Österreich

Salzburger Kliniken vor völliger Überlastung: Triageteam zusammengestellt

In Salzburg wird es in den Spitälern knapp.
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Die explodierenden Covid-Zahlen bringen die Krankenhäuser bereits in Teilen Österreichs an die Belastungsgrenze und darüber hinaus. In Salzburg wurden nun bereits ein Team nominiert, das entscheiden soll, wer behandelt werden kann und wer nicht.

Salzburg – Die Geschäftsführung der Salzburger Landeskliniken (SALK) hat sich nun mit einem dramatischen Hilferuf an das Land Salzburg als Spitalserhalter gewandt. Wie die Salzburger Nachrichten am Dienstag berichten, könne in den Kliniken die Behandlung weiterer Patienten nach geltenden medizinischen Standards und Sorgfaltsmaßstäben bald nicht mehr garantiert werden. Es drohe eine Notstandssituation einzutreten, in der intensivmedizinische Triagierungen vorgenommen werden müssen.

Die SALK haben inzwischen ein sechsköpfiges Triagierungsteam nominiert, das aus fünf Medizinern verschiedener Fachbereiche – darunter ein Internist, ein Intensivmediziner und ein Palliativarzt – und einer Juristin besteht, sagte SALK-Sprecher Wolfgang Fürweger am Dienstagvormittag. Dieses Team müsse dann entscheiden, welche Patienten noch intensivmedizinisch behandelt werden können.

Aufgrund der derzeitigen Lage sei zu befürchten, dass die gesetzliche Verpflichtung, "Patienten nur nach den Grundsätzen und anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft ärztlich zu behandeln, trotz aller gesetzten Maßnahmen nicht mehr durchgängig und vollinhaltlich erfüllt werden kann", schreibt SALK-Geschäftsführer Paul Sungler in der der Zeitung vorliegenden "Überlastungsanzeige".

📽️ Video | Salzburger Kliniken überlastet: Triageteam zusammengestellt

Stichwort: Triage

Die Coronavirus-Pandemie überfordert derzeit zahlreiche Krankenhäuser bis hin zu ganzen Gesundheitssystemen. Ressourcenknappheit kann zu Rationierungen führen. Tritt die Situation einer Triage ein, müssen Mediziner in der Covid-Krise darüber entscheiden, welche Patienten intensivmedizinisch betreut werden.

Der Begriff "Triage" leitet sich von dem französischen Wort "trier" ab, das "sortieren" oder auch "aussortieren" bedeutet. Entwickelt wurde die Triage von dem russischen Arzt Nikolai Pirogow, um im Krimkrieg (1853 bis 1856) mit der hohen Zahl verletzter Soldaten umzugehen. Bis heute wird die Triage in außergewöhnlichen Situationen wie Naturkatastrophen, Unfällen mit zahlreichen Opfern und nach Anschlägen angewendet. Binnen kurzer Zeit werden Patienten nach der Dringlichkeit ihrer Behandlung eingeteilt.

Bei einem Mangel an Personal, aber auch Material wie Intensivbetten, Geräte, Medikamente, Masken, Handschuhe etc. sind Beschränkungen erforderlich. Ärztinnen und Ärzte haben dann unter Zeitdruck Entscheidungen zu treffen. "Ethisch/rechtliche Grundlagen müssen dabei, gleich wie unter 'normalen' Bedingungen, Basis ärztlicher Indikationsstellung bleiben", hält die ARGE Ethik der Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) fest.

Im Rahmen einer Triage ist nur für diejenigen Patienten eine maximale Therapie indiziert, die im Rahmen einer Schaden/Nutzen-Abwägung durch eine technisch machbare medizinische Behandlung prognostisch eine hohe Überlebenswahrscheinlichkeit haben. "Gleichwertig zum Ziel der Lebenserhaltung muss die Frage nach der künftigen Lebensperspektive und der Vermeidung einer 'Chronisch Kritischen Erkrankung' die Indikationsstellung begründen", heißt es in den Empfehlungen der ARGE Ethik anlässlich der Covid-Pandemie.

