Experte: In Tschechien hängt es jetzt vom Präsidenten ab
Bei der Parlamentswahl in Tschechien haben zwei liberal-konservative Oppositionsbündnisse überraschend die Mehrheit errungen. Der populistische Regierungschef Andrej Babis musste nach Auszählung fast aller Stimmen eine Niederlage einräumen. Bei der Regierungsbildung hat aber Präsident Milos Zeman ein entscheidendes Wörtchen mitzureden.
Prag/Wien – Auch wenn das konservative Drei-Parteien-Bündnis Spolu die Mehrheit der tschechischen Wähler für sich gewonnen hat, hat Präsident Milos Zeman bei der Regierungsbildung in Tschechien noch ein deutliches Wort mitzureden. Zeman empfängt den bisherigen Regierungschef Andrej Babis am Sonntag. Der Präsident habe mehrere Optionen, erklärt Daniel Martinek, Forscher am Institut für Donauraum und Mitteleuropa (IDM), im Gespräch mit der APA.
Zeman könnte Babis mit der Regierungsbildung beauftragen oder Petr Fiala, den Spitzenkandidaten von Spolu. Der Präsident könnte die Regierungsbildung aber auch lange hinauszögern. Im Extremfall könne dies bis 2023, dem Ende von Zemans Amtszeit, dauern und Babis, dem entsprechende Ambitionen nachgesagt werden, könnte direkt in den Präsidentschaftswahlkampf einsteigen. Allerdings erwartet Martinek in einem solchen Fall Proteste in seinem Heimatland. Ein Unsicherheitsfaktor ist außerdem der Gesundheitszustand von Zeman.
Sollte Babis den Auftrag bekommen, würde dieser mit der EU-kritischen rechtspopulistischen Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD) verhandeln, prognostiziert Martinek. Für eine Mehrheit bräuchte die liberalpopulistische Partei von Babis, die ANO, aber noch einen weiteren Bündnispartner. Dieser könnte Fialas konservative Bürgerpartei ODS sein, die laut Martinek auf 25 Parlamentssitze kommt. In der ODS gebe es einige Regionalpolitiker, die einer solchen Koalition offen gegenüber stünden. Es sei aber nicht die Mehrheit.
Babis wird höchstwahrscheinlich in Opposition landen
"Babis und seine Partei werden höchstwahrscheinlich in der Opposition landen", sagte der tschechische Experte. Die konservative Wahlkoalition Spolu habe mit dem zweiten proeuropäisch-liberalen Wahlbündnis aus Piraten und Bürgermeistern "eine klare Mehrheit".
Inwiefern eine Koalition aus fünf Parteien stabil sein würde, ist noch schwer abschätzbar. Für die Piraten und Bürgermeister sei die Kooperation mit Spolu die einzige Option, in die Regierung zu kommen. Das schlechte Abschneiden der linksliberalen Partei, die vor einiger Zeit noch die Umfragen angeführt hatten, führt Martinek auf die "Kampagne von Babis gegen die Piraten" zurück. Der Premier habe sie als migrationsfreundlich dargestellt und erklärt, die Piraten würden die Souveränität Tschechiens an Brüssel abgeben wollen.
Interessant an dem Wahlergebnis ist gemäß dem Experten auch, dass die Kommunisten 32 Jahre nach der Samtenen Revolution erstmals aus dem Abgeordnetenhaus in Prag gefallen sind. (APA)