Man gönnt sich ja sonst nichts im Jenseits: "Paganini" im Kellertheater
Premiere von „Paganini“ im Kellertheater. Klaus Rohrmoser lässt den Teufelsgeiger auf humorvolle Art noch einmal zu Wort kommen.
Innsbruck – In Mozarts Oper „Don Giovanni“ prahlt Leporello, getreuer Diener der Titelfigur, eine berühmte Arie lang über die unzähligen Liebschaften seines Chefs. In „Paganini“, einem von Autor Michael Korth in witzigen Worten erdachten Theater-Einakter, rattert die Hauptfigur gleich selbst den Katalog seiner Verflossenen herunter, der Reihe nach, alphabetisch. Schon beim Buchstaben A folgt ein Sammelsurium an Frauen(namen), die Paganini beglückt haben will. Wenn er denn meint, damit Eindruck schinden zu können ...
Im Stadttheater Bruneck durfte der unverwüstliche Bühnenveteran Klaus Rohrmoser zu Korths Text schon vor ein paar Jahren in die Rolle von Jahrhundertgeiger Niccolò Paganini (1782–1840) schlüpfen. Nach wiederholten Versuchen, die Produktion ins Innsbrucker Kellertheater zu übersiedeln, Corona wollte davon offenbar partout nichts wissen, gelang es nun aber doch: Am Montag erlebte „Paganini“ seine Premiere im Keller.
Wir erleben einen weltberühmten Geiger, der seinem Sarg entsteigt. Die Totenglocken haben ihn geweckt. Wird das hier vielleicht ein schauriges Spektakel mit einem Untoten, wie es sich Edgar Allan Poe, unbestrittener Ober-Lehrmeister im Gothic-Fach, nicht besser ausdenken hätte können?
Nein, wird es nicht. Rohrmoser, der ein schauspielerisches Solo hinlegt und selbst Regie führt – eigentlich fein: da redet dann keiner mehr drein –, legt die Geschichte humorig an, augenzwinkernd, situationskomisch.
Eine schöne Leich’ ist er ja nicht, wie auch, wo Paganini doch schon zu Lebzeiten „hässlich war wie die Nacht“, gebeutelt und gebeugt von schwerer Krankheit von früher Kindheit an. Und überhaupt: Was für eine gestohlene Kindheit das war! Vater Paganini erkannte das Mega-potenzial seines Filius und zwang diesen unter Androhung körperlicher Züchtigung zum Dauerüben.
Trotzdem brachte es der Gepeinigte zum Virtuosen und Rockstar seiner Zeit, gefeiert auf schier endlosen Konzertreisen, bewundert von nicht ganz unbekannten Zeitgenossen à la Schubert und Liszt, mit Geld geadelt von Herrschern und Fürsten.
Aber dann war da noch etwas. Paganinis Geigenspiel geriet dermaßen überirdisch, dass dies, so die Verschwörungstheoretiker damals, nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Flugs war die Fama des „Teufelsgeigers“ geboren: Paganini, ein Verbündeter des Satans.
So etwas hatte Folgen. Im Falle des verfemten Musikers führte es dazu, dass ihm eine ordentliche Bestattung erst nach Jahrzehnten gewährt wurde. Paganinis Sohn Achille musste dafür ein hübsches Sümmchen in Richtung Kirche in Bewegung setzen.
Hat jemand wie er, eine Legende ob tot oder lebendig, so etwas verdient, eine Zwischenlagerung über Jahre im Weinkeller, Präparatoren, die versuchen, seine Leiche in Schuss zu halten? Rohrmosers Paganini hadert über dieses Ungemach, er macht seine Zuhörer zu Verbündeten, schildert manch erheiternde Anekdote, erntet Lacher, fühlt sich verstanden.
Aus dem Off ertönen Geigenklänge wie aus längst verblichener Zeit. Der Gewesene spült seinen Ärger runter mit einem kräftigen Schluck aus der Pulle, die versteckt liegt im Sarg. Man gönnt sich ja sonst nichts im Jenseits.
Prädikat: sehr sehenswert.