Wahl in Frankreich

Macron regiert weiter im Élyséepalast: Wiederwahl lässt Europa aufatmen

Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte feierten den Sieg der Präsidentschaftswahl.
© THOMAS COEX

Amtsinhaber Emmanuel Macron bleibt Frankreichs Präsident. Er kündigte für seine kommende Amtszeit einen Umgang mit den Franzosen auf Augenhöhe an. "Wir müssen auch wohlwollend und respektvoll sein", sagte Macron am Sonntagabend vor Hunderten Anhängern in Paris.

Paris – Frankreichs liberaler Präsident Emmanuel Macron hat die Präsidentschaftswahl nach vorläufigem amtlichen Endergebnis mit 58,55 Prozent der Stimmen klar gewonnen. Seine rechte Herausforderin Marine Le Pen kam auf 41,45 Prozent der Stimmen, wie das Innenministerium in Paris nach Auszählung aller Stimmen der zur Wahl registrierten Wähler in der Nacht auf Montag mitteilte. Brüssel und zahlreiche europäische Regierungschefs reagierten mit Erleichterung.

Der Abstand der beiden Kandidaten ist deutlich knapper als vor fünf Jahren. Damals gewann Macron die Stichwahl gegen Le Pen mit 66 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 72 Prozent.

📽️ Video | Analyse: Wie stark ist Macron nach Wiederwahl?

"Umgang auf Augenhöhe"

Macron kündigte für seine kommende Amtszeit einen Umgang mit den Franzosen auf Augenhöhe an. "Wir müssen auch wohlwollend und respektvoll sein", sagte Macron am Sonntagabend vor Hunderten Anhängern in Paris. "Denn unser Land steckt tief in Zweifeln und Spaltung. Wir müssen stark sein, aber niemand wird am Wegesrand zurückgelassen."

Der liberale Macron erhielt in der Stichwahl auch Stimmen von Menschen, die seine Politik nicht unterstützen, aber einen rechten Wahlsieg verhindern wollten. Ihnen dankte er in seiner Rede explizit. Macron sieht sich immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, den Franzosen gegenüber arrogant und herablassend aufzutreten. Im Wahlkampf versuchte er, dieses Image abzuschütteln.

Der 44-Jährige versprach den Wählern seiner rechtspopulistischen Herausforderin Marine Le Pen Rücksichtnahme. Auf ihre "Wut und ihre abweichenden Meinungen" müsse es "Antworten geben", sagte Macron in seiner ersten Ansprache nach der Wiederwahl. "Ich bin der Präsident von allen", betonte Macron.

Le Pen gibt sich weiter kämpferisch

Die zum dritten Mal bei einer Präsidentschaftswahl unterlegene Le Pen zeigt sich trotz ihrer Wahlniederlage kämpferisch. "Die Partie ist noch nicht gelaufen, es stehen noch Parlamentswahlen an", sagte sie am Abend vor ihren Anhängern in Paris.

TT Digitalabo: 1 Monat um nur € 1,-

inkl. TT-ePaper und tt.com plus

Ihr Wahlergebnis sei ein "durchschlagender Sieg", sagte Le Pen in Anspielung auf das Ergebnis vor fünf Jahren. Damals hatte sie mit knapp 34 Prozent gegen Macron verloren.

📽️ Video | Erleichterung in Brüssel

Macron versprach im Wahlkampf Reformen und eine stärkere EU-Integration, nachdem seine erste Amtszeit von Gelbwesten-Protesten, Corona-Pandemie und zuletzt vom Ukraine-Krieg überschattet wurde. Angesichts des Krieges und einer galoppierenden Inflation steht Macron vor enormen Herausforderungen in seiner zweiten fünfjährigen Amtszeit.

Frankreich und Europa atmen auf

Für viele gemäßigte Franzosen und Europäer bedeutet der Sieg des pro-europäischen Politikers eine Erleichterung. Ein Wahlsieg Le Pens hätte die deutsch-französische Zusammenarbeit erheblich gefährdet und in der EU ein ähnliches politisches Erdbeben ausgelöst wie der Brexit.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen gratulierte Macron via Twitter. "Für unsere gemeinsame europäische Zukunft in Frieden und Einigkeit – meine herzlichen Glückwünsche an @EmmanuelMacron zu seiner Wiederwahl als Präsident Frankreichs!" Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) twitterte: "Herzliche Gratulation @EmmanuelMacron zur Wiederwahl! Diese ist ein starkes pro-europäisches Signal. Ich freue mich auf die Fortsetzung unserer guten Zusammenarbeit, insbesondere im Rahmen der französischen Ratspräsidentschaft! #EU2022FR".

