EU

Jung, Frau, Malteserin: Metsola neue Präsidentin des EU-Parlaments

Roberta Metsola, die neue Präsidentin des EU-Parlaments.
© PATRICK HERTZOG

Kurz vor Ende seiner Amtszeit war der Präsident des Europaparlaments, David Sassoli, vergangene Woche gestorben. Nun wurde turnusgemäß seine Nachfolgerin gewählt. Vor nicht allzu langer Zeit war eigentlich abgemacht worden, dass ein CSU-Politiker den Job bekommen sollte.

Straßburg – Überschattet vom Tod ihres Vorgängers David Sassoli ist die maltesische Christdemokratin Roberta Metsola zur neuen Präsidentin des EU-Parlaments gewählt worden. Die 43-Jährige erhielt am Dienstag in Straßburg schon im ersten Wahlgang knapp drei Viertel der abgegebenen gültigen Stimmen und damit die nötige absolute Mehrheit. Metsola ist die jüngste Person, die je in das prestigeträchtige Amt gewählt wurde – und die dritte Frau. Sie folgt auf den vergangene Woche unerwartet gestorbenen italienischen Sozialdemokraten Sassoli, dessen Amtszeit im Jänner regulär ausgelaufen wäre.

Metsola, die Europäisches Recht studiert hat, sitzt seit 2013 im EU-Parlament und war seit November 2020 dessen erste Vizepräsidentin. Sie gilt als eine der einflussreichsten Frauen in dem Haus, setzte sich unter anderem für die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU ein. Einen Namen machte sie sich als vehemente Verfechterin der Rechtsstaatsprinzipien und Kämpferin gegen Korruption.

So forderte Metsola im Umgang mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban eine klare Linie ihrer Parteienfamilie. Orban und seine rechtsnationale Fidesz-Partei waren erst nach jahrelangem Streit über EU-Grundwerte und Rechtsstaatlichkeit im März vergangenen Jahres endgültig aus der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) ausgeschieden.

Am Dienstag, ihrem Geburtstag, setzte sich die Juristin und Mutter von vier Söhnen gegen Mitbewerberinnen aus zwei anderen Fraktionen durch: Die Linke hatte die Spanierin Sira Rego ins Rennen geschickt, die Grünen die Schwedin Alice Bah Kuhnke. Die Sozialdemokraten und Liberalen hatten keine eigenen Kandidaten aufgestellt und Metsola unterstützt, sollen im Gegenzug aber jeweils einen Vize-Präsidenten mehr stellen als bisher, wie es aus Parlamentskreisen hieß.

Als Präsidentin vertritt Metsola das Parlament nach außen und leitet das Plenum. Sie wolle mithelfen, Europa den Bürgern näherzubringen und es sicherer, fairer und gleicher zu machen, sagte Metsola unmittelbar nach ihrer Wahl. Ihrer Verantwortung sei sie sich bewusst. „Ich stehe auf den Schultern von Riesen", sagte sie mit Blick auf ihre Vorgänger und Vorgängerinnen. Und: „Es wird nicht noch einmal zwei Jahrzehnte dauern, bis eine andere Frau hier steht." Die erste Frau auf dem Posten war von 1979 bis 1982 die Französin Simone Veil, ihr folgte von 1999 bis 2002 die Französin Nicole Fontaine.

Aus anderen Fraktionen war vor der Wahl Kritik wegen Metsolas Haltung zu Abtreibung laut geworden. In der Vergangenheit hatte sie gegen Resolutionen gestimmt, in denen das EU-Parlament die Mitgliedstaaten zur Legalisierung der Abtreibung aufgefordert hatte. Dass sie nun als Abtreibungsgegnerin bezeichnet werde, sei eine „Karikatur, die in einigen Ländern von mir angefertigt wurde und in der weder ich noch meine Kollegen mich wiedererkennen", sagte sie der französischen Zeitung Le Figaro. Sie werde die Position des EU-Parlaments dazu vertreten, sagte sie nach ihrer Wahl.

Malta ist das einzige EU-Land, in dem Abtreibung verboten ist und nur in sehr speziellen Ausnahmefällen durchgeführt werden kann. Die Politik dort ist sich weitgehend einig in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem Eingriff. Metsola ist in ihrem Heimatland in der Vergangenheit nicht als lautstarke Gegnerin der Abtreibung aufgefallen.

Mit der Wahl Metsolas an die Spitze des EU-Parlaments sichern sich die Europäischen Christdemokraten einen weiteren europäischen Topjob – neben der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der Präsidentin der Europäischen Zentralbank Christine Lagarde.

Der Wahlsieg Metsolas wird auch als indirekter Sieg von Manfred Weber gesehen. Der CSU-Vize und Vorsitzende der Christdemokraten im Europaparlament hatte Metsola unterstützt und ihr so möglicherweise geholfen, sich gegen ihre fraktionsinternen Mitbewerber durchzusetzen. Mutmaßungen, Metsola werde nun als eine Art Marionette der Deutschen agieren, dürften aber überzogen sein. Metsola gilt als souveräne, selbstbewusste Politikerin mit viel Ehrgeiz. Manche Beobachter sagen ihr gar Ambitionen auf die politische Spitze in Malta nach.

Ursprünglich einmal hätte Weber selbst auf dem Parlaments-Chefposten Platz nehmen sollen. Das war Bestandteil eines komplexen Personalpakets nach der Europawahl 2019. Demnach sollte Sassoli bis Januar 2022 an der Spitze stehen und dann ein EVP-Politiker – Manfred Weber. Im vergangenen September erklärte er jedoch seinen Verzicht und ließ sich stattdessen als Chef der EVP-Fraktion im Parlament bestätigen. „Heute öffnen wir ein neues Kapitel", sagte er nach Metsolas Wahl. „Es wird ein gutes Kapitel werden." (APA/dpa)

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