Die Rocky Horror Shakespeare Show am Burgtheater
Lachsalven statt Bedeutungsschwere: Die Premiere von „Der Sturm“ am Burgtheater.
Von Markus Schramek
Wien – William Shakespeares nicht allzu schwere Bühnenkost „Der Sturm“ hat sich über Jahrhunderte als unkaputtbar erwiesen. Am Burgtheater zimmert sich Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson nun seine eigene kleine Welt aus dem Baukasten des Originals.
Das verwöhnte wie kundige Wiener Publikum lässt sich bei der Premiere vorgestern Samstag nicht lange bitten: Es blickt sich kurz um – wie reagieren die anderen? Und schon wird herzhaft mitgelacht. Der Isländer im Regiesessel macht aus „Der Sturm“ eine Nummernrevue, eine Rocky Horror Shakespeare Show, sehr frei nach dem Original.
BurgschauspielerInnen beeindrucken mit Live-Gesang und an Instrumenten, ab geht die Post: Schmachtfetzen der Rolling Stones und von Lou Reed, von Paolo Conte sogar, dazu Schunkelhaftes à la „When the Saints Go Marching In“. Eine zwingende Logik lässt sich bei dieser Hitparade nicht erkennen.
Bei nahendem Sturm feiert jedenfalls eine feucht-fröhliche Schiffsgesellschaft exzessiv eine Fête Blanche. Nicht mehr ganz junge Partytiger rutschen bauchlings mit Anlauf über das Bankett, Absturz am Tischende garantiert. Früher Szenenapplaus. Beruhigend für die da oben.
So etwas wie eine Handlung gibt es auch. Machen wir es kurz, es wird viel mehr geblödelt als gehandelt. Ein gewisser Prospero (sehr entspannt hosenberollt gespielt von Maria Happel) wird von seinem treulosen Bruder Antonio (Johannes Zirner) als Herzog von Mailand hinweggeputscht. Er schafft es mit knapper Not samt Tochter auf ein gottverlassenes Eiland. Dort wartet Prospero geduldig auf den Tag X, die Verschwörerbrut zur Rechenschaft zu ziehen.
Mit Hilfe des Luftgeistes Ariel (umwerfend witzig: Mavie Hörbiger) lässt Prospero besagten Sturm über das Promi-Schiff mit Antonio und Co. hinwegfegen. Da blähen sich Segel, da faucht und tost es auf der Bühne. Die Falotten gehen über Bord, doch Ariel bringt sie sicher ans Ufer, wo Prospero wartet. Man sieht sich im Leben immer zweimal.
Das Ensemble präsentiert sich bei ansteckend guter Laune. Michael Maertens und Roland Koch stemmen je zwei Rollen. Zunächst als Alonso und Gonzalo, soll heißen als gestrandeter König von Neapel und als dessen neunmalkluger, nerviger Berater.
Als Hofnarr Trinculo (Maertens) und Kellermeister Stephano (Koch) sorgt dieses Zweiergespann dann dafür, dass sich auch der letzte Rest ansatzweiser Bedeutungsschwere in Lachsalven auflöst. In knallig-bunter Aufmachung interviewen die beiden einander im schlabbrigen Jargon einer seichten Talkshow.
Der grantelnde, einfältige Inselbewohner Caliban (Florian Teichtmeister), er sinnt seinerseits auf Rache versus Prospero, wirft sich den beiden Spaßvögeln verschwörerisch zu Füßen. Doch er hat Pech: Vom Bühnenhimmel prasselt stilisiert Dreck auf ihn herab, bis er kaum noch herausragt.
Den Part der Young Lovers geben fröhlich turtelnd Lili Winderlich als Prosperos Tochter Miranda und Nils Strunk, der als Königssohn Ferdinand angespült wird und Miranda, Jungfräulichkeit vorausgesetzt, umgehend zu ehelichen beabsichtigt. Etliche Runden auf der Drehbühne absolviert Gabriel Cazes. Vom Klavier aus orchestriert er die quietschfidele Show.
Ja, auch so kann man Shakespeare heute zeigen. Im vollen Theater hatte, zumindest hörbar, am Ende niemand einen Einwand dagegen.