Innsbruck

„Grufttheater" im Innsbrucker K2: Anspielen gegen die Schlamperei

Eine Mäzenin, die gern Primadonna wäre: Petra Alexandra Pipan glänzt in „Grufttheater: Weissagung“ in einer Doppelrolle.
© TLT/Gufler

Experiment gelungen: Im K2 des Landestheaters treffen mit „Grufttheater: Weissagung“ Otto Grünmandl und Peter Handke aufeinander.

Innsbruck – Die Vorstellung beginnt mit einer Vorstellung. Präsentiert wird das „Grufttheater“, eine mobile Bühnenapparatur, die durch Vorhänge und Grüften dahinter neue Spielräume öffnet. Dass das Ding Potenzial hat, steht für Karner außer Frage. Er hat es erfunden – und will es zu Geld machen. Karner redet. Die Plackerei überlässt er Frau Trampl. Auch eine Madame gibt es, eine Mäzenin, die gern Primadonna wäre.

So viel zum Setting, das natürlich kein Karner erdacht hat, sondern Otto Grünmandl (1924–2000). Der Haller Kleinkunstgroßmeister hat immer wieder an seinem Theaterversuch „Die Witwe von Ephesos“, dessen erster Teil „Grufttheater“ ist, gearbeitet. Anfang der 1990er-Jahre stand eine Aufführung in den Münchner Kammerspielen im Raum – und ging wieder ab.

Jetzt wurde „Grufttheater“ doch noch Leben eingehaucht. Joachim Gottfried Goller hat es als Uraufführung fürs K2 des Tiroler Landestheaters inszeniert. Den Karner-Part hat er an drei SpielerInnen vergeben: Johannes Gabl, Stefan Riedl und Ulrike Lasta teilen sich die Sätze und Gedanken. Bei einer Figur, die ihre fahrige Uneindeutigkeit ausstellt und die „nicht immer das verkauft, was sie anbietet“, eine schlüssige Setzung. Als Trampl/Madame glänzt Petra Alexandra Pippan mit komödiantischem Gespür für große Gesten und die kleinen Tragödien dahinter.

Nachdem das Grufttheater aufgebaut ist, kommt dort nicht wie von Grünmandl angedacht, Antikes zur Aufführung, sondern Peter Handkes Sprechstück „Weissagungen“.

Die Kombination Handke-Grünmandl mag nicht die Naheliegendste sein, sinnig ist sie trotzdem: Beide arbeiten sich an Sprach-Schlamperei ab. Grünmandl stellt die Inhaltsleere gängiger Formeln aus, Handke geht sie an. Er schrieb „Weissagungen“ 1964, noch bevor ihn „Publikumsbeschimpfungen“ zum Popstar machten. „Weissagungen“ ist eine getaktete Litanei für vier Stimmen. Figuren oder Handlung gibt es nicht. Eine Tautologie fügt sich an die nächste: „Das Schwein am Spieß wird schreien wie ein Schwein am Spieß“, „Espenlaub wird zittern wie Espenlaub“. In einer Zeit, in der sich fragwürdigste Vergleiche regelmäßig zum Spaziergang treffen, entwickelt diese strenge Anti-Metaphorik bestechende Wucht.

Für das Stück im Stück kleidet Ausstatterin Julia Neuhold das Ensemble wie Abba ein – ein schöner Bruch mit Handkes erdigem Ernst. Im Theater entsteht die Erkenntnis auch und gerade im Spielerischen. Und spielerisch – mit „Chiquitita“ und Kuhglocken – findet dieser überzeugende Theaterabend zurück zum Grufttheater: Denn im Grunde ist der Fernseher, der fürs Finale herbeigeschafft wird, nichts anderes: tragbares Theater – und doch nicht das wahre. Dass am Ende Ensemble und Publikum in die Röhre, ist ein schaurig schönes Bild. Es gemahnt an den Streaminghorror der vergangenen Monate. Gut, dass wieder gespielt wird. (jole)

Grufttheater: Weissagung

Bis 16. Februar.

Nächste Vorstellung: Heute, 20 Uhr.

www.landestheater.at

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