Auto-Test

Kia EV6: Parallel-Starter aus Korea

Der EV6 ist Kias Vorbote einer ganzen Palette von EV-Modellen. Äußerlich hebt er sich von der bisherigen Designlinie der Marke deutlich ab.
© Kia

Kia bleibt seiner angestammten Palette aus Piccanto, Rio, Ceed, Sportage und Sorento treu – nebenbei starten die Koreaner mit dem EV6 aber auch ein neues Elektro-Programm.

Von Stefan Pabeschitz

Málaga – Den Vortritt innerhalb des Konzerns hatte diesmal Hyundai – der Ionic 5 feierte kürzlich als erstes Modell auf der gemeinsamen G-EMP Plattform für batterieelektrische Autos Premiere. Nun legt Kia seine Interpretation vor: Der EV6 ist der Vorbote einer ganzen Palette, die irgendwann einmal von EV1 bis EV9 reichen könnte. Im Design geht man dabei ganz andere Wege als die Schwestermarke – der EV6 ist ein rund und glatt gestylter Crossover, der auch Traditionsbrüche nicht scheut. Etwa fehlt ihm die bisher identitätsstiftende „Tiger-Nose“, der Kia-typisch geformte Kühlergrill. Der über die ganze Heckbreite verlaufende Bürzel wird vom entlang seiner Kante gezogenen Leuchtband betont. Der EV6 ist unverkennbar ein Kind, das die Aerodynamik gezeugt hat – speziell im E-Segment, wo um jedes Prozent Reichweite gekämpft werden muss, ist sie zur Königsdisziplin aufgestiegen.

Den Innovationswillen spiegelt auch das Innenraumdesign wider. Das schwungvoll gezeichnete Cockpit ist auf den Fahrer ausgerichtet, die hohe, frei schwebende Konsole zwischen den Sitzen hat keine Verbindung zum Armaturenbrett. Im gut 70 Zentimeter langen Digitalschirm sind sowohl die Instrumenten-Anzeige als auch der Infotainment-Touchscreen untergebracht. Auf dem mittig angebrachten, ebenfalls digitalen Kontrollpaneel kann zwischen zwei Kommando-Leisten gewechselt werden: den Direkteinstiegstasten in die Bildschirmmenüs oder der Klimasteuerung. Wie bei allen Kias gibt es auch beim EV6 unverändert die Taste zum Ausschalten des gesetzlich geforderten, in der Praxis aber lästigen Spurhalteassistenten auf dem Lenkrad. Neu dazugekommen ist eine für die direkte Auswahl der Fahrmodi, ebenfalls auf dem Volant angebracht. Grundsätzlich wird jemand, der mit der bisherigen Kia-Bedienlogik vertraut ist, alle bekannten Funktionen wiederfinden und kein Handbuch brauchen, um im EV6 zurechtzukommen.

Von der Kompaktklasse hat sich der neue Stromer recht weit entfernt – tatsächlich ist sein Radstand etwa gleich groß wie der des aktuellen Marken-Flaggschiffs Sorento, auch von dessen Außenlänge trennt ihn mit gut 4,7 Metern nur noch eine Handbreite. Drinnen setzt er die Größenverhältnisse dank eher kurzer Frontpartie in ein besonders großzügiges Raumangebot auf Bussines-Class-Niveau um.

Angeboten wird der EV6 vorerst mit Hinterradantrieb zu 170 oder 229 PS oder mit Allrad-Antrieb zu 326 PS. Die Einstiegmotorisierung ist mit einer 58 kWh-Batterie kombiniert, die stärkste mit einer zu 77 kWh. Für die mittlere Leistungsstufe besteht die Wahl zwischen den beiden Akku-Größen. Naturgemäß tut sich die Basis-Variante mit dem Kampfgewicht von an die zwei Tonnen nicht allzu leicht, mit 229 PS geht der Vortrieb schon merkbar agiler vonstatten. Die Allrad-Version kann nicht nur auf die größten Leistungsreserven zurückgreifen, mit ihr lässt sich die Fahrzeugmasse auch am souveränsten bewegen. Wer es nicht auf rabiate Sprints anlegt und Autobahn-Passagen möglichst meidet, schafft trotz der hohen Nominalleistung einen Praxisbetrieb um 18 kWh je hundert Kilometer und kann damit auch die WLTP-Reichweite von etwa 470 Kilometern erreichen. Größe und Gewicht verleiten aber ohnehin nicht unbedingt zum wilden Kurvenräubern – die beste Disziplin des EV6 ist das flotte Gleiten auf höchstem Komfort.

Die Tarife beginnen bei 43.990 Euro und damit deutlich unter dem Einstiegsniveau der direkten Mitbewerber VW ID.4, Skoda Enyaq oder Ford Mustang Mach E. Fans gepflegter E-Power müssen sich noch ein wenig gedulden: Im Herbst kommenden Jahres rückt oben eine 585 PS-Variante des EV6 nach, die mit 69.990 Euro auch die Preisliste abschließt.

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