Protest in Innsbruck im Namen der Kinder: Polaschek den Marsch geblasen
Österreichweit, so auch in Innsbruck, gingen Elementarpädagoginnen gestern mit der Gewerkschaft auf die Straße, um für rasche (personelle) Verbesserungen in den Kindergärten zu protestieren. Ähnlich wie in der Pflege, gehe die Krisenbewältigung „an die Substanz“.
Innsbruck, Wien – Bildungsminister Martin Polaschek (VP) hat derzeit keinen guten Stand. Nach seinem sonntäglichen Auftritt in der ORF-Pressestunde bereits im Corona-Schul-Kreuzfeuer, sah er sich gestern österreichweit protestierenden Elementarpädagoginnen gegenüber. Von Wien bis nach Innsbruck gingen Kindergärtnerinnen auf die Straße, um Polaschek den Marsch zu blasen. In der Landeshauptstadt fokussierte sich der gewerkschaftlich organisierte Aufmarsch um 18 Uhr auf den Landhausplatz – rund 300 waren gekommen, lautstark unterstützt von der Guggamusik Kundl.
„Soziale Arbeit ist mehr wert“. „Kinder brauchen Knete“. „Wir sind wütend“. – Plakate wie diese brachten die Unzufriedenheit der Elementarpädagoginnen auf den Punkt. Corona führe zu einem Personalausfall, der immer weniger adäquat kompensiert werden könne. Hinzu kämen wechselnde Gruppengrößen, ein erhöhtes Infektionsrisiko und ein organisatorischer wie administrativer Mehraufwand (Hygienemaßnahmen, Alarmpläne bei Verdachtsfällen etc.) – ein Teufelskreis. Einer, der viele Elementarpädagoginnen an den Rande ihrer psychischen und physischen Einsatzfähigkeit bringen würde. Man wolle nicht mehr länger „im Notbetrieb“ fahren.
Die nächste zu bewältigende, wenngleich noch nicht konkret abschätzbare Herausforderung stünde unmittelbar vor der Haustüre: die Betreuung traumatisierter Flüchtlingskinder aus der Ukraine. Man werde auch hier helfen, beide Krisen gingen aber „an die Substanz“, drückte Verena Steinlechner-Graziadei, Vorsitzende der Gewerkschaft younion den Alarmknopf.
Die Forderungen liegen auf der Hand: eine Ausbildungsoffensive gegen die (bereits vor Corona spürbare) Personalknappheit, Entlastung von administrativen Arbeiten, gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit, Anerkennung einer Corona-Infektion als Berufskrankheit, Adaptierung des Betreuungsschlüssels und Aufstockung der Bundes-Ausgaben für den Elementarbildungsbereich auf ein Prozent des BIP. Hierfür seien zusätzliche 250 Mio. € vonnöten, so Petra Lederer (younion) Richtung Polaschek: „Wir brauchen keine Lippenbekenntnisse mehr – wir brauchen mehr Geld.“
Bildungs-Landesrätin Beate Palfrader verwies gestern darauf, dass Tirol insbesondere beim Betreuungsschlüssel „Vorreiter“ sei. Einige der Forderungen könne sie aber verstehen. Für die Ausbildung sei jedoch der Bund zuständig, was die Entlohnung betreffe, die Gemeinden. Das Ministerium verwies auf die 15a-Vereinbarung und das Bekenntnis, die Mittel „deutlich zu erhöhen“. (mami)
Elementarpädagogik: Daten & Fakten
Angebot: Österreichweit bestanden im Jahr 2020/21 laut Statistik Austria rund 8600 institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen, davon 4600 Kindergärten, 2400 Kinderkrippen und 1600 altersgemischte Einrichtungen. Auf Tirol entfielen laut Landesstatistik 479 Kindergärten, 293 Kinderkrippen und 105 Horte.
Ausgaben: Aktuell gibt Österreich laut einer OECD-Studie rund 0,7 Prozent des BIP für den Elementarbildungsbereich aus. Der EU-Schnitt beträgt 0,8 Prozent. Länder wie Finnland wenden indes sogar bis zu 1,2 Prozent des BIP auf.
15a-Vereinbarung: Über eine Bund-Länder-Vereinbarung (15a) beteiligt sich der Bund seit 2008 an den Kosten für die Kindergärten. Im Gegenzug mussten Ziele, wie etwa das Gratis-Pflichtkindergartenjahr eingeführt werden. Die aktuelle Vereinbarung läuft 2022 aus, die Neuverhandlungen haben noch nicht begonnen. Gefordert wird ein aufgestockter Bundeszuschuss, sowie verlängerte und flexiblere Öffnungszeiten.
Betreuungsquote: Bei Drei- bis Fünfjährigen liegt sie österreichweit bei 93 %. In Tirol: 3 Jahre (89 %), 4 Jahre (98,8 %), 5 J. (96,3 %).