Kurz-Rücktritt

Kurz geht, Nehammer soll nun neuer ÖVP-Parteichef und Kanzler werden

Sebastian Kurz trat zwei Monate nach seinem Rücktritt als Kanzler auch als Parteichef ab. Karl Nehammer soll beide Ämter jetzt übernehmen.
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Die ÖVP wird zum Krisenfall. Nach Kurz’ Abgang verlässt auch Finanzminister Gernot Blümel, sein langjähriger Vertrauter, die Politik. Innenminister Nehammer soll Parteichef und Kanzler werden.

Von Michael Sprenger und Peter Nindler

Wien – In der ÖVP herrscht nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz als Parteiobmann und Klubobmann Orientierungslosigkeit. Kurz hat seine Parteifreunde überrascht, nicht einmal im Kanzleramt wusste man noch am Mittwoch, was am Donnerstag passieren wird. Auch die ÖVP-Länderchefs wurden vom Rücktritt ihres Parteiobmannes überrascht. Sie alle wurden erst Donnerstagfrüh informiert. Seither herrscht helle Aufregung in der Kanzlerpartei.

📽️ Video | Ausschnitte aus der Rücktrittsrede:

Die einzige Klarheit: Heute tagt der ÖVP-Parteivorstand. Und den Klub im Nationalrat wird wieder alleine, wie schon vor Kurz’ Rücktritt als Kanzler, August Wöginger führen. Beides teilte Kurz den Seinen im Abschiedsstatement mit.

Die ÖVP-Länderchefs beraten seit Donnerstag in Permanenz. Gilt es doch für die heutige Krisensitzung, eine gemeinsame Sprachregelung und Personalentscheidung zu finden.

Innenminister Karl Nehammer soll Alexander Schallenberg als Kanzler ablösen.
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Tirols ÖVP-Chef und Landeshauptmann Günther Platter sprach sich gegenüber der Tiroler Tageszeitung für eine klare Weichenstellung im Bundesparteivorstand aus. Zugleich tritt er dafür ein, dass die Funktion des Bundeskanzlers und jene des ÖVP-Parteiobmanns zusammengeführt werden müssen. „Ich bin immer ein Befürworter gewesen, dass beide Ämter zusammengehören.“

Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer wollte zwar gestern noch keinen Namen nennen, plädierte aber wie Platter dafür, dass der künftige ÖVP-Chef auch die Kanzler-Rolle übernehmen solle. Ein Name, der sich dabei seit gestern verfestigt hat: Innenminister Karl Nehammer soll Kurz als ÖVP-Obmann folgen. Und er soll Alexander Schallenberg als Bundeskanzler ablösen.

Schallenberg gab intern bereits bekannt, dass er sich nicht querlegen werde, wenn die Partei eine Zusammenlegung der Ämter befürworte. Er selbst machte zuvor klar, dass er nicht den Job des ÖVP-Obmanns übernehmen werde.

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Schallenberg war nach dem Rücktritt von Kurz als Kanzler dessen Wunschkandidat. Schon von Anfang an machte er keine Anstalten, sich von Kurz zu emanzipieren. Schallenberg wurde als Statthalter angesehen, er selbst glaubte immerzu an die Rückkehr von Kurz ins Kanzleramt – und machte so Kurz zum „Schattenkanzler“. Wenn Nehammer ins Kanzleramt einzieht, könnte Schallenberg wieder Außenminister werden oder als Diplomat zurück ins Außenministerium gehen.

Auch Finanzminister Blümel tritt ab

Doch damit nicht genug: Am Donnerstagabend gab der Wiener ÖVP-Chef und Finanzminister Gernot Blümel in einem Facebook-Video seinen Rückzug aus der Politik bekannt. Auch er führte private Gründe an, seine Familie sei mit Morddrohungen konfrontiert worden. „Es war mir eine Ehre“, so sein Abschiedssatz. So wie Kurz wird Blümel von der Korruptionsstaatsanwaltschaft als Beschuldigter geführt.

In der Parteizentrale der ÖVP dürfte auch Bundesgeschäftsführer Axel Melchior den Schreibtisch räumen. Der Parteimanager gehörte wie Blümel zu den engsten Mitstreitern von Kurz. Die Weggefährten aus der Jungen VP übernahmen nach dem Rücktritt von Reinhold Mitterlehner die Geschicke der Partei.

Auf die Frage, ob Sebastian Kurz die Parteigranden auf dem falschen Fuß erwischt habe, meinte Platter trocken: „Die Entscheidung von Kurz ist zu akzeptieren, sie ist verständlich und nachvollziehbar. Er hat mir auch gesagt, dass er damit für notwendige Weichenstellungen in der ÖVP sorgen wolle.“

In der Kanzlerpartei versuchte man gestern, ihrem Parteiobmann, der die ÖVP zweimal bei Nationalratswahlen zur stimmenstärksten Partei gemacht hatte, für seine Arbeit zu danken. Für den steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer war die Entscheidung von Kurz zwar „unausweichlich“, er habe die ÖVP aber „in lichte Höhen geführt. Die Lage hat sich jedoch erheblich geändert.“ Für Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner ist es eine „höchstpersönliche“, aber auch „richtige Entscheidung, um in der ÖVP wieder geordnete Verhältnisse herzustellen“. Dem ehemaligen Bundeskanzler gebühre „großer Respekt für diesen wohlüberlegten Schritt“. Für den Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner gilt es jetzt, „nach vorne zu schauen. Wichtig ist jetzt, dass wir mitten in der Pandemie weiterhin eine stabile Bundesregierung haben“, betonte Wallner. Auch die Handlungsfähigkeit der Partei müsse sichergestellt sein. „Dazu sind rasche Entscheidungen notwendig“, verwies Wallner auf den heutigen Bundesparteivorstand.

📽️ Video | Wie geht es mit der Regierung weiter?

💬 Reaktionen

Was der Bundespräsident und die politischen Konkurrenten – von SPÖ, NEOS und FPÖ – sagen:

Alexander Van der Bellen: „Ich habe Sebastian Kurz in einem Telefonat herzlich für seine Tätigkeit als Bundeskanzler der Republik Österreich sowie zuvor als Außenminister und Staatssekretär gedankt“ habe er sich bedankt, für die Zukunft alles Gute gewünscht.

Beate Meinl-Reisinger: „Ich wünsche Dir @sebastiankurz aufrichtig alles Gute“, hat die Oppositionelle und Chefin der NEOS auf dem Kurznachrichtendienst Twitter geschrieben – und: „Bei allem, was wir in der Politik unterschiedlich gesehen haben, was letztlich auch bleibt, ist der Mensch – und dem gebührt auch Dank für seine Arbeit!“

Pamela Rendi-Wagner: „Dieser Schritt war erwartbar, er war eine Frage der Zeit“, befindet die SPÖ-Chefin. „Offenbar ist der Druck jetzt so groß geworden, dass er die Konsequenz selbst gezogen hat.“ Die Frage sei, wie es mit der Bundesregierung weitergehe, „die in den letzten Wochen nicht wirklich Handlungsfähigkeit an den Tag gelegt hat“.

Herbert Kickl: Der Druck sei für Kurz einfach zu groß geworden, nicht zuletzt seien die ÖVP-Länderchefs nicht mehr hinter ihm gestanden, konstatiert der FPÖ-Chef. Kurz habe ja viele Fronten offen. Damit spielt Kickl auf die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen den Ex-Kanzler an.

📽️ Video | Reaktionen aus der Bevölkerung:

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