kommen soll,“ erwartet Feld mittelfristig eine gewisse Gegenfinanzierung. Dazu zählen auch die schleichende Steuererhöhung, kalte Progression genannt, sowie das Wirtschaftswachstum.