Kultur

"Jägerstätter" zurück in Tirol: Tödliche Überzeugung

Krisensitzung unterm Herrgottswinkel: Nicht umzustimmen ist der Jägerstätter (Bernhard Eberharter, l.).
© Haun

2013 setzte Felix Mitterer dem überzeugten Wehrdienstverweigerer Franz Jägerstätter ein Denkmal. Bei „stummer schrei“ hatte „Jägerstätter“ gestern Abend Premiere.

Von Barbara Unterthurner

Stumm – Keiner konnte ihn überzeugen. Nicht seine Frau, weder Bürgermeister noch Bischof. Denn der Jägerstätter war überzeugt. Überzeugt davon, dass es falsch ist, für „diese Verbrecher“ in den Krieg zu ziehen. Als einziger Bürger seiner Gemeinde St. Radegund hatte der Bauer gegen den Anschluss Österreichs an Nazideutschland gestimmt. Den Kriegsdienst hatte er später aus religiösen Gründen abgelehnt. Mit katholischen Werten war das, was an der Front und in Lagern geschah, nicht vereinbar. Auch wenn seine Überzeugung tödlich war. 1943 wurde Franz Jägerstätter von den Nazis in Berlin geköpft. Lange wurde dazu geschwiegen. 2007 wurde Franz Jägerstätter seliggesprochen.

Es ist jenes Stück, das Felix Mitterer nie schreiben wollte – und es dann doch schrieb. Schauspieler Gregor Bloéb war es, der ihn überzeugt hatte, es anzugehen; dem Jägerstätter auf der Bühne ein Denkmal zu setzen – mit ihm selbst in der Hauptrolle. Ein Erfolg wurde das Stück 2013 für beide. Bloéb erhielt den Nestroy als bester Schauspieler. Und als Gastspiel feierte der umjubelte „Jägerstätter“ ein Jahr später Tirolpremiere im Landestheater.

Mit der gestrigen Premiere in Stumm kehrt das Stück nach Tirol zurück, bei „stummer schrei“ steht der „Jägerstätter“ bis Ende Juli zwanzigmal auf dem Programm. Weil das Festival auch heuer nicht ohne Mitterer auskommen mag. Aus „Märzengrund“ wird „Jägerstätter“ – und Konrad Hochgruber bleibt gleich im Regiestuhl sitzen.

Entworfen hat Mitterer mit dem Stück ja weniger ein Passionsspiel als eine zarte Liebesgeschichte. Die beginnt bei der Generalprobe in Stumm nur nicht als solche. Obwohl es zwischen Franz (Bernhard Eberharter) und Theresia (Iris Unterberger) ordentlich vi-bed. Bald ist die kleine Hilde auf der Welt, geheiratet wird aber nicht. Denn die große Liebe liegt zumindest für Franz noch einige Stelldicheins mit anderen Frauen entfernt.

Bei Mitterer ist der Jägerstätter eben nicht nur ein Bauer, Weltverbesserer, Neinsager – nein, auch ein liebender Familienvater und ein quasi moderner Mann. Einer, der den Kinderwagen schiebt. An der Seite von Franziska (eine sensible Chiara Maria Rieser) wird der Weiberer zudem weich – eine Facettenvielfalt, die Eberharter im Stumm auch zu vermitteln weiß.

Nahe an die Figur rückt das Stück vor allem in Briefen zwischen Franz und Franziska. Einer, ihr letzter Austausch rahmt sogar die Bühne (Johannes Schlack) mit ihren vielen Schauplätzen. Durchzogen und getrennt ist Stube von Wirtshaus, Fabrik von Amtszimmer mit einem großen Kreuz. Weil über allem eben die Religion steht. Nur ist diese jetzt rot-schwarz eingefärbt – ein subtiles und starkes Zeichen in einem Stück, das von expliziter NS-Symbolik komplett absieht.

Im Geschehen selbst geht es weniger subtil zu. Rustikal ist nicht nur der klobige Stubentisch unterm Herrgottswinkel. Dabei ist Dialekt als Kunstsprache gar nicht gemeint. Die Atmosphäre aber, die zur Dramatik dieses Schicksals passt, bleibt in den 30 chronologisch aufgefädelten, in Stumm aber strikt getrennten Szenen weitgehend auf der Strecke. Zwischen Musik (Harald Oberlechner) und projizierten Szenezeichnungen (Charlotte Simon) gibt Hochgruber der Erzählung und den Figuren kaum Platz zur Entfaltung. Stattdessen rauscht die Erzählung auf das bittere Ende zu. Und damit im Grunde auch übers Ziel hinaus.

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