Viktor Gernot in Schwaz: Allseits beliebte Plaudertasche
Viktor Gernot erfreut seine Fans in Schwaz mit unverblümtem Wortwitz und satirischen Gesangseinlagen. 120 pausenlose Minuten rhetorisch auf dem Gaspedal.
Von Markus Schramek
Schwaz – Volles Haus Mittwochabend im SZentrum in Schwaz. Mit Viktor Gernot steht, nach wiederholten Verschiebungen aus sattsam bekannten Gründen, ein populärer Veteran heimischer Kleinkunst (so klein auch wieder nicht) auf der Bühne des Silbersaals. Und beweist aus dem Stand, dass Schmähtandeln und Schmähführen sein Lebenselixier sind, auch nach Jahrzehnten on tour, ob solo oder im Verbund mit Sidekicks wie Michael Niavarani, ob mit Band oder ohne.
Die selbst für native Schwazer linguistisch herausfordernde Location wird zum Running Gag. „SSSZZZentrum“, wagt der Gast aus Österreichs Osten einen Versuch. Jedoch: „Da haut’s dir ja die Zähnt auße.“
Gelächter, allfälliges Eis ist gebrochen, ein Klacks für den versierten Artisten der Sprache und des Gesangs.
Songs streut er ein, ziemlich gut bei Stimme, mit der Gitarre in eigenen Händen und dem begleitenden Rest aus der Konserve. Das Publikum geht freudig mit als vielstimmiges Echo von „That’s life“. Bester Support aus dem Saal, obwohl sich Gernot, nach eigenem Befinden, wiederholt „an den Tirolern versündigt“, streift er doch verbal einen hiesigen Landsmann, der pandemisch „alles richtig gemacht hat“, oder einen Immobilien an sich raffenden Großunternehmer, der mit Nachnamen ähnlich klingt „wie ein Trinkkakao“.
„Nicht wahr?“ heißt das hier gegebene Programm, daraus sollte man aber nicht zwingend so etwas wie einen Handlungsfaden ableiten, außer vielleicht den wiederholt vorgebrachten zweckdienlichen Hinweis, nicht alles zu glauben, was einem so alles zugetragen wird über fragwürdige Kanäle: über soziale Medien und (von Dritten mit bestechend guten Argumenten) gekaufte.
Gernot witzelt mit Vorliebe über sein (vorangeschrittenes?) Alter, ganze 56 Jahre sind es bis dato. „Schas-augad“ ist er geworden, ohne Brille verschwimmt so manches, und das Trainieren hat der frühere Spitzensportler bleiben lassen. Behauptet er. Ganz diesen Anschein erweckt er freilich nicht, denn er schafft 120 Minuten nonstop und pausenlos, rhetorisch stets auf dem Gaspedal, ohne merkbaren Hänger, Verplapperer oder Leerlauf. Zweifellos ist er schon noch ganz gut in Schuss.
Als allseits beliebte Plaudertasche nimmt sich Gernot heraus, was er will. Da wird es politisch höchst unkorrekt, wenn er sich über „92-jährige Friedhofsdeserteurinnen“ echauffiert, die zum geschützten Billigstmietzins in riesigen Wohnungen logieren. Oder wenn er grinsend in die Runde fragt: „Heidi Klum mit Inkontinenz, wie kann man dazu sagen? Ein auslaufendes Modell.“ Natürlich darf einer wie er auch – ungestraft – heimische Größen parodieren. Otto Schenk, André Heller und Wolfgang Ambros scheinen zumindest stimmlich kurz vorbeizuschauen. „Volksrock’n’roller“ Andreas Gabalier, Gernots beliebtestes Spottobjekt, bekommt in Form eines ausgewachsenen Nonsensreims einen heftigen Tritt gegen das Schienbein.
Es wird viel und über fast alles gelacht an diesem Abend. Gastgeber und Gäste scheinen froh, einander wieder leibhaftig begegnen zu dürfen. Zwei Stunden das Hirn auslüften, Spaß haben am Blödeln, lautet die Devise.
Denn eines ist klar: Draußen vor dem SSSZZZentrum wartet eh schon wieder der gar nicht so lustige Alltag.