Der Sieg von Emmanuel Macron wurde als gutes Zeichen für die europäische Einheit interpretiert.
© THOMAS COEX

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) gratulierte Macron und schrieb in einem Statement gegenüber der APA: "Die Wahl in Frankreich ist ein positives Signal für die Zukunftsfähigkeit der EU und zugleich Auftrag. Gerade jetzt müssen wir in wichtigen europäischen Fragen – von der Sicherheits- und Energiepolitik bis zur Westbalkanerweiterung – vorankommen und intensiv zusammenarbeiten."

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner schrieb: "Ich bin froh, #Frankreich weiter an der Seite Europas zu wissen, wenn es darum geht, die großen Zukunftsaufgaben zu meistern. Ein auch für uns wichtiges Votum heute in Frankreich. Europa atmet auf." Hocherfreut zeigt sich auch NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger. "Der Sieg von Emmanuel Macron ist ein Sieg für die Freiheit und für Europa", schrieb sie. NEOS-Nationalratsabgeordneter Helmut Brandstätter twitterte: "Soulagé: Also erleichtert. Aber 42 Prozent der Wähler_innen in Frankreich haben eine Rechtsextreme gewählt, die gemeinsam mit dem Kriegsdiktator Putin Europa zerstören will. Da hat Macron einiges zu tun."

"Starkes Bekenntnis der Franzosen zu Europa"

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz gratulierte Macron und erklärte auf Twitter, die Franzosen hätten "ein starkes Bekenntnis zu Europa gesendet". In einem ungewöhnlichen Schritt hatte Scholz zusammen mit den Regierungschefs Spaniens und Portugals die Franzosen zur Wiederwahl opa gesendet". In einem ungewöhnlichen Schritt hatte Scholz zusammen mit den Regierungschefs Spaniens und Portugals die Franzosen zur Wiederwahl Macrons aufgerufen.

EU-Spitzen erleichtert über Wiederwahl Macrons

Mit Erleichterung haben europäische Spitzenpolitiker auf die Wiederwahl des französischen Präsidenten Emmanuel Macron reagiert. EU-Ratspräsident Charles Michel gratulierte Macron am Sonntagabend im Onlinedienst Twitter zu seinem Sieg gegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen. "In diesen stürmischen Zeiten brauchen wir ein starkes Europa und ein Frankreich, das sich voll und ganz für eine souveränere und strategischere Europäische Union einsetzt", schrieb Michel.

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Europaparlaments-Präsidentin Roberta Metsola gratulierten Macron auf Twitter. Von der Leyen betonte, sie freue sich auf die Fortsetzung der "ausgezeichneten Zusammenarbeit" mit Macron. "Gemeinsam werden wir Frankreich und Europa voranbringen", betonte sie.

Auch mehrere Regierungschefs von EU-Staaten gratulierten Macron rasch nach den ersten Hochrechnungen. Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi erklärte, Macrons Sieg sei eine "großartige Nachricht für ganz Europa".

Der belgische Regierungschef Alexander De Croo twitterte, die Franzosen hätten sich mit Macron "für die Werte der Aufklärung" entschieden. Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis sprach von "einem wichtigen Sieg für Frankreich, für Europa, für die Demokratie".

Im Europaparlament gab es auch kritische Stimmen: Der CSU-Politiker und Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, schrieb auf Twitter, die ersten fünf Jahre unter Macron hätten Populisten und Extreme stärker gemacht als je zuvor. "Macron ist wiedergewählt, sein politisches Konzept ist gescheitert", betonte Weber. Der europäische Grünen-Sprecher Rasmus Andresen nannte das gute Abschneiden der Rechtspopulistin Marine Le Pen einen "Warnschuss für ganz Europa".

Der britische Premierminister Boris Johnson bezeichnete indes Frankreich nach der Wiederwahl Macrons als engen Partner seines Landes. "Ich gratuliere zur Wiederwahl als Präsident Frankreichs, Emmanuel Macron", schrieb Johnson am Sonntagabend auf Twitter und hängte seine Glückwünsche auch in französischer Sprache an.

"Frankreich ist einer unserer engsten und wichtigsten Verbündeten. Ich freue mich darauf, weiterhin gemeinsam an den Themen zu arbeiten, die unseren beiden Ländern und der Welt am wichtigsten sind", so Johnson.

