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U-Ausschuss zu Korruptionsaffären der ÖVP: Tag zwei mit Müller und Pilz

Peter Pilz.
© Herbert Pfarrhofer

Es war eine politische Bombe, die den Abgang von Sebastian Kurz auslöste und noch immer viel Sprengkraft besitzt: Die ÖVP-Inseratenaffäre. Am zweiten Befragungstag sind Ex-Finanzminister Eduard Müller und der ehemalige Politiker und nunmehrige Betreiber des Onlinemagazins "zackzack.at", Peter Pilz geladen.

Wien – Peter Pilz hat dem ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss Chats aus dem Handy des ehemaligen Innenministeriums-Kabinettschefs Michael Kloibmüller vorgelegt. Auf den 49 Seiten sei eine Zusammenfassung der Chats zu finden, die für den Untersuchungsgegenstand relevant sind, berichtete Pilz am Donnerstag. Darüber, ob man die Dokumente auch verwenden darf, ist wie zu erwarten eine Debatte ausgebrochen.

Er sei gekommen, um "die Arbeit des Ausschusses zu unterstützen", sagte der nunmehrige Betreiber des Online-Magazins "zackzack", der erstmals als Auskunftsperson anstatt als Abgeordneter an einem solchen teilnimmt. Die Chats habe er von einem Informanten ohne Gegenleistung erhalten. Nachdem es bei einem Bootsunfall nass geworden war, soll ein IT-Techniker im Innenministerium Daten aus Kloibmüllers Handy abgesaugt haben.

Sitzungsunterbrechung zur Aktenprüfung

Ein USB-Stick mit denselben Daten sei bereits bei einer Hausdurchsuchung im Februar 2021 gesichert worden, sagte Pilz. Obwohl in den Chats "schwerwiegende Sachverhalte" vorzufinden seien, die Anfangsverdachte zu mehreren Delikten zuließen, sei nicht weiter ermittelt worden, behauptete er. Die Charts würden unter anderem zeigen, dass Parteibücher bei der Postenvergabe immer mehr zum "einzigen Kriterium" werden und Qualifikationen "in den Hintergrund treten".

Die Beweismittel seien nur dann zulässig, wenn sie nicht durch strafbare Handlungen oder die Umgehung sonstiger gesetzlicher Bestimmungen erlangt worden sind, sagte die Vorsitzende Doris Bures. Pilz zufolge sei das nicht der Fall. Das war der ÖVP zu wenig. Abg. Christian Stocker verlangte eine Sitzungsunterbrechung, um die vorgelegten Akten prüfen zu können und sich ein Bild darüber zu machen, wie sie erlangt wurden. Die bloße Beteuerung der Auskunftsperson ersetze das nicht. Bures kam der Bitte nach und ersuchte den Verfahrensrichter um eine entsprechende Einschätzung.

Müller zu Vorgängen im Finanzministerium befragt

Zuvor war der ehemalige Sektionschef im Finanzministerium und Ex-Finanzminister Eduard Müller über diverse brisante Vorgänge im Finanzministerium befragt worden. Unter anderem zu seinem Verhältnis zu Unternehmer Siegfried Wolf sowie Immobilieninvestor Rene Benko und ob er bei diesen in Steuersachen Einfluss genommen habe. Müller blieb bei seinen Antworten grosso modo vage und zog sich auf rechtlich prozessuale Vorgaben zurück. Er wolle schließlich am "Ende des Tages nicht wegen irgendwas geklagt werden", weil Rechte Dritter verletzt wurden.

Zudem beklagte er, dass "gewisse Dinge suggeriert" und darum herum "Geschichten konstruiert" würden. In der Causa um einen mutmaßlichen Steuernachlass für Wolf, in die auch der damalige Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, involviert gewesen sein soll, verteidigte sich Müller. Er sei von Schmid kontaktiert worden, es habe sich aber um eine fachlich rechtliche Frage gehandelt.

Ein Treffen mit Benko und Schmid räumte Müller ein. Dabei sei es um eine "extrem lange Verfahrensdauer" gegangen. Er habe es sich einfach angehört und versucht, es zu verifizieren. Dass sich Steuerberater an ihn gewandt haben, sei "immer wieder passiert. "Und wie oft ist es ihnen passiert, dass sie der Kabinettschef zu einem Termin mit einem Steuerpflichtigen mitgenommen hat?", wollte Krainer wissen. "Das ist mir nur einmal passiert", räumte Müller ein.

Befragung zu Ausschreibungstext

Krainer legte Müller zudem den Ausschreibungstext für den FMA-Vorstandsjob vor, für den sich Müller erfolgreich beworben hat, und wollte von ihm wissen, wer den Text gestaltet habe. Schließlich sei dieser in einem Punkt auf Müller "zugeschnitten". Erstmals in der Geschichte der FMA sei der Punkt "langjährige Berufserfahrung im öffentlichen Bereich" enthalten gewesen. Müller wies die "Unterstellung" zurück: "Ich habe keine Erinnerung daran, wie das in die Ausschreibung gekommen ist."

Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli konfrontierte Müller zudem mit einer Studie aus seiner Zeit als Finanzminister. In dieser Studie werde sowohl er selbst thematisiert als auch die Themensetzung der Opposition. Er kenne weder die Studie, noch wisse er, von wem sie beauftragt wurde, gab Müller an. An Beinschab-Studien könne er sich nicht erinnern, Ergebnisse der Betrugsbekämpfungsstudie aus 2017 habe er im Nachhinein erhalten.

