Tri tra trallala in der Wiener Staatsoper: Monteverdis Orfeo ist da!
Oper wie Kindergeburtstag: Die Wiener Staatsoper verspielt sich drollig bunt mit dem Musiktheater-Initialstück „L’Orfeo“.
Von Stefan Musil
Wien – Am Tag, als die Pride-Parade an der Oper vorbeizog, sendete der um Erneuerung und Verjüngung bemühte Direktor Bogdan Rošcˇić versöhnlichste Signale an das traditionell sehr traditionelle Wiener Publikum. Mit einer Inszenierung, der sogar die Aussöhnung mit der Ära seines Vorgängers gelingt. Auch dort war viel unverbindliche Fröhlichkeit und einfachste Regiehandarbeit zu erleben. Alles happy, schon beim Reinkommen, wenn sich im Zuschauerraum, der auch als Spielplatz dient, die ersten Hochzeitsgäste des erstmals hier gezeigten „L’Orfeo“ tummeln, während sich die anderen auf der Bühne aufwärmen.
Am Programmzettel steht: „Herzlich willkommen zur Hochzeit!“ Im Bühnenhintergrund ist der Zuschauerraum projiziert. Ja, wir sind dabei, bei der Hochzeit des Jahres!
Auf der Bühne ist schon alles dekoriert, mit geflochtenen Tieren wie aus dem Gartencenter, nur viel, viel größer. Dazu sitzen Leuchtkugeln in toten Bäumen. Nymphen mit bunten Bollenhauben sind sicher Pride-Mädels aus dem Schwarzwald, die Rotwild-Buben mit Geweih hat wohl der britische Regisseur Tom Morris von der Insel mitgebracht und die anderen schauen aus, als ob Vivienne Westwood auf dem Weg zum Punk ins Kinderzimmer abgebogen wäre.
Eine total junge Hochzeitsgesellschaft aus Chorakademie, Jugendkompanie der Ballettakademie und Europaballett St. Pölten, dazu lauter junge Solisten, wuselt herum.
Das Brautpaar, Orfeo, Georg Nigl, der, im infantilen Blümchen-Anzug, nach dem Caronte von Wolfgang Bankl wohl Zweitälteste, und seine Euridice, die wunderbare Slávka Zámecˇníková, stimmlich von einem anderen Stern, sind auch schon da. Dann die Toccata, und nachdem Kate Lindsey als aufgedonnerte Ballmutter in der Rolle der Musica alle begrüßt hat, geht es schon los mit Ringelreigen, Hopsassa und Trallala. Bis Euridice die falsche Partydroge schluckt und stirbt. Dann ist erstmals großes Weh, mit dem man – ungewöhnlich für den kurzen „Orfeo“ – in eine Pause geschickt wird.
Danach geht’s in die Unterwelt. In der Deko der fahrlässig fantasiebegabten Anna Fleischle befindet sich die unter der Grasnarbe des sich hebenden Festackers.
Dort wuseln die Geister bewegungschoreographiert wie Termiten herum, doch bei Orfeos Klagegesang packt sie alle, auch Pluto (Andrea Mastroni) und Proserpina (Christina Bock), erbarmungslos das Erbarmen. Der Schmerz hat längst allen Balsam aus Georg Nigls Stimme getrieben, einzig bebend flackerndes Espressivo ist geblieben, bis er mit seiner Euridice im Flechtkranz liegend von Apollo in die ewigen Jagdgründe geschickt wird.
Das rührt auch das Publikum zur Begeisterung. Pauschal wird gleich alles mitbeklatscht, das unterbesetzte Sängerensemble, die Wohlfühl-Nichtregie und der unter Pablo Heras-Cassado Monteverdi üppig auszierende Concentus Musicus Wien.
Ein letztes Mal gibt’s Rund- und Schwerttanz, dann kann das Publikum im Nachthimmel selbst nach dem Sternbild der beiden, der Leier, suchen. Falls es noch sehen kann, vor lauter Buntheit.