Misstöne vor Tagung: Dreierlandtag wird offen in Frage gestellt
Landtage von Tirol, Südtirol und Trentino tagen heute und morgen in Alpbach. Im Vorfeld gibt es Misstöne.
Von Peter Nindler
Innsbruck, Alpbach – Alle zwei Jahre treffen sich die drei Landesparlamente zum Dreierlandtag. Heute und morgen in Alpbach. Monatelang wird um die Tagesordnung gerungen, 20 Anträge werden dieses Mal behandelt. Sie sind meist sehr allgemein gefasst, weil sich die Landtage oft nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigen konnten. Zugleich wird das heurige Jubiläum von 30 Jahre Dreierlandtag von einer Debatte über die Sinnhaftigkeit dieses Gremiums überschattet.
Denn in den vergangenen Jahren geriet der Dreierlandtag immer mehr ins Hintertreffen, die Weichenstellungen werden nämlich in der Europaregion Tirol beschlossen – und in den dafür vorgesehenen Institutionen wie dem Vorstand und der Versammlung, in der auch die Landtage mit Abgeordneten ebenfalls vertreten sind. Im Hintergrund rumort es. ÖVP und Grüne halten sich zwar öffentlich mit Kritik zurück, doch besonders glücklich ist Schwarz-Grün mit der augenblicklichen Situation nicht. Dafür preschen jetzt die NEOS und die mit ihnen verbündete zweitstärkste Südtiroler Landtagsfraktion, die Liste Köllensperger, vor.
📽️ Video | Walter Obwexer in „Tirol Live"
„So macht der Dreierlandtag keinen Sinn mehr. Es werden nur Entschließungen verabschiedet und dafür zu viele Ressourcen benötigt“, sagt NEOS-Klubchef Dominik Oberhofer. Man hätte jetzt die Chance ergreifen und den Dreierlandtag mit der Europaregion zusammenfassen müssen. „Weiterhin werden die Landtage aber in die Arbeit der Euregio nicht eingebunden, was keinen Sinn macht. Diese Doppelgleisigkeit verstehen selbst die Landtagsabgeordneten nicht, wie kann man dann Verständnis von der Bevölkerung erwarten?“
Würden die Euregio und der Dreierlandtag zusammen mit politischem Inhalt zusammengeführt werden, könnte das ein echter Leuchtturm für die EU sein, ist sich der Fraktionsvorsitzende des Team K, Paul Köllensperger, sicher. Zugleich kritisieren Oberhofer und Köllensperger die Landesspitzen. „Die drei Landeshauptleute sehen sowohl die Euregio als auch den Dreierlandtag als ihre Bühne an und lassen sich mit viel Folklore – vom Landesüblichen Empfang bis zum Schützenschnapserl – patriotisch abfeiern.“
Südtirol-Ausschuss in Bozen
NR Selma Yildirim (SPÖ), sie ist Mitglied im Südtirol-Unterausschuss im Parlament, ortet generell in der Europaregion Tirol „einen deutlichen Überhang an politischen Lippenbekenntnissen“. Von 22. bis 23. November wird der Ausschuss in Bozen tagen und sich mit den Vertretern der Südtiroler Politik austauschen. „Die Europaregion dreht sich im Kreis. Es gibt zu viele Absichtserklärungen, die Entscheidungsprozesse sind zu schleppend und die gemeinsamen Ziele zu nebulos“, fordert die SPÖ-Politikerin mehr Impulse und Engagement. Die Europaregion ist für Yildirim nämlich eine große Chance, die nicht vertan werden dürfe.
Politik in Kürze: Bürgernäher in der Euregio
Der Innsbrucker Europarechtsexperte Walter Obwexer verspricht sich mit der Einbeziehung der Bürger einen wesentlichen Fortschritt in der Weiterentwicklung der Europaregion. Bei „Tirol Live“ betonte er, dass mit den Bürgerräten die Bevölkerung bei wichtigen Vorhaben künftig angehört werde und Vorschläge machen könne. „Außerdem können Bürger Petitionen mit Anliegen, Beschwerden und Bitten an den Euregio-Vorstand herantragen.“
Was die kritisierten Grenzschließungen während der Corona-Pandemie angeht, hat die Euregio laut Obwexer nur politischen Handlungsspielraum. „Tirol, Südtirol und das Trentino können nur dort zusammenarbeiten und in jenen Bereichen Projekte verwirklichen, wo sie innerstaatlich über Zuständigkeiten verfügen.“ Der Grenzschutz obliegt schließlich den Nationalstaaten. (TT)