Nehammer zum Auftakt "staatstragend"

Zum Auftakt des ÖVP-Korruptions-U-Ausschusses war am Mittwoch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) geladen. Angesichts des Kriegs in der Ukraine gab sich der Kanzler staatstragend. Nehammer war im Untersuchungszeitraum zunächst Generalsekretär der Volkspartei, anschließend bekleidete er das Amt des Innenministers. Im Anschluss soll ÖVP-Spender und C-Quadrat-CEO Alexander Schütz befragt werden.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf dem Weg zu seiner Befragung im parlamentarischen ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss.
© APA/ROLAND SCHLAGER

Nehammer plädierte mit Blick auf den "Krieg in Europa" und die "außergewöhnlichen Zeiten" in seinem Eingangsstatement für eine Mäßigung im Ton. Er sei von den vergangenen Tagen "zutiefst bewegt". Der ÖVP-Abgeordnete Andreas Hanger zollte Nehammer Respekt, dass er trotz der angespannten Sicherheitslage in den U-Ausschuss gekommen sei.

"Ich war nicht involviert"

Zu den Vorwürfen gegen die ÖVP sagte Nehammer, dass Personalentscheidungen zur Politik dazugehörten. Wenn dabei Fehler gemacht wurden, egal von welcher Partei, müsse das aufgeklärt werden. Befragt zum "Projekt Ballhausplatz" mit dem Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an die Macht kam, sagte Nehammer: "Ich war nicht involviert". Mit der Kurz-Stabsstelle "Think Austria" habe er nicht zusammenarbeitet und sie aufgelöst, so Nehammer.

Noch vor dem Beginn des Ausschusses teilte die Initiative "Saubere Hände" eine Tool-Box für die Abgeordneten aus. Darin enthalten ein kleiner Besen für "saubere Politik", eine Lupe, "um genau hinzuschauen", eine Taschenlampe, "um dunkle Ecken auszuleuchten" oder Stressbälle, "um die Nerven zu bewahren". Mit dieser Aktion wolle man die Abgeordneten für ihre "wichtige Arbeit" stärken, um Postenschacher und Inseratenkorruption aufzuklären, erklärte Sprecherin Ursula Bittner. Der U-Ausschuss beginne "keinen Tag zu früh". Als erster nahmen das Paket die Fraktionsführer von SPÖ und NEOS, Jan Krainer und Stephanie Krisper, entgegen.

Krainer (SPÖ) und Krisper (NEOS): System der Korruption aufzeigen

Beide machten dann auch klar, dass es darum gehen werde, das System der Korruption aufzuzeigen. Für SPÖ-Fraktionsführer Krainer etwa werde sich heute bei der Befragung von Nehammer zeigen, ob der Kanzler auf der Seite derer ist, die aufräumen wollen oder auf der Seite jener, die zudecken wollen. Schütz bezeichnete Krainer als die Personifizierung des "Geschäftsmodell der ÖVP". Man holt sich reiche, gut vernetzte Menschen als Spender und bedient nach der Wahl die Netzwerke.

NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper wiederum will der Frage nachgehen, wie das System des Postenschachers auf die Spitze getrieben werden konnte, und warum nicht effizient ermittelt worden sei. "Warum wurde nicht genau hingesehen." Den NEOS gehe es nicht um Personen sondern die Systeme dahinter, betonte sie.

Der heutige Beginn des U-Ausschusses sei die Konsequenz aus dem vorzeitig abgebrochenen Ibiza-U-Ausschuss, der von der ÖVP mithilfe der Grünen abgedreht worden sei, just als die Truppe um Kurz "unter Wasser" geriet, so FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker. Zudem gelte es, den "tiefen Staat, den die ÖVP errichtet hat," aufzuklären. Dieser fuße auf drei Säulen, nämlich die Ministerien Finanz, Innen und Justiz, in denen sich die ÖVP festgesetzt habe.

Tomaselli (Grüne): "Kleiner Machtzirkel" täuschte ganzes Land

Für Nina Tomaselli von den Grünen habe sich gezeigt, dass ein "kleiner Machtzirkel" um Sebastian Kurz das ganze Land getäuscht habe: "Diese jungen Männer haben manipuliert", etwa über "frisierte Umfragen", Postenschacher im großen Stil oder indem sie "Superreichen eine Spezialbehandlungen" zukommen ließen. Aus den Akten habe sich etwa auch gezeigt, dass neben Unternehmer Sigfried Wolf auch Immobilieninvestor Rene Benko "einen besonderen Draht ins Finanzministerium hatte".

Komplett anders sah das die ÖVP. Wie deren Fraktionsführer Hanger betonte, sehe man der heutigen Befragung von Nehammer "gelassen entgegen". Schließlich habe dieser im Ibiza-U-Ausschuss eine untergeordnete Rolle gespielt und komme in den "Akten nicht vor", wenn dann nur "ganz marginal". Und Hanger machte gleich die Strategie der ÖVP klar: Nehammer könne nur in seiner Rolle als Innenminister und nicht in seiner Rolle als Generalsekretär der ÖVP befragt werden. Denn Parteien können niemals Gegenstand der Untersuchung eines parlamentarischen U-Ausschusses sein.

Thematische Überschneidungen zum Ibiza-U-Ausschuss

Das von SPÖ, FPÖ und NEOS eingesetzte parlamentarische Gremium hat "das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe des Bundes im Zeitraum von 18. Dezember 2017 bis 11. Oktober 2021" zum Untersuchungsgegenstand. Zum Teil gibt es dabei thematische Überschneidungen zum im Herbst abgeschlossenen Ibiza-U-Ausschuss. Andererseits sind aber auch neue Vorwürfe wie die Inseratenaffäre rund um Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) inkludiert. (TT.com, APA)