Mahler über Romy Schneider: Wenn in Sans-Souci der weiße Flieder blüht
Nicolas Mahler legt zum 40. Todestag von Romy Schneider ein sehr schönes und witziges Buch über die Schauspielerin und ihre Filme vor.
Innsbruck – Am Sonntag jährt sich der Tod von Romy Schneider zum 40. Mal. Gerade einmal 43 ist die Schauspielerin geworden. Ihr Tod, die Schicksalsprügel davor – der Sohn stirbt bei einem Unfall, der Ehemann entleibt sich –, aber auch der frühe Ruhm als Kindkaiserin des Heimatfilms, die baldige Befreiung vom Kindkaiserinnenkitsch und das ganze Gerede und Geschreibe darüber, über unglückliche Lieben, verfluchte Franzosen und Stimmungsaufheller, haben Schneider zum sentimentalen Mythos und zum Gegenstand küchenpsychologischen Klatsches werden lassen. Doch all das spielt in Nicolas Mahlers neuem Romy-Schneider-Buch kein Rolle. Manchmal schimmert Schicksalhaftes durch, doch Mahler hält es eher mit Annie Girardot, die er am Ende auch zitiert: „Romy ist die rätselhafteste Persönlichkeit, die ich je getroffen habe.“
Der Wiener Comic-Zeichner, Spezialist für die Spezialfälle des literarischen Kanons – er hat Thomas Bernhard, Musil und Joyce in Comics übersetzt, ein Arno-Schmidt-Band ist angekündigt –, erliegt dem Reiz des Rätselns nicht. Er spekuliert nicht, sondern schaut auf das, was vom Mythos gern überstrahlt wird, auf die Filme nämlich, in denen Schneider mitgespielt hat. 58 hat sie zwischen 1953 („Wenn der weiße Flieder wieder blüht“) und 1982 („Die Spaziergängerin von Sans-Souci“) gedreht. Jedem widmet Mahler eine Doppelseite: ein großes Bild rechts und links lakonisch-lustige Informationen samt Kleinstkarikaturen der charakterköpfigsten Co-Stars: Helmut Berger mit feuerroten Ludwig-Lippen, Delon, Montant und – évidemment – Michel Piccoli. Mahlers Zeichnungen sind großartig: In wenigen, breiten Strichen gelingen ihm Bilder, die den Filmen, ihren Figuren und Stimmungen gerecht werden: Der sterile Bombast der ganzen Königinnen- und Kaiserinnen-Filme, die das Wirtschaftswunderland die jüngere Vergangenheit vergessen lassen sollten, die rauchig-verrauchte Eleganz französischer High-End-Melos à la „Die Dinge des Lebens“ (1970), der wackelige Charme von Euro-Extravaganzen wie „Blutspur“, in der alles mitspielte, was 1979 Rang und Schulden hatte.
Fast noch schöner als die Zeichnungen sind die Dialoge, die sich Mahler beim Neuanschauen der Filme notiert hat – und die er als witzige wie treffende Kürzestzusammenfassung anführt. Überhaupt ist dieses „Romy Schneider“ ein sehr witziges Buch. Es führt buchstäblich kunstvoll vor, dass man sehr witzig sein kann, ohne sich über etwas lustig zu machen. Und über Romy Schneider schon gar nicht. (jole)
Filmbuch Nicolas Mahler: Romy Schneider. Alle Filme neu angeschaut und gezeichnet von Mahler. btb, 125 Seiten, 12,40 Euro.