SPÖ

Rendi-Wagner legt Regierung Neuwahl nahe und fordert Steuerreduktion

Türkis-Grün solle wegen zahlreicher Versäumnisse „den Weg frei machen", bei einer Neuwahl würde sie als Spitzenkandidatin antreten – „was sonst?". Angesichts der explodierenden fordert die SPÖ-Chefin, die Mehrwertsteuer für Lebensmittel auf null zu setzen.

Wien – SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sieht eine Reihe von Versäumnissen und Fehlern der Regierung, von Corona über die Teuerung bis zur Klimapolitik. Deshalb legte sie Türkis-Grün in der ORF-„Pressestunde" am Sonntag nahe, „den Weg frei zu machen für Neuwahlen". Kommt es dazu, sei Platz 1 und eine „bessere Regierung" bilden zu können das Ziel. Mit ihr als Spitzenkandidatin, „was sonst?", zeigte sich die Parteichefin, die einigen internen Zwist hinter sich hat, sehr selbstbewusst.

Anders als in so gut wie allen Interviews der letzten Jahre fiel diesmal auch der Name ihres größten internen Kritikers – des burgenländischen Landeshauptmannes Hans Peter Doskozil – nicht. Und Rendi-Wagner wies nachdrücklich auf ihre „harte Arbeit" dafür hin, dass das Vertrauen in die SPÖ gestiegen ist. Dass man jetzt in den Umfragen auf Platz 1 liegt, sei nicht nur der Schwäche der ÖVP geschuldet, sondern „der eigenen Stärke". Diese habe sie mit glaubwürdiger Politik – von konsequentem Corona-Management bis zum „klaren Bekenntnis im Kampf gegen die Teuerung" – gezeigt. „Rückwirkend gesehen" hätten auch vielkritisierte Schritte wie die Vertrauensfrage an die Mitglieder und der Misstrauensantrag gegen Sebastian Kurz „uns gestärkt".

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Koalition mit Nehammer-ÖVP nicht ausgeschlossen

Das Verhältnis zur ÖVP unter Karl Nehammer beschrieb Rendi-Wagner als „unauffällig professionell" – und anders als mit der Kurz-ÖVP schloss sie eine Koalition mit der Nehammer-ÖVP nicht aus. Nur eine Koalition mit der FPÖ sei ausgeschlossen, alles andere werde sich nach der nächsten Wahl zeigen. Für die im Herbst anstehende Bundespräsidentenwahl bekräftigte Rendi-Wagner, dass die SPÖ im Fall der Wiederkandidatur von Alexander Van der Bellen keinen Gegenkandidaten oder -kandiatin ins Rennen schickt.

Im langen Gespräch über Sachthemen – rund um den russischen Krieg, Energieumstieg, Teuerungswelle bis Corona - hielt Rendi-Wagner der Regierung viele Versäumnisse vor. Nicht als Fehler sieht sie den Besuch von Kanzler Karl Nehammer beim russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dieser Anlauf für eine Vermittlung sei grundsätzlich richtig – allerdings sei mangels ernsthafter Vorbereitung und Abstimmung in der EU eine Chance vergeben worden.

📽️ Video | Vorgangsweisen in der Ukraine-Krise:

Bundesheer-Budget erhöhen, Gas-Kritik an Grünen

Eine bessere Ausstattung des Bundesheeres hält Rendi-Wagner für nötig. Das Budget sollte zumindest auf ein Prozent des BIP angehoben werden – denn „wer seine Neutralität, Souveränität und Freiheit verteidigen will muss wehrhaft sein". Für noch mehr Geld gebe es derzeit keine Mehrheit, auch die Grünen würden die von der Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) ventilierten 1,5 Prozent nicht mittragen.

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Kritik an den Grünen übte Rendi-Wagner im Zusammenhang mit der großen Abhängigkeit von russischem Gas. In den zwei Jahren ihrer Regierungsbeteiligung sei „gar nichts" für den Ausstieg passiert, verwies sie auch darauf, dass aktuell viele Arbeitskräfte für die Umstellung der Öl- und Gasheizungen fehlen. Jetzt gelte es, effiziente Maßnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs zu setzen, den Umstieg gezielt zu fördern und mittel- und langfristig die Energiewende zu schaffen. Dafür nötig wären auch schnellere Zulassungsverfahren für Windräder oder Photovoltaikanlagen.

📽️ Video | Abhängigkeit von russischem Gas & Umstieg auf erneuerbare Energien:

Deutsch: Nehammer „kann es einfach nicht"

Weit kritischer als Rendi-Wagner äußerte sich SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch am Sonntag über den Bundeskanzler: Er griff eine – von ATV via Aussendung verbreitete – Umfrage Peter Hajeks auf, wonach die Mehrheit (von 500 Befragten) befindet, dass Nehammer dem Amt des Kanzlers nicht gewachsen ist. 24 Prozent antworteten „nein, auf keinen Fall", 26 Prozent „eher nein" – während 38 Prozent Nehammer für ausreichend qualifiziert halten.

Nur noch Wähler der Regierungsparteien ÖVP und Grüne – und das sei nur mehr ein Drittel der Wählerschaft – würden Nehammer die Stange halten, meinte Deutsch in einer Aussendung. Dieses Meinungsbild sei „katastrophal", befand er, „Nehammers Kanzlerschaft ist geprägt von Hilflosigkeit, Stillstand und Überforderung. Er kann es einfach nicht".

ÖVP, Grüne und FPÖ kritisieren SPÖ

ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner hielt in Reaktion auf die „Pressestunde" der SPÖ „Realitätsverweigerung" vor. „Jede Idee, die nicht von ihr stammt, wird automatisch schlechtgeredet", warf sie Rendi-Wagner vor, „rechthaberisch" gewesen zu sein – und unterstrich, dass die Regierung die Menschen um vier Mrd. Euro entlaste, zuzüglich zur 18 Mrd. Euro schweren Steuerreform.

