Deutscher Buchpreis für Strubel: „Existenzielle Wucht, poetische Präzision“
Antje Rávik Strubel untersucht in ihrem Roman „Blaue Frau“ sexualisierte Gewalt als gesellschaftliches Problem. Dafür gewann sie gestern den Deutschen Buchpreis.
Frankfurt/Main – „Vielleicht muss das Selbstverständliche erst wieder unverständlich werden um selbstverständlich zu bleiben.“ Diesen Satz von Ilse Aichinger zitierte Antje Rávik Strubel gestern Abend in ihrer Dankesrede für den Deutschen Buchpreis – und nahm dabei Bezug auf die vermeintliche Selbstverständlichkeit, als Mensch so benannt zu werden, wie man es möchte. Vielleicht, so Rávik Strubel in ihrer betont politischen Rede, sei dieser Wunsch zu einfach, um von jenen zumeist männlichen Machthabern, die den Verlust von Meinungshoheit für den Verlust von Meinungsfreiheit halten, ernst genommen zu werden.
Erhalten hat Antje Rávik Strubel den mit 25.000 Euro dotierten Deutschen Buchpreis für ihren beim S.-Fischer-Verlag erschienenen Roman „Blaue Frau“. Darin erzählt sie von sexualisierter Gewalt und ihren Folgen. Sie behandelt ihr Thema nicht nur als individuelle Leidensgeschichte, sondern als strukturelles gesellschaftliches Problem. „Mit existenzieller Wucht und poetischer Präzision schildert Antje Rávik Strubel die Flucht einer jungen Frau vor ihren Erinnerungen an eine Vergewaltigung“, heißt es in der Begründung der Jury. Schicht um Schicht lege der aufwühlende Roman das Geschehene frei und weite sich „zu einer Reflexion über rivalisierende Erinnerungskulturen in Ost- und Westeuropa und Machtgefälle zwischen den Geschlechtern“.
Auch die Vorarlbergerin Monika Helfer („Vati“) und der Tiroler Norbert Gstrein („Der zweite Jakob“) hatten es in die Endrunde um den „Roman des Jahres“ geschafft. Sie erhalten wie die drei anderen FinalistInnen Christian Kracht („Eurotrash“), Mithu Sanyal („Idenitti“) und Thomas Kunst („Zandschower Klinken“) jeweils 2500 Euro Preisgeld.
Der Deutsche Buchpreis wird traditionell am Vorabend der Frankfurter Buchmesse vergeben. Der größte Branchentreff der Literaturwelt, der heuer Corona-bedingt etwas kleiner ausfallen wird, wird heute offiziell eröffnet. (jole)