Betont wird aber: Intensivtherapie darf in der Triage-Situation nur nach Ausschöpfung aller möglichen Alternativen vorenthalten oder beendet werden.

Bereits in nächster Stufe fehlt ärztliches Personal

In der bereits erreichten Eskalationsstufe 12 würden derzeit 272 Betten im Non-Covid-Bereich fehlen, ab der nächsten Stufe "steht bisher kein ausreichendes ärztliches Personal zur Verfügung". Angesichts der stark steigenden Infektionszahlen rechnete zuletzt auch das Land Salzburg mit einem weiteren Anstieg der Covid-Patienten. "Wir appellieren daher dringend an die politischen Verantwortlichen, die erforderlichen Maßnahmen zur deutlichen Reduktion des Infektionsgeschehens zu setzen", so Sungler.

SALK-Sprecher Fürweger erläuterte auch, wo derzeit Betten fehlen, weil das Personal für Behandlung und Betreuung von Covid-Patienten benötigt wird: In der 1. Medizin stehen beispielsweise nur mehr 35 Prozent der Betten zur Verfügung, in der Onkologie sind es 85 Prozent, in der HNO 32 Prozent, in der Gefäßchirurgie 59 Prozent und in der Urologie 63 Prozent. "Man kann sagen, in den internistischen Fächern haben wir um rund 25 Prozent reduziert, in den chirurgischen Fächern um ein Drittel."

Gesundheitsreferent Christian Stöckl (ÖVP) bestätigte am Montagabend den SN, dass er und Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) die Überlastungsanzeige bekommen haben. Sie sei formaljuristisch wichtig und richtig, weil es dabei auch um elementare Haftungsfragen der Ärzte und der Krankenanstalten gehe, wenn keine Patienten mehr aufgenommen oder entsprechend den medizinischen Erfordernissen behandelt werden können.

Reha-Einrichtungen müssen geschlossen werden

Als Sofortmaßnahmen sollen nun etwa Reha-Einrichtungen geschlossen werden und vor allem mit Patienten aus Nicht-Covid-Bereichen belegt werden, die nicht mehr im Krankenhaus versorgt werden müssten, für die aber zum Beispiel Pflegebetten fehlten. Diese Patienten binden Ärzte und Pflegekräfte. Auch mit den Privatspitälern werde verhandelt, um Operationen zu übernehmen. Entlastung soll auch eine sogenannte Covid-Transferstation für Corona-Patienten bringen, die noch positiv seien, aber nicht mehr so umfassend gepflegt werden müssten.

Wie dramatisch die Lage ist, schilderte den SN auch ein Spitalsarzt. "Es herrscht jeden Tag ein menschenunwürdiger Streit, wessen Patient zuerst operiert werden könne. Der mit dem Tumor oder der mit dem kaputten Herz." Für Betroffenheit sorgte am Dienstag auch ein Bericht auf ORF Salzburg, wonach die jüngst Patientin mit einer Covid-Erkrankung auf einer Intensivstation ein vierjähriges Mädchen ist. Das Kind leide nach einer Corona-Infektion an der Multiorgan-Entzündung PIMS, einer Covid-Folgewirkung. Gleichzeitig muss auch ein Fünfjähriger mit Covid-19 auf der Kinderintensivstation behandelt werden.

📽️ Video | Gespräch mit Richard Greil, Vorstand Universitätsklinik Salzburg:

Appell der Mediziner: Maßnahmen bitte einhalten

Neben dem Hilferuf der SALK an die Politik appellierte Fürweger heute auch an die Bevölkerung, die vorgeschriebenen Corona-Bestimmungen einzuhalten. "Es macht unsere Leute grantig, wenn etwa ein Arzt nach einem 12-Stunden-Dienst auf dem Heimweg noch im Supermarkt ein Frühstück besorgt und dort auf Menschen ohne Maske trifft. Am Anfang haben die Menschen geklatscht, aber so etwas ist jetzt wie eine Verhöhnung." (APA)