Platter zu Rückzug: „Mit 68 Jahren tut man sich das nicht mehr an“
Wirtschaftslandesrat Anton Mattle wird Nachfolger von Günther Platter an der VP-Parteispitze und LH-Kandidat für die kommende Wahl. Für Platter sei der richtige Zeitpunkt für die Weichenstellung gekommen. „Es ist einmal genug", sagte er. Auch Drohungen gegen ihn und seine Familie hätten eine Rolle gespielt.
Innsbruck – Nun ist es fix: Der Landesparteivorstand der Tiroler Volkspartei hat am Montag Wirtschaftslandesrat Anton Mattle einstimmig als Landeshauptmann-Kandidat für die kommende Landtagswahl nominiert. Zudem entschied die ÖVP ebenfalls einhellig, dass früher und nicht wie vorgesehen erst im Frühjahr 2023, gewählt werden soll. Wunschtermin ist der 25. September.
Während sich die meisten anderen Parteien nach dem angekündigten Rückzug von Platter und dem schwarzen Vorstoß für eine Neuwahl im Herbst aussprechen, zeigt sich der Koalitionspartner Grüne noch sehr skeptisch. Man wolle bis zum regulären Termin im Frühjahr 2023 weiterarbeiten, sei aber bereit für Gespräche und Verhandlungen, sagte Klubobmann und Spitzenkandidat Gebi Mair.
Diese Gespräche würden sicher noch die nächsten Tagen andauern. Angesprochen auf eine bestehende Mehrheit für eine Neuwahl im Landtag, erinnerte Mair daran, dass es für einen Neuwahlantrag der ÖVP der Zustimmung des Koalitionspartners Grüne bedürfe. Mair und die Öko-Partei wollen offenbar für eine Zustimmung einiges herausverhandeln: Man werde sich das Regierungsübereinkommen anschauen und sei "gewillt, es abzuarbeiten".
Man sei "gewählt, um zu arbeiten", spielte Mair etwa auf notwendige Maßnahmen gegen die Teuerung, das Voranbringen der Energiewende sowie Themen wie Parteienfinanzierung und Wahlkampfkostenobergrenze an. Man fühle sich jedenfalls dem Koalitionsabkommen verpflichtet. Mair und seine Listenzweite Petra Wohlfahrtstätter waren sehr bemüht, die Grünen als stabile Kraft zu betonen. Der Rückzug von Platter war für den Klubobmann "absehbar", wie er einmal mehr betonte.
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Rückzug von Platter nach 14 Jahren
LH Günther Platter hatte angekündigt, nach 14 Jahren nicht mehr antreten zu wollen. Bei einer Pressekonferenz sagte er zu seinem Schlussstrich: „Es ist einmal genug".
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Nach Gesprächen mit Familie, Freunden und Weggefährten sei er zum Entschluss gekommen, „dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, die richtigen Weichen zu stellen". Bis zur Landtagswahl will Platter aber im Amt blieben. Der nächste Landeshauptmann sollte „mindestens fünf Jahre im Amt bleiben. Das ist sich bei mir nicht ausgegangen", führte er die Gründe für sein überraschendes Ausscheiden an, nachdem er noch im Vorjahr seine Kandidatur bekräftigt hatte.
Platter über Morddrohungen und Anfeindungen
Vor allem nach der Landeshauptleute-Konferenz am Achensee im vergangenen November, bei der die Impfpflicht und ein weiterer Lockdown beschlossen worden waren, sei er mit "Drohungen, sogar mit Morddrohungen gegenüber meinem persönlichen Umfeld" konfrontiert gewesen. Es habe sogar einen Autokorso von Innsbruck nach Zams - Platters Heimatgemeinde - gegeben. "Die Polizei hat alles abgeriegelt", aber dies sei für die Familie belastend gewesen, berichtete Platter. "Mit 68 Jahren tut man sich das nicht mehr an", verdeutlichte der Landeshauptmann seine Entscheidung.
Die vergangenen Monate hätten ihn "nachdenklich gemacht". Man habe gesehen, wie herausfordernd Politik sei. Platter sprach von Anfeindungen, Beleidigungen und Drohungen: "Ich möchte keinen Tag missen. Aber ich möchte den ein oder anderen Tag kein zweites Mal erleben". Platter rekapitulierte einschneidende Ereignisse der vergangenen zwei Corona-Jahre wie das Aus für die Wintersaison oder jenen 15. März 2020, an dem er in einer Videobotschaft Verkehrsbeschränkungen verkündet hatte. Zwei Wochen hatte er daraufhin im Landhaus übernachtet, das Bild der leeren Maria-Theresienstraße vom Balkon aus werde er nie vergessen.
