Atompolitik

"Erheblich Herausforderungen" nach Wiener Iran-Atomverhandlungen

EU-Chefverhandler Enrique Mora.
© JOE KLAMAR

Diplomaten aus Frankreich, Deutschland und Großbritannien zeigten sich Freitagnachmittag "enttäuscht und beunruhigt". Iran habe Veränderungen am Text der vorhergehenden sechs Verhandlungsrunden vorgeschlagen.

Wien – Die jüngsten Atomgespräche sind am Freitag mit angespannter Stimmung pausiert worden. Es gebe noch "erhebliche Herausforderungen", sagte EU-Chefverhandler Enrique Mora Freitagnachmittag in Wien. "Wir haben nicht viel Zeit und noch viel Arbeit vor uns", so Mora. Die Zeit für Verhandlungen sei nicht unbegrenzt. "Es gibt offensichtlich eine Dringlichkeit", sagte Mora.

Diplomaten aus Frankreich, Deutschland und Großbritannien zeigten sich Freitagnachmittag "enttäuscht und beunruhigt", wie aus einem der APA vorliegenden Schreiben hervorgeht. Iran habe Veränderungen am Text der vorhergehenden sechs Verhandlungsrunden vorgeschlagen. "Teheran geht bei fast allen schwierigen Kompromissen zurück, die während mehrerer Monate in harter Arbeit gestaltet wurden." Vor über fünf Monaten habe der Iran die Verhandlungen unterbrochen und seither sein Nuklearprogramm weit vorangebracht. Die aktuelle Runde ist die erste nach dem Machtwechsel in Teheran, wo mit Ebrahim Raisi seit August ein konservativer Hardliner als Präsident amtiert.

Schritte zurück statt vorwärts

Der Iran habe laut dem Schreiben Schritte zurück gemacht, was die diplomatische Fortschritte der vergangenen Runden angehe, beklagten die europäischen Diplomaten. "Es ist unklar, wie diese neuen Lücken in einem realistischen Zeitrahmen geschlossen werden können auf Basis der neuen iranischen Entwürfe." Die Diplomaten hätte um eine baldige Fortsetzung der Verhandlungen gebeten. "Aber die Zeit läuft uns davon."

Auch die USA zeigten sich nach den Gesprächen ernüchtert. "Die neue iranische Regierung ist nicht mit konstruktiven Vorschlägen nach Wien gekommen", sagte die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Jen Psaki, laut dpa. In den vergangenen Verhandlungen seien große Fortschritte erzielt worden, aber dem Iran sei es diese Woche nicht darum gegangen, die noch strittigen Punkte zu klären, sagte sie.

Erneutes Treffen in Wien kommende Woche

Mitte kommender Woche wollen sich die Verhandler nun erneut in Wien treffen, wie auch der chinesische UNO-Botschafter in Wien, Wang Qun, Journalisten nach Ende der Gespräche im Luxushotel Palais Coburg sagte. Die Gespräche sollen vermutlich Dienstag oder Mittwoch für die weiterhin siebente Runde fortgesetzt werden. Die Delegationen müssten zuvor in die Hauptstädte ihrer jeweiligen Heimat reisen und politische Gespräche führen. Der chinesische Chefverhandler Qun sprach von "angemessen produktiven" Gesprächen.

Am Freitag hatten die Delegationsleiter "eine Bestandsaufnahme" der Gespräche auf Expertenebene vorgenommen, wie Mora zuvor auf Twitter geschrieben hatte. Mora sprach nach dem Treffen von "fruchtbaren Gesprächen".

Der Iran, der nach der Präsidentenwahl des Hardliners und Geistlichen Raisi mit neuem Verhandlungsteam nach Wien gekommen ist, traf in der siebenten Gesprächsrunde mit den verbleibenden Vertragspartnern zusammen. Direkte Gespräche mit den USA gab es weiterhin nicht. Die Fronten sind verhärtet. Wie immer sind die Treffen, die auch unter dem Format der "Joint Commission" bekannt sind, begleitet von einer kleinen, aber lautstarken Gruppe von Demonstranten, die gegen das iranische Regime protestierte.

Die USA, die unter dem Ex-Präsidenten Donald Trump 2018 aus dem Atompakt ausgetreten sind, nehmen weiterhin nur indirekt an den Verhandlungen teil. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China vermitteln zwischen den zwei verfeindeten Staaten. Die Delegationen der beiden Länder verhandeln in zwei verschiedenen Luxushotels.

Erste dipolomatische Annäherung nach fünf Monaten

Die Verhandlungsrunde war die erste diplomatische Annäherung nach fünf Monaten Pause. Das Atomabkommen (JCPOA) mit dem Iran war 2015 nach jahrelangem zähem Ringen in Wien beschlossen worden. Der Vertrag sollte dem Iran den Weg zur Atombombe erschweren. Im Gegenzug waren Sanktionen gegen das international isolierte Land aufgehoben worden. Israel ist strikt gegen die Wiederbelebung des Vertrags. Auch in den USA herrscht große Skepsis, zumal das iranische Atomprogramm weit fortgeschritten ist und Teheran kategorisch die Aufhebung aller Sanktionen fordert.

Europäische Diplomaten hatten sich gerade zum Start der neuen Gesprächsrunde ein Signal des guten Willens vom Iran erhofft. Der Iran berichtete am Donnerstag, dass er den Europäern neue Vorschläge unterbreitet habe und man diesen Zeit zur Prüfung geben wolle. Bei gutem Willen sei eine gute Lösung möglich, hieß es aus Teheran.

Erst am Mittwoch teilte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) mit, dass der Iran nach den jüngsten Einschätzungen seine Fähigkeiten zur Anreicherung von Uran entgegen dem Nuklearabkommen von 2015 weiter ausbaut. Teheran habe demnach begonnen, in der unterirdischen Einrichtung Fordo Uran mit modernen Zentrifugen auf 20 Prozent anzureichern. Der israelische Premier Naftali Bennett nahm diesen Bericht am Donnerstag zum Anlass, den sofortigen Abbruch der Wiener Verhandlungen durch die Weltmächte zu fordern. (APA)

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