Baby an Schütteltrauma gestorben, Eltern vor Gericht nicht geständig
Vater soll Tochter laut Staatsanwältin wiederholt heftig geschüttelt habe. Mutter wegen Unterlassung mitangeklagt. Urteil am kommenden Montag geplant.
Wien – Nicht geständig waren ein 32-jähriger Mann und seine 23-jährige Ex-Partnerin am Mittwoch vor einem Wiener Schwurgericht, wo sie sich wegen Mordes an ihrer Tochter verantworten mussten. Der Vater soll das am 26. März 2021 zur Welt gekommene Baby wiederholt derart heftig geschüttelt haben, dass es am 12. Juni in einem Spital an den Verletzungsfolgen verstarb. Der Mutter wird Mord durch Unterlassung vorgeworfen – sie soll die Gewalttätigkeiten mitbekommen und hingenommen haben.
Es sei „traurig", dass die Kleine „auf qualvolle Weise von ihren Eltern getötet wurde", führte Staatsanwältin Anna-Maria Wukovits eingangs der Verhandlung aus. Das Paar hatte sich im Jänner 2020 kennengelernt, bald danach zogen sie in eine 32 Quadratmeter große Ein-Zimmer-Wohnung. Für die Frau war es der erste richtige Freund. Sie wurde ungewollt schwanger. Wie die Staatsanwältin den Geschworenen berichtete, wurde eine Abtreibung erwogen. Dafür war es aber zu spät, wie man dem Paar bei einer Vorsprache in einer Klinik beschied. „Sie haben sich gezwungenermaßen für ein Kind entschieden, das sie nie wollten. Sie (die Tochter, Anm.) war von Anfang an nicht gewünscht", meinte die Staatsanwältin.
Der Vater – ein Büroangestellter – habe sich nach der Geburt schon im Krankenhaus verhaltensauffällig benommen, sagte Wukovits. Er sei aufbrausend, aggressiv gewesen – daher erfolgte eine Gefährdungsmeldung ans Jugendamt. Die Eltern bekamen eine Hebamme und soziale Betreuung beigestellt. All diese intensiven Bemühungen hätten nicht verhindern können, dass das Baby ein „Martyrium" mitmachen musste, stellte die Staatsanwältin fest.
Mutter verschwieg Schütteln dem Arzt
Im April soll der Vater laut Anklage das Baby erstmals misshandelt haben, als das Kind zu schreien begann und nicht zu beruhigen war. Die Staatsanwältin sprach in diesem Zusammenhang von „wiederholten brutalen Übergriffen". Am 2. Juni sei das Mädchen vom Vater „heftig hin- und hergeschüttelt worden, bis das Kind erbricht. Erst dann hört er auf. Sie (die Mutter, Anm.) steht daneben und tut nix". Immerhin begaben sich die Eltern mit dem Baby in ein Spital, wo das Kind der Staatsanwältin zufolge aber deshalb nur oberflächlich untersucht wurde, weil die Mutter dem Arzt verschwieg, dass ihre Tochter geschüttelt worden war. Daher hätten die Eltern die Kleine wieder mit nach Hause nehmen dürfen.
„Am 4. Juni hat sich das Martyrium wiederholt", setzte die Anklägerin fort. Diesmal habe das Schütteln des Vaters beim wehrlosen Opfer ein unkontrolliertes Rotieren des Kopfes bewirkt: „Das Kind erbricht, wird bewusstlos. Die Lippen verfärben sich blau." Die Mutter habe den Rettungsdienst angerufen, das Kleinkind sei dann per Hubschrauber „mit massivsten, lebensbedrohlichen Verletzungen" in ein Krankenhaus gekommen. Dort wurden unter anderem Hirnblutungen, Hirnschäden und zwei gebrochene Oberschenkel festgestellt. Nach einem tagelangen Überlebenskampf habe das Baby diesen schließlich verloren, schilderte Wukovits abschließend.
Todesursache: Sauerstoffunterversorgung des Hirns
Wie später die Obduktion ergab, waren die für ein Schütteltrauma typischen Blutungen im Bereich der Hirnwand aufgetreten. Todesursächlich war der fachärztlichen Expertise zufolge eine Sauerstoffunterversorgung des Hirns.
Die Verteidigerin des Vaters, Christa Scheimpflug, kündigte an, ihr Mandant werde zugeben, die Tochter zwei bis drei Mal geschüttelt zu haben – jedoch nicht mit Tötungsabsicht. „Es war sicher kein Mord", betonte Scheimpflug. Er habe die Kleine beruhigen wollen. Diese sei zwar kein Wunschkind gewesen, „aber in dem Moment, wo das Kind auf der Welt war, hat er für das Kind gesorgt."
Verteidiger: Der Vater habe Fehler gemacht, nicht die Mutter
Timo Gerersdorfer, der Verteidiger der Mutter, bezeichnete diese als „schüchterne, liebenswerte junge Dame", die im Gefängnis – beide Elternteile befinden sich seit Juni in U-Haft – zum Glauben gefunden habe. Er verwies auf eine Intelligenzminderung seiner Mandantin: „Sie gehört zum untersten einen Prozent ihrer Altersklasse". Ihr Freund sei in der Beziehung dominant gewesen, sei „aus ihrer Sicht ein guter Vater" gewesen: „Beide haben sich auf das Kind gefreut." Die Misshandlungen seitens des Vaters habe die 23-Jährige nicht mitbekommen: „Sie hat es zu keinem Zeitpunkt gesehen. Sie ist vier bis fünf Mal in der Woche einkaufen gegangen, war auf der Toilette, im Badezimmer. Sie hat schöne lange Haare, sie hat sich die Haare gefönt." Der Vater habe „Fehler gemacht, die sind nicht meiner Mandantin zuzurechnen", insistierte Gerersdorfer.
Diese Verantwortung nahm die Staatsanwältin der Kindesmutter nicht ab. „In welcher Ecke dieses kleinen Zimmers hat sie sich verkrochen, dass sie das nicht sieht", fragte sich Wukovits. Und ortete „sehr, sehr schwache Versuche, sich aus der Verantwortung zu ziehen". Sie forderte die Geschworenen auf, Folgendes zu bedenken: „Sieht man, dass ein Kind derart misshandelt wird, hat man einzugreifen. Das sagt einem nicht nur das Gesetz. Das sagt einem die Moral."
Die Verhandlung ist auf zwei Tage anberaumt. Die Urteile sollen am 24. Jänner fallen. (APA/dpa)