„Weil das Klatschen nicht reicht“: Regierung präsentiert Pflegereform
Gesundheitsminister Rauch präsentierte mit den Klubchefs der Regierung die lange erwartete Pflegereform. Mehr Geld für Angestellte, Bonus für die Pflege-Ausbildung.
Von Michael Sprenger
Wien – Die Koalition zeigt sich erleichtert. Sie konnte am Donnerstag die Eckpunkte der Pflegereform vorlegen. Darauf wurde schon lange gewartet. Nach den Vorarbeiten der grünen Minister Rudolf Anschober und Wolfgang Mückstein drückte nun Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch aufs Tempo. Das sagte er dann auch selbst: „Die Geschwindigkeit bei der Einigung trägt meine Handschrift.“
Rauch konnte also am Donnerstag gemeinsam mit ÖVP-Klubobmann August Wöginger und seiner Parteifreundin, der grünen Klubobfrau Sigrid Maurer, ein Maßnahmenpaket vorlegen. Pünktlich zum „Tag der Pflege“. Das Paket wiegt eine Milliarde Euro.
Die Reform kommt jetzt in die Begutachtung, und alle Punkte, die zu Mehrkosten führen, sind vorerst für zwei Jahre befristet. Und zwar deshalb, weil es zur langfristigen Finanzierung eine Einigung mit den Bundesländern benötigt. Doch man wollte nicht so lange warten. Der Bund geht in Vorleistung. Rauch machte klar, dass er rasch handeln wollte: „Das Motto war ‚Jetzt rasch‘ – weil mit Recht eingefordert wurde, rasch ins Tun zu kommen.“
Sigrid Maurer hob hervor, dass die Pflegerinnen und Pfleger während der Pandemie als Helden gefeiert wurden. Doch der Regierung war klar: „Klatschen alleine reicht nicht.“ Und ihr Gegenüber, ÖVP-Klubchef August Wöginger, bewertete sodann die Eckpunkte der Reform: „Ja, das ist eindeutig ein großer Wurf.“ Was plant also die Regierung?
Gut die Hälfte des Eine-Milliarde-Pakets geht auf für Gehaltserhöhungen für die Beschäftigten. Umgerechnet aufs Jahr soll jeder eine Lohnerhöhung im Umfang von einem Monatsgehalt bekommen.
Als weitere Verbesserung für Beschäftigte ist geplant, dass generell ab dem 43. Geburtstag zum Urlaub eine so genannte „Entlastungswoche“ gewährt wird.
Erweitert werden die Kompetenzen von Pflege- und Pflegefachassistenz: Sie dürfen künftig beispielsweise Infusionen anschließen und Spritzen geben.
Anreize sollen auch in der Ausbildung gesetzt werden. Laut Berechnungen wird bis zum Jahr 2030 in der Pflege ein Mehrbedarf von rund 100.000 Kräften erwartet. Man will für künftige Pflegerinnen und Pfleger werben. Neu-Einsteiger in den Pflegeberuf sollen während der Ausbildung künftig einen Zuschuss von 600 Euro im Monat erhalten. Umsteiger bzw. Wiedereinsteiger werden (während einer vom AMS geförderten Ausbildung) ein Pflegestipendium von mindestens 1400 Euro im Monat bekommen.
Als Modellversuch wird außerdem eine Pflegelehre eingeführt: Diese soll ab dem Schuljahr 2023/24 starten und nach sieben Jahren evaluiert werden, sagte Wöginger .
Auch die pflegenden Angehörigen werden berücksichtigt. Für sie wird ein Angehörigen-Bonus von 1500 Euro jährlich geschaffen – und zwar für jene Familienmitglieder, die den größten Teil der Pflege zu Hause leisten. Darüber hinaus wird der Rechtsanspruch auf Pflegekarenz für Angehörige von Pflegebedürftigen von einem auf drei Monate ausgeweitet.
Eine Erleichterung soll es für Pflegekräfte aus dem Ausland geben: Ausgebildete Fachkräfte werden die Arbeitserlaubnis (Rot-Weiß-Rot-Card) künftig einfacher erhalten. So fällt künftig etwa die Sprachüberprüfung weg.
Beim Pflegegeld wird es für Menschen mit schweren psychischen Behinderungen und für Demenzerkrankte eine Verbesserung geben. Der Wert des Erschwerniszuschlags wird von 25 auf 45 Stunden pro Monat erhöht, womit 20 Stunden zusätzlich pro Monat für die Pflege und Betreuung zur Verfügung stehen. Die erhöhte Familienbeihilfe wird nicht mehr auf das Pflegegeld angerechnet.
Verbesserungen sind auch bei der 24-Stunden-Betreuung geplant, konkret im Bereich der unselbstständig Beschäftigten. Hier werden die Details noch mit den Sozialpartnern ausgearbeitet. Das Modell der selbstständigen 24-Stunden-Betreuer soll davon unberührt bleiben und weiter möglich sein.
Reaktionen
„Inhaltlich bewerten wir die Reform zum Großteil positiv, viele Punkte unserer Forderungen sind enthalten“, sagt die Vorsitzende der GPA-Gewerkschaft Barbara Teiber.
„Die Zuschüsse für die Pflegeausbildung gelten für zwei Jahre. Das ist viel zu kurz. Damit ist keine Reform gemacht“, erklärt der SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch.
„Die Bundesregierung bleibt ihrer Inszenierungspolitik treu. Viele Überschriften, wenig Inhalt“, befindet die Sozialsprecherin der FPÖ Dagmar Belakowitsch.
Die NEOS-Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler erkennt „keinen Grund zum Jubeln. Denn die Zersplitterung der Pflegefinanzierung bleibt weiter bestehen.“
Der Wiener Sozialstadtrat Peter Hacker lobte, dass man „nach Jahren der Stagnation endlich wieder moderne sozialpolitische Töne aus dem Sozialministerium“ höre.
Der Caritas-Präsident Michael Landau erkennt vorab jene „Schwerpunkte wieder, die wir als Caritas seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten eingefordert haben“.
Die Präsidentin des ÖVP-Seniorenbundes Ingrid Korosec sieht den „Start einer Pflegereform, die auch eine nachhaltige Finanzierung und den Ausbau der mobilen Dienste mit einschließen wird“.