📽️ Video | Landeshauptmann Platter gibt Rückzug bekannt
Die grünen Personalrochaden oder die ÖVP-Bundesaffären seien nicht ausschlaggebend für seine Entscheidung gewesen. Mattle sei der "richtige Mann zur richtigen Zeit und vor allem "authentisch". Er werde ihn im Wahlkampf tatkräftig unterstützen: "Es braucht Verlässlichkeit, Glaubwürdigkeit und Stabilität". Darüber hinaus zählte Platter die aus seiner Sicht zahlreichen Erfolge seiner 14 Jahre als Landeshauptmann auf. LH sei seine "schönste Aufgabe" in 36 Jahren Politik gewesen.
Mattle über künftige Aufgabe: "Ich bin stolz darauf"
Mattle machte klar, dass er keinesfalls nur ein Übergangslandeshauptmann sein wolle. "Ich setzte das langfristig an", betonte er. Er sei schließlich "bekannt für Kontinuität". "Heute ist ganz ein spezieller Tag. Ich habe Nervosität im Körper", so der ehemalige Bürgermeister von Galtür. Platter sei vor kurzem auf ihn zugekommen und habe ihn gefragt, ob er sich dies vorstellen könne. Dann habe er einige Zeit gebraucht - schließlich sei Landeshauptmann und Landesparteiobmann schon eine "ganz andere Herausforderung" als seine bisherigen.
📽️ Video | Mattle von ÖVP einstimmig als LH-Kandidat in Tirol nominiert
Seine Familie trage seine Entscheidung mit. "Ich bin stolz darauf", meinte der 59-Jährige über seine zukünftige Aufgabe. Eine Umbildung des Regierungsteams werde es bis zu Wahl nicht geben. Es sei auch niemand auf ihn zugekommen und habe gesagt, dass er oder sie aufhören wolle.
Auf Koalitionsspekulationen für die Zeit nach der Wahl wollte er sich nicht einlassen. Mattle schloss keine Partei aus. Ebenso wollte sich der Wirtschaftslandesrat und Wirtschaftsbündler auf keine "Latte" hinsichtlich des Wahlergebnisses festlegen. Für den 9. Juli hat man einen Landesparteitag in Alpbach angesetzt, an dem der Oberländer zum Obmann gewählt werden soll. (TT.com, APA)
💬 Reaktionen zum Platter-Rückzug:
Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer:
„Für Günther Platter hat das Land Tirol stets oberste Priorität. Deshalb war seine Amtszeit als Tiroler Landeshauptmann von Beginn an vom großen Vertrauen der Tiroler Bevölkerung geprägt. Ob als Nationalratsabgeordneter, Landesrat, Minister oder Landeshauptmann: Günther Platter war und ist stets ein verlässlicher Partner. Er steht stets zu seinem Kurs, zur Volkspartei und dem Land Tirol. In seiner langen Amtszeit als Landeshauptmann und Landesparteiobmann hat Günther Platter sein Heimatbundesland und die Tiroler Volkspartei im positivsten Sinne geprägt. Für all seine Leistungen hat er sich den vollsten Respekt und großen Dank verdient. Ich bedanke mich auch für die hervorragende Zusammenarbeit und wünsche ihm nur das Beste für seine Zukunft. Ich bin sicher, Günther Platter wird der Volkspartei weiterhin freundschaftlich verbunden bleiben."
ÖVP-Klubobmann August Wöginger:
„In seiner langen politischen Laufbahn hat Tirols Landeshauptmann und Landesparteiobmann Günther Platter unterschiedlichste Funktionen und Ämter bekleidet und dabei stets sein hervorragendes Gespür für die Anliegen der Menschen bewiesen. Die Tirolerinnen und Tiroler konnten sich auf sein immer offenes Ohr für ihre Bedürfnisse und Anliegen verlassen. Seine aufrichtige Art und Handschlagqualität wurde von der Bevölkerung stets anerkannt. Ich bedanke mich bei Günther Platter für alles, was er in den vergangenen Jahrzehnten – sowohl auf Bundes- als auch Landesebene – geleistet hat. Im Namen des Parlamentsklubs der Österreichischen Volkspartei wünsche ich ihm alles Gute und Gesundheit.
Die Oppositionsparteien hingegen sahen im Rückzug Platters eine Flucht vor der drohenden Niederlage bei der anstehenden Landtagswahl.
- Für SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried zeigt Platters Rückzug, dass das Zutrauen in die Bundesregierung auch innerhalb der ÖVP schwinde - die Landeshauptleute würden Wahlniederlagen fürchten.
- NEOS-Vizeklubchef Gerald Loacker zeigte Verständnis dafür, dass Platter am Ende seiner politischen Laufbahn nicht mehr in eine Wahlniederlage gehen wolle. Den Nachfolger Anton Mattle wollte man seitens der NEOS nicht beurteilen.
- Platter sei es ob der "spannenden Causen" in Tirol wie beispielsweise dem Umzug der Tiroler Landesholding in eine Immobilie von Investor René Benko, den 853.000 Euro an Corona-Hilfsgeldern für die Jungbauernschaft oder den Skandal um hunderttausende unbrauchbare PCR-Tests offenbar "zu heiß" geworden, meint FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker. Deshalb trete er die "Flucht nach vorne an".