Europapolitik

Schallenberg und Karner in der Türkei: Normale Freunde in Ankara

„Überhaupt keine Probleme“: Innenminister Gerhard Karner und Außenminister Alexander Schallenberg mit den türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu und Süleyman Soylu.
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Wiederaufbau einer schwierigen Beziehung: Außenminister Schallenberg und Innenminister Karner sprachen in Ankara über Migration und Ukraine.

Von Wolfgang Sablatnig

Ankara – „Wir machen immer solche Scherze“: Die vier Minister, die gestern Mittag gemeinsam im türkischen Außenministerium auftraten, könnten fast vergessen machen, dass die Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei gerade erst wieder auf dem Weg zur Normalität sind. Außenminister Alexander Schallenberg und Innenminister Gerhard Karner (beide ÖVP) waren zu Gast bei ihren türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu und Süleyman Soylu. „Mit Österreich gibt es überhaupt keine Probleme“, hielt Cavusoglu fest – nur in der Vergangenheit habe es die gegeben, bei früheren Regierungen. Bei allen Unterschieden solle man aber doch bitte keine „Gegenpolitik“ führen.

Einer dieser Unterschiede ist der EU-Beitritt der Türkei – oder zumindest der faktische Start der Verhandlungen darüber. Österreich bremst. Nicht zuletzt diese Position führte dazu, dass österreichische Archäologen ihre Grabungen in der antiken Stadt Ephesos unterbrechen mussten und erst heuer wieder aufnehmen konnten.

Die Türkei blockierte auch das Bundesheer bei den Partnerprogrammen der NATO. Gestern hörte sich das bei Cavusoglu ganz anders an. Natürlich unterstütze die Türkei Österreich dabei. Vorige Woche hatte zudem Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan getroffen.

„Freund Alexander“, wie der Türke seinen Kollegen mehrfach nennt, begrüßt, dass die Kontakte wieder im Ausbau begriffen sind. Den ersten Schritt habe Ankara gemacht. Schon vor dem Treffen der vier Minister versucht Schallenberg aber, die Erwartungen nicht zu hoch zu schrauben. Von einer „Charmeoffensive“ oder einem „Kuschelkurs“ wollte er aber nicht sprechen, lieber von einer „Normalisierung“.

Und wo liegen die Unterschiede? „Wir wissen, dass Österreich gegen den Beitritt der Türkei zur EU ist“, sagt Cavusoglu. Die türkische Bevölkerung unterstütze dieses Ziel aber. Für problematisch hält er, wenn auf dem Rücken der Türkei in Österreich Wahlkampf gemacht werde.

Schallenberg kommt nach freundlichen Einleitungsworten schnell auf den Krieg in der Ukraine zu sprechen. Die Türkei sieht er dabei in einer „Scharnier-Situation“. Die Sanktionen gegen Russland unterstützt das Land nicht. Zuletzt haben türkische Behörden aber einen russischen Frachter festgesetzt, der mutmaßlich gestohlenes Getreide aus dem Kriegsgebiet transportierte. Die Türkei bietet sich auch als Ort für Verhandlungen an.

Ein konkretes Ergebnis des Treffens in Ankara ist eine engere Zusammenarbeit zwischen den Innenministern. Wichtigstes Thema dabei ist die Migration. In dem 83-Millionen-Einwohner-Staat Türkei leben rund 5 Millionen Migranten. 3,7 Millionen stammen aus Syrien, 500.000 aus Afghanistan.

Neun von zehn Flüchtlingen, die in Österreich um Asyl ansuchen, waren zuvor in der Türkei. „Diese Migranten waren schon recht lange davor in der Türkei“, berichtet Gerald Tatzgern, im Innenministerium zuständig für die Bekämpfung der Schlepperei. Sie haben meist schon längere Aufenthalte in einem Balkanstaat hinter sich.

Aus der Türkei selbst kommen im Moment nur wenige Flüchtlinge. „Die Türkei bemüht sich wirklich gegenzusteuern“, sagt Tatzgern. Das betont auch Innenminister Soylu. Und er berichtet von Versuchen, Menschen nach Syrien zurückzubringen.

Die Migration könnte auch im kommenden Wahlkampf in der Türkei Thema sein. Die Opposition rechnet sich Chancen gegen Erdogan und dessen AKP-Partei aus. Sie dürfte auf Ressentiments gegen Migranten setzen, die in der bisher sehr gastfreundlichen Türkei zunehmen.

Auch „Freund Alexander“ kommt am Thema Flüchtlinge nicht vorbei. Die EU und die Türkei haben im März 2016 den Flüchtlingspakt abgeschlossen, der mit zu einem Ende der damaligen Migrationsbewegung führte. Eine Erneuerung oder Verlängerung steht an. Cavusoglu bekräftigt die türkische Position, dass die EU nicht alle Gegenleistungen erfüllt habe. Das hatte Schallenberg bereits zuvor bei den österreichischen Medien zurückgewiesen.