Auch EU-Ratspräsident Charles Michel gratulierte Macron. "In diesen stürmischen Zeiten brauchen wir ein starkes Europa und ein Frankreich, das sich voll und ganz für eine souveränere und strategischere Europäische Union einsetzt", schrieb Michel. Die EU könne nun fünf weitere Jahre auf Frankreich zählen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Europaparlaments-Präsidentin Roberta Metsola gratulierten ebenso wie US-Präsident Joe Biden: Er freue sich auf die Weiterführung einer engen Kooperation etwa bei der Unterstützung der Ukraine, der Verteidigung der Demokratie und beim Kampf gegen den Klimawandel, so der Staatschef.

📽️ Video | Journalistin Joëlle Stolz zur Frankreich-Wahl

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gratulierte via Twitter, indem er Macron als "wahren Freund" bezeichnete. Er bedankte sich für die Unterstützung im Kampf gegen den Angriffskrieg Russlands auf sein Land.

Es ist das erste Mal seit der Wiederwahl von Jacques Chirac 2002, dass ein französischer Präsident im Amt bestätigt wurde. Chiracs Nachfolger Nicolas Sarkozy und François Hollande waren nur für eine Amtszeit gewählt worden.

Polizei in Paris schoss auf verdächtiges Auto: Zwei Tote

Polizisten haben am Abend der Präsidentenstichwahl im Zentrum der französischen Hauptstadt Paris auf ein Auto geschossen, das versucht haben soll, sie zu rammen. Dabei wurden zwei Insassen des Fahrzeugs getötet und ein dritter verletzt, wie die Nachrichtenagentur AFP in der Nacht auf Montag aus Polizeikreisen erfuhr. Demnach wollten die Beamten das Auto kontrollieren, weil es auf der Brücke Pont Neuf in falscher Richtung fuhr.

Anstatt zu stoppen, soll der Fahrer auf die Polizisten zugesteuert sein. Daraufhin eröffneten die Beamten das Feuer. Polizei und Staatsanwaltschaft waren mit einem Großaufgebot an Ort und Stelle. Auf dem Boden lag ein mit einer weißen Leintuch bedeckter Körper. Die Kriminalpolizei ermittel wegen "versuchter vorsätzlicher Tötung von Personen, die Träger der öffentlichen Gewalt sind".

Ein ägyptischer Tourist, der sich nach eigenen Angaben auf der Terrasse eines Hotels in unmittelbarer Nähe der Pont Neuf befunden hatte, berichtete der Nachrichtenagentur AFP, er habe vier Schüsse gehört. "Als ich hinschaute, sah ich einen Mann, der zehn bis fünfzehn Meter rannte. Dann brach er zusammen. Offenbar war er nicht der Fahrer, sondern ein Beifahrer."

Die Pont Neuf befindet sich in der Nähe des berühmten Louvre-Museums. Sie überspannt die Seine-Insel Île de la Cité, auf der sich unter anderem die Kathedrale Notre-Dame befindet. Der Tatort ist rund zwei Kilometer Luftlinie vom Champs de Mars mit dem Eiffelturm entfernt. Dort hatten am Sonntagabend zahlreiche Anhänger von Präsident Emmanuel Macron dessen Wiederwahl gefeiert. Macron hatte wenige Stunden vorher am Fuß des Eiffelturms eine Rede gehalten.

Der französische Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon bezeichnete die Wahlniederlage Le Pens als eine "gute Nachricht für die Einheit unseres Landes". Macron sei jedoch "der Präsident mit dem schlechtesten Ergebnis der fünften Republik", sagte Mélenchon. "Er surft auf einem Meer von Nichtwählern und Enthaltungen", betonte er.

Mélenchon galt in der Stichwahl als Königsmacher, nachdem er in der ersten Runde mit 22 Prozent auf den dritten Platz gekommen war. Er hatte dazu aufgerufen, keine Stimme für Le Pen abzugeben, aber auch nicht explizit zur Wahl von Macron aufgerufen.

Der rechtsextreme Ex-Präsidentschaftskandidat Eric Zemmour rief zu einer Koalition der Nationalisten auf. "Wir müssen die Streitereien vergessen und uns zusammenschließen", sagte er in Paris. Dabei sehe er die führende Rolle bei seiner Partei Reconquête! (Wiedereroberung). Zemmour hatte Le Pen im Wahlkampf zeitweise überholt, landete im ersten Wahlgang jedoch mit sieben Prozent auf dem vierten Platz.

In der Stichwahl waren knapp 49 Millionen Wähler aufgerufen, zwischen Macron und Le Pen zu entscheiden. Der 44-jährige Macron und seine Frau Brigitte gingen in Le Touquet am Ärmelkanal zur Wahl. Die 53-jährige Le Pen gab in ihrer nordfranzösischen Hochburg Henin-Beaumont ihre Stimme ab. (APA/AFP/dpa)

Verwandte Themen