Nitsch-Ausstellung in Innsbruck: Lustvolles Waten im Saft roter Früchte
Im Zentrum der Schau steht Version Nr. 2 von Nitschs Partitur seines Sechs-Tage-Spiels. Bestehend aus 776 dicht beschriebenen bzw. bezeichneten DIN-A4-Blättern, von denen die ersten 112 als dreireihiger Block an einer der galeristischen Wände hängen.
Von Edith Schlocker
Innsbruck – Hermann Nitschs „Orgien Mysterien Theater“ ist sowohl Volksfest als auch kultische Handlung, Theater genauso wie Kunstaktion. Die Uraufführung dieses opulenten, sechs Tage und Nächte dauernden Spektakels für alle Sinne fand 1998 in Nitschs Vierkanthof im niederösterreichischen Prinzendorf statt, diesen Juli soll dessen Neufassung über die Bühne gehen. Mit einem Jahr Verspätung, wofür einmal nicht Corona, sondern der Ruf nach Bayreuth, Wagners „Walküre“ als Mal- und Schüttaktion zu inszenieren, „schuld“ ist.
Womit ein Lebenstraum des bekennenden Wagner-Verehrers in Erfüllung gehen sollte. Eine kleine Ahnung dieses sehr speziellen Opernabends, bei dem Nitsch nach einer exakt festgelegten Choreographie im Einklang mit dem theatralen und musikalischen Geschehen Farben schütten und rinnen ließ, vermitteln drei in der Ausstellung zu sehende Relikte. Auf riesigen Leinwänden ausgebreitete Farbspektakel, deren Intensitäten je nachdem, ob gerade ein wütender Wotan oder eine verliebte Sieglinde zugange war, atmosphärisch völlig unterschiedlich daherkommen.
Im Zentrum der Schau steht allerdings Version Nr. 2 von Nitschs Partitur seines Sechs-Tage-Spiels. Bestehend aus 776 dicht beschriebenen bzw. bezeichneten DIN-A4-Blättern, von denen die ersten 112 als dreireihiger Block an einer der galeristischen Wände hängen. Deren Studium klar macht, dass in diesen gesamtkunstwerklich angelegten Inszenierungen nichts dem Zufall überlassen bleibt. Beschreibt Nitsch in seiner Partitur doch exakt u. a. die Gerüche und Töne, die Farben und Symbole, wie dieses von Hunderten von Akteuren zelebrierte Spektakel vonstattengehen soll.
Wobei das Orgien Mysterien Theater von 1998 noch eine sehr blutige Angelegenheit war, was zarte Gemüter bzw. Tierschützer auf die Barrikaden bringen sollte. Nur einer der Gründe, weshalb der inzwischen 83-Jährige in den nachfolgenden Aktionen – auch der heurigen – seine Spieler im roten Saft von Früchten waten ließ bzw. lässt. Ergänzt wird die Schau durch eine Reihe von Relikten aus diversen Aktionen, aber auch ein fabelhaftes Schüttbild von 1992 fast ganz in Schwarz.
Galerie Thoman. Maria-Theresien-Straße 34, Innsbruck; bis September, Di–Fr 12–18 Uhr, Sa 10–15 Uhr. Vernissage heute 17–20 Uhr.