Konflikt

Ukraine hofft auf deutsche Waffen

Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock (hier beim Gymnich-Treffen in Brest) wird heute in der Ukraine erwartet.
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Die Ukraine erhofft sich vom Besuch der Außenministerin Baerbock mehr deutsche Hilfe, darunter auch Waffen. Dabei sieht sich Russland schon jetzt von den USA und der NATO bedroht.

Berlin, Kiew, Moskau – In der Konfrontation mit Russland macht sich die Ukraine angesichts des Antrittsbesuchs von Außenministerin Annalena Baerbock neue Hoffnung auf deutsche Waffenlieferungen. Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, forderte die Grünen-Politikerin eindringlich auf, Kiew die Lieferung von Waffen zur Landesverteidigung zuzusagen. Die Zurückhaltung oder sogar Ablehnung von Rüstungshilfe durch Baerbock und die gesamte neue Bundesregierung sei „sehr frustrierend und bitter“, sagte der Diplomat der Deutschen Presse-Agentur.

Baerbock reist heute zunächst zu ihrem Antrittsbesuch in die Ukraine, wo sie Präsident Wolodymyr Selenskyj und Außenminister Dmytro Kuleba trifft. Noch am Abend reist sie in die russische Hauptstadt weiter. In Moskau stehen am Dienstag unter anderem Gespräche mit Außenminister Sergej Lawrow an.

Der Ukraine sei zwar bewusst, dass im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP eine restriktive Rüstungsexportpolitik festgeschrieben sei, die keine Waffenlieferungen in Krisengebiete zulasse, sagte Melnyk. „Aber dieses politische Dokument ist ja keine Bibel. Und die Welt steht derzeit vor der größten Gefahr eines riesigen Krieges mitten in Europa, des schlimmsten seit 1945.“ Die Staatlichkeit der Ukraine werde vom russischen Präsidenten Wladimir Putin bedroht. Die Ukrainer hätten das „heilige Recht auf Selbstverteidigung“.

Die Ukraine fordert seit Jahren Waffenlieferungen von Deutschland, um sich gegen einen möglichen russischen Angriff verteidigen zu können – bisher ohne Erfolg. Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck hatte allerdings im vergangenen Mai im Wahlkampf bei einem Besuch in der Ukraine gesagt, man könne dem Land „Defensivwaffen“ kaum verwehren.

Auch der designierte CDU-Vorsitzende Friedrich Merz plädiert angesichts des russischen Truppenaufmarsches an der Grenze zur Ukraine dafür, Waffenlieferungen in Erwägung zu ziehen. Baerbock sagte der dpa kurz vor Weihnachten zu der Frage: „Eine weitere militärische Eskalation würde der Ukraine keine weitere Sicherheit bringen.“

Russland hat bereits die bisherigen Waffenlieferungen, unter anderem der USA, als Gefahr für die Region kritisiert, weil das militärische Spannungspotenzial dadurch steige. Russland erklärte zuletzt immer wieder, keinen Angriff auf den Nachbarn zu planen. Kremlsprecher Dmitri Peskow warf den USA in einem Interview des US-Senders CNN „falsche Anschuldigungen“ vor. Washington habe die angekündigten Belege für eine militärische Eskalation von russischer Seite an der Grenze zur Ukraine bisher nicht vorgelegt.

Die USA und die NATO beklagen seit Monaten einen massiven Aufmarsch russischer Truppen nahe der ukrainischen Grenze. Sie befürchten, dass Russland einen Einmarsch in das Nachbarland planen könnte. Russland wies am Samstag auch Vorwürfe der USA als „haltlos“ zurück, dass mutmaßlich eigene Agenten unter falscher Flagge eine Spezialoperation im Osten der Ukraine planten. Die US-Regierung hatte Russland zuvor vorgeworfen, sich auf diese Weise einen Vorwand für eine mögliche Invasion schaffen zu wollen.

Europa und die USA schlossen unterdessen die Reihen: US-Außenminister Antony Blinken und EU-Chefdiplomat Josep Borrell seien entschlossen, „eine starke, klare und vereinte transatlantische Front zu bilden“, teilte der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) am Samstagabend nach einem Telefonat der beiden mit. Darin hätten sie sich zur Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität der Ukraine bekannt. Die Ukraine fordert von Deutschland und Europa angesichts des russischen Verhaltens in dem Konflikt schärfere Sanktionen, darunter einen Stopp der Inbetriebnahme der bereits fertiggestellten Gaspipeline Nord Stream 2.

Diskutiert wird immer wieder auch ein möglicher Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungsverkehr des Systems Swift. Konkrete Hinweise, dass das bisher etwa gegen den Iran genutzte Instrument tatsächlich auch gegen die Atom- und Rohstoffgroßmacht eingesetzt wird, gibt es bisher zwar nicht. Aber die Gefahr für Russland, dass der Westen das bisher schärfste Sanktionsschwert zieht, gilt als real.

Können Banken Swift nicht mehr nutzen, kann dies weitreichende Folgen für ihre Geschäfte haben. Denn die Institute sind dann quasi von internationalen Geldströmen ausgeschlossen. Geld aus dem Ausland in ein Land zu transferieren wird dann schwieriger, umgekehrt ebenso. Schon bei der Krim-Annexion 2014 stand ein Swift-Ausschluss im Raum. (TT, dpa)

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