Gasspeicher füllen sich weiter nur langsam: Stand aktuell bei 45,6 Prozent
Weniger Gas als erhofft fließt derzeit in die Speicher Österreichs. Bis zum Winter sollen sie zu 80 Prozent gefüllt sein. Bereits heute beraten Energieministerin und Wirtschaftsminister mit Unternehmensvertretern. Am Dienstag tagt die Regierung zu dem Thema.
Wien, Kiew, Moskau – Angesichts zuletzt gesunkener Gas-Speicherraten berät die Regierung morgen, Dienstag, über die aktuelle Situation. Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) bezeichnete die Lage am Freitag als "ernst". Die Befüllung verlief zuletzt offenbar nicht nach Plan. Laut Daten der Gas Infrastructure Europe (GIE) liegt der Füllstand in Österreich momentan (Stand: 3. Juli) bei rund 45,6 Prozent – und ist damit im Vergleich zur Vorwoche nur ein leichtes Plus.
In den vergangenen Tagen flossen teilweise weniger als 100 Gigawattstunden (GWh) pro Tag in die Speicher, nachdem die täglichen Mengen im Juni großteils bei deutlich über 300 GWh gelegen waren. Am vergangenen Samstag betrug die Rate allerdings wieder rund 355 GWh, der Füllstand lag damit im Vergleich zum Vortag um 0,4 Prozent höher. Im Wochenabstand entspricht das mit rund 1,1 Prozent aber nur einer relativ geringen Steigerung.
Tirol über Speicher Haidach versorgt
Am meisten Gas füllt derzeit die OMV in ihre Speicher in Niederösterreich, in Tallesbrunn und Schönkirchen. Fast 63 der knapp 100 GWh am Freitag flossen etwa in diese beiden Gasspeicher. Aus dem Astora-Speicher in Haidach hingegen wurde laut AGSI Gas entnommen. Weiter leer ist der Speicher der Gazprom-Tochter GSA, der sich ebenfalls in Haidach bei Salzburg.
Der Gasspeicher Haidach ist aktuell nur an das deutsche, nicht aber an das österreichische Gasnetz angeschlossen, er spielt für die bayerische Industrie eine zentrale Rolle. Speicherunternehmen in Haidach sind die RAG AG sowie die Gazprom-Töchter GSA und Astora. Der Teil des Speichers, der der Gazprom-Germania-Tochter Astora gehört, wird befüllt, weil Gazprom Germania unter deutscher staatlicher Verwaltung steht. Um jenen von GSA ebenfalls befüllen zu können, hat Österreich das Gaswirtschaftsgesetz geändert.
Über Haidach und Deutschland werden auch Tirol und Vorarlberg mit Gas versorgt, da diese beiden Bundesländer nicht mit dem sogenannten Marktgebiet Ost, also dem Gasnetz in Ostösterreich, verbunden sind.
Noch Zehntausende Gigawattstunden ausständig
Bis zur Heizsaison peilt die Regierung eine Füllmenge von 80 Prozent der Speicherkapazität an. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen noch 32.900 GWh eingelagert werden. Man speichere derzeit so viel Gas wie möglich ein, sagte ein Sprecher der OMV am Montag. Derzeit liege der Speicherstand in den OMV-Speichern bei gut 71 Prozent.
Mit Blick auf die Liefermengen aus Russland schätzte man die Lage als stabil ein. Die Lieferungen seien zwar mit Mitte Juni zunächst um 30 Prozent, danach um bis 50 Prozent gesunken. Die Ausfälle könne man aber derzeit gut mit Zukäufen am Spot-Markt kompensieren, so der OMV-Sprecher. Dass es sich dabei allerdings um eine teure Alternative handelt, zeigen die Preisentwicklungen seit Beginn der Ukraine-Krise: Derzeit liegt der Preis für eine Megawattstunde (MWh) bei rund 152 Euro, vor einem Jahr waren es noch knapp 36 Euro gewesen.
Versorgung aktuell gesichert, noch keine Prognose für Winter
Wie es aus dem täglichen Lagebericht der Austrian Gas Grid Management AG (AGGM) hervorgeht, ist die Versorgungslage der Endkundinnen und Endkunden in Österreich aktuell gesichert. Der Bedarf werde dabei weiter vollständig aus Importen gedeckt. Auch nach Einschätzung der OMV ist die Versorgung momentan gewährleistet, zumal in der Sommersaison nicht geheizt werde. Außerdem müsse man bedenken, dass Österreich über vergleichsweise große Speicher verfüge. Eine Prognose für die Lage im Winter wollte der OMV-Sprecher jedoch nicht abgeben.
Schon am heutigen Nachmittag trifft Gewessler dem Vernehmen nach mit Unternehmensvertretern zusammen. Gemeinsam mit Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) soll – nicht medienöffentlich – über die aktuelle Lage und das weitere Vorgehen gesprochen werden, bevor morgen von der Regierung weiterberatschlagt wird.
Österreich hatte am 30. März die Frühwarnstufe des dreistufigen Gasnotfallplans ausgerufen. Deutschland rief vor zwei Wochen die Alarmstufe aus, nachdem Russlands Staatskonzern Gazprom Mitte Juni die Lieferungen nach Europa drosselte. Auch in Österreich steht die Ausrufung der Alarmstufe im Raum. Am Freitag hieß es aus dem Energieministerium, dass, sollte das Speicherziel gefährdet sein, "auch in Österreich die Alarmstufe ausgerufen" wird.
EVP-Fraktionschef Weber für EU-Sondergipfel
Der Partei- und Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, hat wegen der russischen Drosselung der Gaslieferungen einen EU-Sondergipfel gefordert. Bei dem Treffen sollten die Staats- und Regierungschefs eine europaweite Notfallversorgung im Herbst und Winter vorbereiten, sagte der CSU-Politiker dem Berliner Tagesspiegel am Sonntag. Der Gipfel solle verbindliche Maßnahmen für eine gerechte Gasverteilung" beschließen.
Die EU brauche einen "verbindlichen Mechanismus, dass die europäischen Gasspeicher gemeinsam bewirtschaftet werden", sagte Weber. Das in Europa ankommende Gas müsse gerecht verteilt werden, auch das Flüssiggas. Zudem werde eine Einkaufsgemeinschaft für Gas gebraucht: "Die Preise für die Verbraucher würden reduziert, wenn die EU gemeinsam einkauft" und nicht jedes Land für sich.
In Deutschland bereits zweite Warnstufe
Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte am 23. Juni die zweite Krisenstufe im Notfallplan Gas, die sogenannte Alarmstufe, ausgerufen. Der staatliche russische Energiekonzern Gazprom drosselte die Gaslieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 nach Deutschland bereits um 60 Prozent. Mitte Juli will Gazprom die Pipeline einer zehntägigen Wartung unterziehen. Was anschließend geschieht, ist offen.
Die Bundesnetzagentur befürchtet einen Totalausfall der russischen Gaslieferungen. Die Frage sei, ob aus der bevorstehenden regulären Wartung von Nord Stream 1 "eine länger andauernde politische Wartung wird", hatte Netzagentur-Chef Klaus Müller den Funke-Zeitungen in einem am Samstag veröffentlichten Interview gesagt. (TT.com, APA)