Erdogan auf Konfrontation mit dem Westen
Erdogan brüskierte NATO-Partner und erklärte zehn Botschafter zu unerwünschten Personen. USA und Deutschland beraten über Reaktionen.
Ankara – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat mit der angedrohten Ausweisung von zehn Botschaftern die Beziehungen des Westens zur Türkei auf eine neue Belastungsprobe gestellt. Die betroffenen Staaten, darunter die USA, Frankreich und Deutschland, berieten am Sonntag über eine angemessene Reaktion auf Erdogans Ankündigung, ihre Botschafter zu unerwünschten Personen zu erklären. Erdogan hatte zuvor im westtürkischen Eskisehir gesagt, er habe das Außenministerium angewiesen, die zehn Botschafter zu „Personae non gratae“ zu erklären. Ein solcher Schritt bedeutet in der Regel die Ausweisung der Diplomaten.
Hintergrund der Äußerungen Erdogans ist eine Erklärung der Botschafter von Anfang der Woche. Darin fordern sie die Freilassung des türkischen Unternehmers und Kulturförderers Osman Kavala. Der 64-Jährige sitzt seit 2017 in Istanbul in Untersuchungshaft, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) schon 2019 seine Freilassung angeordnet hatte. Kavala wird beschuldigt, die regierungskritischen Gezi-Proteste in Istanbul 2013 unterstützt und einen Umsturzversuch angezettelt zu haben. Ihm wird außerdem „politische und militärische Spionage“ im Zusammenhang mit dem Putschversuch von 2016 vorgeworfen. Kritiker sehen die Vorwürfe als politisch motiviert.
Die Augen sind nun auch auf den türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu gerichtet. Setzt er die Anweisung seines Chefs um, wäre es ein drastischer Schritt, der die Beziehungen des NATO-Partners Türkei zur EU sowie zu den USA stark belasten würde – und das eine Woche vor dem G20-Gipfel in Rom. Dort hofft Erdogan eigentlich auf ein bilaterales Treffen mit US-Präsident Joe Biden. Der türkische Innenminister Süleyman Soylu verteidigte das Vorgehen am Samstagabend. „Lasst sie mit Kanonen kommen oder mit Gewehren. Sie können diesem Volk kein Haar krümmen“, wetterte er. Die größte Oppositionspartei CHP übte dagegen Kritik. Der CHP-Politiker und Ex-Botschafter Ünal Ceviköz warnte vor einer Isolation der Türkei auf internationaler Ebene.
Erdogan dürfte mit seiner scharfen Rhetorik wie bereits 2017 auch innenpolitische Ziele verfolgen. Ein Konflikt mit dem Westen ließe Erdogan stark erscheinen, das Thema Kavala eignet sich dafür besonders gut. Erdogan steht wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage unter Druck. Die türkische Lira verliert immer weiter an Wert und die Türken leiden unter einer hohen Inflation. (dpa, APA, TT)