Weiter Aufregung um Beutegreifer in Tirol, Geisler auf Wolfs-Tour in Brüssel
Bärenattacke in Tarrenz und Wolfsrisse in Anras bzw. Matrei i. O. sorgen für Aufregung.
Tarrenz, Anras, Matrei i. O. – Ein großer Beutegreifer hat offensichtlich von Sonntag auf Montag im Bereich der Hinterbergalm im Tegestal zugeschlagen und sechs Schafe unterschiedlicher Besitzer gerissen. Ein siebentes, schwerst verletztes Tier musste getötet werden. Auch auf Almen in Anras und Matrei in Osttirol entdeckten die Besitzer gerissene Schafe: Sieben an der Zahl, zahlreiche weitere Tiere werden noch vermisst. „Im Rahmen der amtstierärztlichen Begutachtungen wurde jeweils der konkrete Verdacht auf ein Großraubtier als Verursacher festgestellt“, meldete das Land Tirol gestern.
In Tarrenz jedenfalls herrscht große Aufregung. „Die Angst und Verzweiflung unter den Schafbauern ist relativ groß“, sagt BM Stefan Rueland. Die Spuren und das Rissmuster würden nach seinen Informationen auf einen Bären hindeuten. Montagfrüh war ein Landwirt, der erst am Tag zuvor seine Tiere ins Tal getrieben hatte, auf die ersten fünf Schafskadaver gestoßen. Ein sechstes totes Schaf wurde gegen Abend von anderen, alarmierten Bauern gefunden, die Nachschau hielten. „Viele andere Tiere waren total verängstigt und sind auf Felswände geflüchtet, von wo sie nicht mehr herunterkommen und zu verhungern drohen“, schildert der Bürgermeister die Situation im Bereich der Alm, auf der den Sommer über gut 1000 Schafe und Ziegen weiden.
Unterdessen versucht LHStv. Josef Geisler, in Brüssel das Bewusstsein für die besondere Tiroler Problematik zu schärfen. Die ARGE Alp hat bekanntlich unter dem Tiroler Vorsitz eine Allianz für ein länderübergreifendes Wolfsmanagement geschmiedet. Jetzt will Geisler Nägel mit Köpfen machen: „Auf Landesebene haben wir alle Handlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Ohne Brüssel kommen wir in Sachen Wolfsmanagement keinen Schritt weiter.“
Bei den Gesprächen mit hochrangigen Vertretern der EU-Umweltkommission ging es im Kern um die Sondersituation der Almwirtschaft in Tirol sowie die Forderung nach einer länderübergreifenden Betrachtung der Wolfspopulation und damit des Erhaltungszustands. Letzterer ist von großer Bedeutung, wenn es um die Möglichkeit der Bejagung des Wolfs geht.
„Aus fachlicher Sicht hat der Wolf in Europa insgesamt und auch in den einzelnen biogeographischen Regionen wie den Alpen einen günstigen Erhaltungszustand erreicht. Die verschiedenen Teilpopulationen sind über Wanderungen genetisch miteinander vernetzt“, führt Walter Arnold, ehemaliger Leiter des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien, aus. „Der Wolf kennt keine Grenzen. Deshalb macht eine nationalstaatliche Betrachtung der Population keinen Sinn“, verweist auch Geisler auf die ARGE-Alp-Initiative zum länderübergreifenden Wolfsmanagement.
Tirol will in Brüssel gemeinsam mit den Alpenländern an harten Brettern bohren, versichert Geisler: „Wir legen unsere Position dar und untermauern diese mit Fakten. Einmal mehr habe ich EU-Kommissar Virginijus Sinkevicius im Namen von LH Günther Platter eingeladen, im Sommer nach Tirol zu kommen und sich ein Bild vor Ort zu machen.“
Die Bauern in Tarrenz stehen indes vor ganz anderen Problemen. Sie haben im Tal zu wenig Futter für die Tiere, und in der Unterbringung auf anderen Almen, etwa im Ötztal, sieht BM Rueland keine Alternative: „Uns sind derzeit die Hände gebunden – und keiner hat eine Lösung.“ (TT, pascal, mz)