Kunst

Gefundenes, Verlorenes und noch Unbekanntes im Ferdinandeum

Vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart: Das Ferdinandeum präsentiert in drei Schwerpunkten seine Sammlung neu.

Innsbruck – Dass gefundene Alltagsgegenstände Kunst werden, dafür sorgte schon Marcel Duchamp vor über 100 Jahren. Mit der Minimal Art der 1960er verschob sich der Fokus auf das Material der Fundstücke, genauso wie auf den umgebenden Raum. Die so genannten „Objets trouvés“ werden in der Neuaufstellung der Modernen Sammlung im Ferdinandeum nun zu „Objets perdus“ – und erreichen so die unmittelbare Gegenwart.

Peter Sandbichler „Alte Schachtel #55“ ist zu sehen.
© J. Plattner

Kuratorin Rosanna Dematté stellt dafür etwa eine „Alte Schachtel #55“ (2013) von Peter Sandbichler der „Werkzeugkiste“ von Werner Feiersinger gegenüber. Beide Arbeiten spielen mit dem ursprünglichen Objekt, das angedeutet wird, aber in der Umsetzung nicht mehr da ist. Weder in Sandbichlers Kunststoffabguss des Inneren einer Schachtel noch in Feiersingers überdimensionalem Objekt, das formale Anleihen an einer Werkzeugkiste nimmt, gut und gerne aber auch eine Mini-Architektur sein könnte. Einen architektonischen Anspruch hat auch Kirstin Rogges als Treppe gefalteter „Tisch 17/28,5“ (2012).

Besonders reizvoll: Sonia Leimers „Platzhalter“, ein Stück öffentlicher Raum, der im Ausstellungsraum von der Absperrung zum Zeichen mutiert. Besonders aufgeladen mit Inhalt ist Maria Walchers geknotetes Porzellantaschentuch von 2017, das gleich wie Lucas Norers „Friktion“ (2019) die Erinnerung thematisiert. Bei Norers Klangarbeit geht es gar um die kollektive.

„Objets perdus“ in der Artbox ist eine absolut klare Präsentation, bei der viele BesucherInnen nach Inhalt suchen werden. Lobenswert, dass die Ausstellungsbroschüre für ein besseres Verständnis auch ein digitales Glossar bereitstellt. Schade nur, dass der QR-Code zumindest gestern noch lediglich ins digitale Nichts führte. (bunt) Bis 13. März 2022.

Große Museen beneiden das im Vergleich zu ihnen kleine Ferdinandeum nicht nur um seinen echten Rembrandt, sondern auch um die rund 1000 Zeichnungen, die weitestgehend unerforscht im musealen Depot schlummern. Mäzene, wie der Südtiroler Johann Wieser, hat sie im 19. Jahrhundert dem Haus geschenkt, ihre Autorenschaft ist allerdings zum größten Teil – noch – ungeklärt.

Was Ralf Bormann, der Kurator der grafischen Sammlung des Ferdinandeums, sukzessive ändern will. Was allerdings ein tricky Unterfangen ist, wie die aktuelle Präsentation in den musealen Grafikkabinetten fabelhaft vorführt. Hat Bormann doch 100 seiner Lieblingsblätter vom frühen 16. bis späten 18. Jahrhundert, deren Zuschreibung fraglich bzw. ungeklärt ist, ausgewählt und Fotos von diesen an ausgewiesene Grafikkenner in aller Welt geschickt. Ihre Reaktion in der Form von „Passepartoutnotizen“ führt vor, wie kontrovers die Einschätzungen sein können, was für spannende neue Fragen sich bei diesem Diskurs der ExpertInnen auftun. 30 der Zeichnungen samt ihren bisherigen bzw. neu in den Raum gestellten Zuschreibungen sind in einer ersten Tranche zu sehen, in zwei weiteren werden die restlichen folgen. Begleitet von einem in jeder Weise gewichtigen Katalog, der dem Interessierten erlaubt, tief in diese komplexe Materie einzutauchen.

Eine weitere museale Präsentation führt dagegen vor, wie sehr Ovids „Metamorphosen“ niederländische Druckgrafiker des 17. Jahrhunderts zu bildgewaltigen (Neu-)Interpretationen inspiriert haben. (schlo) Bis 23. Jänner 2022.

„Coronis verwandelt sich in eine Krähe“ von H. Goltzius (Werkstatt).
© TLM

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