Deutschland

Mitregiert und abgestraft: Niederlagen für FDP bei Landtagswahlen in Deutschland

Neben dem populären FDP-Chef Christian Lindner verblassen alle anderen Kandidaten.
© imago

Nach zwei Wahlniederlagen binnen acht Tagen hadern die deutschen Liberalen mit sich. Sie konnten nicht von ihren Regierungsbeteiligungen profitieren. Was ist los mit der FDP?

Von Gabriele Starck

Berlin, Düsseldorf – Für die deutschen Liberalen ist derzeit nichts zu holen. Nach Schleswig-Holstein vor zehn Tagen musste die FDP auch bei der Landtagswahl am Wochenende in Nordrhein-Westfalen eine herbe Niederlage einstecken. Im nördlichsten Bundesland hatte sich ihr Stimmenanteil im Vergleich zu 2017 fast halbiert und im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW sogar mehr als halbiert. Dem nicht genug, sah es bei der ersten Hochrechnung am Sonntag schon fast nach einem Rausflug aus dem Landtag aus. In beiden Ländern war die FDP Koalitionspartner.

Es ist kein neues Phänomen, dass ein Juniorpartner eine Regierungsbeteiligung mit Stimmenverlusten bei der nächsten Wahl büßt, gerade die FDP kann ein Lied davon singen. In diesem Fall war es aber weniger Jamaika in Schleswig-Holstein oder Schwarz-Gelb in NRW, sondern vielmehr die Ampel im Bund, die den Absturz verursachte, erklärt Parteienforscher Uwe Jun von der Universität Trier: „Das Hauptproblem für die FDP zurzeit ist, dass ein Teil ihrer Wähler die Ampel nicht goutiert und sich von der Partei abgewendet hat.“ Ihrer Meinung nach mache die FDP der SPD und den Grünen gegenüber zu viele Zugeständnisse.

Ein weiteres Problem der Freien Demokraten ist laut Jun, dass die Partei fast ausschließlich auf ihren Vorsitzenden Christian Lindner ausgerichtet sei. 2017 war Lindner noch Spitzenkandidat in NRW, und der zweitbekannteste FDP-Mann, Wolfgang Kubicki, der Mann fürs Grobe, führte damals die FDP in Schleswig-Holstein in die Wahl. Die diesjährigen Listenführer jedoch seien trotz ihrer Ministerämter kaum bekannt gewesen.

Die Liberalen kämpfen seit Jahrzehnten mit dem ständigen Auf und Ab in der WählerInnengunst. Den letzten Ministerpräsidenten stellte die FDP Anfang der 50er-Jahre in Baden-Württemberg – sieht man von 2020 ab, als Thomas Kemmerich als Fraktionsführer der kleinsten im thüringischen Landtag vertretenen Partei mit Hilfe der rechtsnationalen AfD für drei Tage zum Chef einer nicht existenten Regierung gemacht wurde.

Auf Bundesebene waren 14,6 Prozent im Jahr 2009 das höchste der Gefühle für die FDP. Die Grünen konnten das im Herbst mit 14,8 Prozent knapp toppen.

Nun sind erstmals beide „Kleinen“ Teil der Bundesregierung. In Umfragen aber punkten nur die Grünen. Das liegt an den Themen, sagt Jun: „Die FDP hat drei Leitthemen – Freiheit, Finanzkompetenz und inzwischen auch die Digitalisierung. Keines davon ist annähernd so wählerwirksam wie die Klimapolitik.“

Bei Finanz- und Wirtschaftsthemen sei man immer in Konkurrenz zur Union. Selbst die Stimmen müssten sich die Liberalen mit der Union teilen. „Auch 2021 konnten wir Stimmensplitting feststellen“, erklärt Jun. Das heißt: Nur 55 Prozent jener, die der FDP ihre Zweitstimme gaben, haben mit der Erststimme auch den FDP-Direktkandidaten gewählt. Stattdessen sei das Kreuzchen oft beim Kandidaten der Union gelandet.

Zudem sei der Neoliberalismus bzw. Thatcherismus nicht mehr en vogue. Die Partei versuche, sich dem anzupassen, dürfe aber ihre Stammklientel nicht vergraulen und das heißt: Markt vor Staat.

Das Thema Freiheit hingegen sei ein Alleinstellungsmerkmal der FDP, sagt Jun. Freiheit müsse aber immer wieder neu definiert werden. Bei Corona sei das der FDP geglückt. Ein schmaler Grat, denn die meisten BürgerInnen hatten aus gesellschaftlicher Verantwortung und Solidarität die staatlichen Einschränkungen akzeptiert. Deshalb habe sich die FDP auch nur dort positioniert, wo es klar um Grundrechte gegangen sei, sagt Jun.

Ein Erfolgslauf, wie ihn die Grünen derzeit erleben, sieht Jun für die FDP in absehbarer Zeit nicht. Außer das Thema Freiheit brenne einmal so unter den Nägeln wie jetzt das Klima.

Verwandte Themen