Die Grünen wiesen die Kritik an ihren Versäumnissen in der Klimapolitik zurück. Vizekanzler Werner Kogler und Umweltministerin Leonore Gewessler hätten „mehr für den Klimaschutz in Österreich getan als die zahlreichen Regierungen vor ihnen", konterte Lukas Hammer per Aussendung.

Kritik an der SPÖ kam auch von der FPÖ. Deren Generalsekretär Michael Schnedlitz nannte den Versuch, „sich als Kämpferin gegen die Teuerung darzustellen, an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten". Die SPÖ fungiere – etwa in der Corona-Politik – als „Beiwagerl von Schwarz-Grün", ihre Anti-Teuerungs-Politik sei „scheinheilig". (APA)

Rendi-Wagner für null Mehrwertsteuer bei Lebensmitteln

Rendi-Wagner fordert die Regierung angesichts der explodierenden Preise auf, die Mehrwertsteuer für Lebensmittel auf null zu setzen. Die EU habe dies mit einer neuen Richtlinie ermöglicht, diesen Vorschlag sollte die Regierung umsetzen, sagte sie in der „Pressestunde". Denn „es kann nicht sein, dass der Staat noch profitiert von der Teuerung".

Rendi-Wagner drängte einmal mehr zu raschem Handeln. Es gelte, „eine soziale Krise zu verhindern", viele Menschen könnten sich das tägliche Leben nicht mehr leisten. Das von ÖVP und Grünen geschnürte Entlastungspaket in Höhe von 3,7 Mrd. Euro hilft aus Sicht der SPÖ-Chefin nicht, „das Problem ist, dass bei den Menschen nichts ankommt".

Nötig wären „gezielte Maßnahmen", um die Preise zu senken und die Menschen steuerlich zu entlasten, bekräftigte Rendi-Wagner die SPÖ-Forderungen: Zeitlich befristete Senkung von Mineralölsteuer oder der Mehrwertsteuer auf Gas und Strom, Energiepreisdeckel für Niedrigverdiener, vorgezogene Pensionserhöhung um fünf bis sechs Prozent und Steuerreform mit 1000 Euro jährlicher Ersparnis für arbeitende Menschen.

Das würde in Summe auch drei bis vier Mrd. Euro Entlastung ausmachen, aber treffsicherer helfen, argumentierte Rendi-Wagner. Die aktuell diskutierte Abschaffung der Kalten Progression würde sie auch begrüßen – allerdings mit einem Automatismus nur für untere und mittlere Steuerstufen.

ÖGB-Chef Wolfgang Katzian will der Teuerung nicht nur in den Lohnverhandlungen, sondern ebenfalls auch durch die Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel entgegenwirken. Die Steuer sollte man „halbieren oder sogar für ein halbes Jahr aussetzen", sagte Katzian im Interview mit oe24. Den Stromversorgern, die derzeit vom hohen Gaspreis profitieren würden, will der ÖGB-Chef mit Sondersteuern die Daumenschrauben ansetzen.

„Die Strompreise ergeben sich immer aus dem höchstmöglichen letzten Tarif, weil Gas teuer ist, sind sie sehr hoch. Wasser ist aber nicht teurer geworden, dadurch fährt etwa der Verbund sehr hohe Gewinne aus den Stromverkäufen ein. Dieser Windfall-Profit gehört abgeschöpft", sagte Katzian. Wie hoch die Steuer ausfallen sollte, sagte er aber nicht. Die Gespräche mit dem Finanzministerium zur Bekämpfung der Inflation liefen, würden sich aber „wie ein Strudelteig" ziehen. Es brauche mehr Tempo, meinte der Gewerkschaftschef. „Die Leute im Land sind schon richtig angefressen."

FPÖ-Obmann Herbert Kickl sowie SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch kritisierten am Sonntag ebenfalls die Trägheit der Regierung in Sachen Inflation und nahmen in ihren jeweiligen Aussendungen Bezug auf eine Umfrage des Instituts für Demoskopie und Datenanalyse (IFDD) im Auftrag der Kronen Zeitung. Laut dieser könne mehr als die Hälfte der Bevölkerung ihre Ausgaben für Einkauf, Strom, Gas und Treibstoff nur noch schwer stemmen. Eine überwiegende Mehrheit von 80 Prozent habe wegen der Inflation bereits ihr Konsumverhalten geändert.

Für Kickl „ist die Senkung der Steuern auf Energiekosten, Treibstoffe und Grundnahrungsmittel das Gebot der Stunde". Deutsch plädierte indessen dafür, dass die Teuerung „von der Regierung zurückgegeben werden" müsse und fordert eine „Geld-Zurück-Garantie".

Aus dem Finanzministerium hieß es indessen, die Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) „raten zur Bekämpfung der Inflation auf strukturelle Veränderungen statt auf temporäre Einzellösungen zu setzen. Wir tun das in Österreich bereits und zudem haben wir ein Entlastungspaket in Höhe eines Prozents unseres BIP in Umsetzung", sagte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) in einer Aussendung im Anschluss an die Tagungen des IWF und der Weltbank der vergangenen Tage.

Die Weltbank-Experten würden zudem eine Rückkehr zu einer nachhaltigen Budgetpolitik empfehlen, sofern das im Rahmen der Krise möglich sei. Das würde der Europäischen Zentralbank (EZB) weiteren Handlungsspielraum im Kampf gegen die Inflation geben. Dieser Handlungsspielraum sei derzeit nur begrenzt vorhanden, so Brunner.

📽️ Video | Konzepte gegen die Teuerung:

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