Tiroler Erziehungswissenschafterin: „Spielen kennt kein Geschlecht“
Seit Dezember wird Spielzeugwerbung in Spanien geschlechtsneutral gestaltet. Die Regierung will damit zur Gleichstellung beitragen und mit Klischees aufräumen. Warum so ein Gesetz Sinn macht, erklärt eine Erziehungswissenschafterin.
Von Nicole Strozzi
Innsbruck –Mädchen lieben Pink und spielen mit Puppen. Buben mögen Blau und bevorzugen Autos. Dieses Geschlechterklischee ist in der menschlichen DNA bereits fix verankert.
Daraus entstanden sind zwei getrennte Kundenmärkte, ein „niedlich-süßer“, „verzauberter“ und „modischer“ für Mädchen und ein „actionreicher“, „heldenhafter“ und „starker“ für Jungen. Denn Marketingexperten wissen: Je differenzierter die Zielgruppen in Werbespots, Katalogen oder im Geschäft umgarnt werden, desto höher ist Umsatz.
In Spanien hat man Gendermarketing bei Kindern seit Dezember 2021 einen Riegel vorgeschoben. So sind unter anderem Etiketten verboten, die angeben, dass ein Spielzeug für ein bestimmtes Geschlecht bestimmt ist. Spielzeughersteller dürfen auch keine Werbung mehr produzieren, in denen beispielsweise nur Mädchen mit Puppen spielen und nur Buben mit Autos oder dem Technik-Set. „Wenn in der Werbung der Junge das Action-Spielzeug bekommt und das Mädchen das Baby, um das sie sich kümmern soll, sagen wir ihnen den Job und die soziale Stellung, die wir von ihnen erwarten“, sagt Alberto Garzón, Spaniens Minister für Verbraucherschutz. Spielsachen ohne Rollenklischees würden Buben und Mädchen hingegen freier machen.
Fragt man Eltern, was sie von diesem Gesetz halten, so fallen die Meinungen unterschiedlich aus. Die einen finden es übertrieben und sagen: „Meine Tochter braucht ihre mädchenhaften pinken Momente. Das heißt aber nicht, dass sie nicht trotzdem mit Autos und Actionfiguren spielt.“
Die anderen befürworten den Vorstoß der spanischen Regierung und halten es wie Alberto Garzón. Der sagt: „Spielen kennt kein Geschlecht.“
Auch Erziehungswissenschafterin Martina Gitzl-Zecha findet das Gesetz gut und bezeichnet es als „klares Signal“. Denn Gendermarketing nehme so viel Einfluss auf Kaufentscheidungen und in weiterer Folge auf die Rollenspiele, die so wichtig für die Entwicklung der Kinder sind. „Rollenspiele prägen die Bilder, wer wie zu sein hat“, erklärt Gitzl-Zecha, die Eltern-Kind-Gruppen im Ekiz Innsbruck in der Amraser Straße leitet.
Wenn z. B. die Barbie aussieht wie eine Fee oder eine Pflegerin, dann wird sie meist auch so bespielt und besprochen. Die Fähigkeiten dieser Figur werden also im Spiel vermittelt.
Die Barbie als „böse Hexe in Pink“ abzustempeln und komplett aus dem Kinderzimmer zu verbannen, ist aber nicht zielführend und nötig. „Barbies haben eine unendlich lange Geschichte, sie sind Teil einer großen Spiellandschaft“, sagt Gitzl-Zecha, selbst dreifache Mama. Kaum jemand wird einen Schaden von einem Barbiespiel davontragen oder weil er so gerne den Puppenkopf schminkt oder mit Superman spielt.
Die Frage ist nur: Was macht das Kind sonst noch alles? Wichtig sei, sagt die Innsbruckerin, dass es auch ein anderes Spielangebot gibt, also unstruktiertes Material, z. B. Sand, Erde, Reifen oder Kugelbahnen, Bauernhöfe, Knete und Spielzeug in neutralen Farben.
Auch in Kindergärten oder Kindergruppen gehe man längst weg von der Devise: Dort ist die Küche für Mädchen und da die Werkbank für Buben. „Man schaut, dass die Kinder in offenen Räumen spielen, und bietet geschlechtsneutrales Material an“, erklärt die Ekiz-Gruppenleiterin.
Nichtsdestotrotz könne man nicht leugnen, dass es geschlechtliche Unterschiede gibt und wir mit bestimmten Hormonen auf die Welt kommen. Kinder sind von gewissen Dingen und Figuren fasziniert – selbst dann, wenn die Eltern diese Begeisterung gar nicht forcieren.
„Studien belegen, dass schon Buben im Babyalter von der Rotation angezogen werden“, sagt Gitzl-Zecha. Diese Leidenschaft werde dann auf Autos umgelegt. Andere Studien zeigen wiederum, dass Mädchen bereits als Neugeborene Gesichter besser erkennen können und daher womöglich eher eine soziale Ader haben. Das wäre an sich etwas Gutes. „Leider sind soziale Berufe schlechter bezahlt“, sagt Gitzl-Zecha. Aber das sei ein anderes Problem, und zwar ein gesellschaftliches.
Vor einer Geschlechter-Identitätskrise bräuchten sich Eltern jedenfalls nicht zu fürchten. Wenn sich der Bub als Fee verkleidet oder mit der Puppe spielt, sei das ganz normal“, weiß die Erziehungswissenschafterin.
Im Endeffekt sollte man sich als Erwachsener von stereotypem Denken befreien. Außerdem sind es nicht nur die Kinder, die sich von der Werbung einlullen lassen.
Wenn man heute als Elternteil einen Spielzeugladen betritt, wird man vom Angebot beinahe erschlagen. Die rosa-glitzernde Welt für Mädchen, klare Metalltöne für Jungen, dazwischen – um fair zu bleiben – auch eine riesiges Angebot an neutralem Spielzeug.
Letzten Endes sind die Eltern dafür verantwortlich, was gekauft wird und welche Bilder vermittelt werden. Gitzl-Zecha weiß: „Die größte Vorbildwirkung haben nicht Puppen oder Action-Helden, sondern immer noch Erwachsene.“