Integration

Herausforderung Antisemitismus: Wertekurse für Asylwerber

IKG-Präsident Oskar Deutsch, Verfassungsministerin Karoline Edtstadler und Integrationsministerin Susanne Raab brachten zum Besuch im Wertekurs auch Kameras mit.
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Der Integrationsfonds baut seine Wertekurse für Asylberechtigte aus. Vorurteile gibt es aber auch in der Mitte der österreichischen Gesellschaft.

Von Wolfgang Sablatnig

Wien – Was ist das Judentum? Eine Ethnie? Eine Kultur? Eine Religion? Eine Nation? Vor Awi Blumenfeld sitzt eine Gruppe von Asylwerbern aus Syrien. „Eine Religion“, antwortet der Erste, die meisten schließen sich an. Nur eine Frau sieht die Kultur im Vordergrund. Und wie sehen sich die Juden selbst? „Von allem ein bisschen“, sagt der Vortragende.

Im Hauptberuf leitet Blumenfeld das Institut für jüdische Religion an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems. Er ist einer von rund 20 Trainerinnen und Trainern, die bei den Werte- und Orientierungskursen des Österreichischen Integrationsfonds das Modul „Antisemitismus“ unterrichten.

Seit Jahresbeginn dauert der Kurs drei Tage statt wie bisher einen. Er ist Pflicht für Asyl- und Schutzberechtigte. Wer ihn nicht absolviert, muss mit einer Kürzung der Mindestsicherung rechnen.

Zugehört haben gestern in Wien auch die ÖVP-Ministerinnen Susanne Raab (Integration) und Karoline Edtstadler (Verfassung) sowie Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG). Die IKG hat das Antisemitismus-Modul mitentwickelt. Raab spricht vom „importierten Antisemitismus“, der auch durch Studien belegt sei. Viele Flüchtlinge seien in ihren Herkunftsländern mit antisemitischen Vorurteilen aufgewachsen.

„Was haben Sie in Syrien über Juden gehört?“, fragt Raab in die Runde. Wie zur Bestätigung ist in der Antwort von der „privilegierten“ Nation die Rede.

Edtstadler und Deutsch gehen einen Schritt weiter. Die Pandemie habe Antisemitismus und Verschwörungstheorien in Österreich einen Boost verliehen, warnt die Verfassungsministerin – in der „Mitte der Gesellschaft“. Die Zahl der Vorfälle, die bei der Kultusgemeinde im ersten Halbjahr 2021 gemeldet wurden, hat sich im Vergleich zu 2020 verdoppelt. Demnächst will der IKG-Präsident die Zahlen für das ganze Vorjahr vorlegen.

Wo ist hier die Gegenstrategie? „Eine kurze Antwort wäre völlig falsch, weil es nur eine lange Antwort gibt“, sagt die Verfassungsministerin. Sie setzt auf die nationale Strategie, die der Nationalrat im Vorjahr abgesegnet hat. „In Österreich braucht es mehr Bewusstsein“, sagt sie. In der EU will sie sich für Regelungen starkmachen, die wie das österreichische Verbotsgesetz NS-Wiederbetätigung unter Strafe stellen.

Edtstadler sieht aber auch positive Signale: Die vielen Anzeigen bei der IKG seien auch ein Zeichen dafür, dass die Sensibilität steigt. Und sie hofft, dass die Menschen antisemitische Witze am Stammtisch nicht mehr einfach hinnehmen.