Ausstellung in Innsbruck: Warum unser Boden kein Joghurt ist
Die vom Wiener Architekturzentrum gemachte Ausstellung „Boden für alle“ macht im Innsbrucker aut Station.
Von Edith Schlocker
Innsbruck – Tirol spielt in der seit rund eineinhalb Jahren durch Österreich tourenden Schau „Boden für alle“ keine allzu glorreiche Rolle. Ist hierzulande doch die Zahl der Zweitwohnsitze besonders hoch genauso wie die Bodenversiegelung oder die Preise für Grundstücke und Immobilien, besonders in Kitzbühel, dem in Sachen Bauen und Wohnen teuersten Pflaster österreichweit.
Konsequenz der Tatsache, dass Grund und Boden endlich und somit unendlich begehrt sind, was die Preise im freien Spiel von Angebot und Nachfrage explodieren lässt. Wie sorglos mit dieser sehr speziellen „Ware“ in den vergangenen Jahrzehnten umgegangen wurde bzw. die daraus erwachsenen Konsequenzen für unsere Städte und Dörfer, versucht die Schau – für die man viel Zeit mitbringen sollte – eindrucksvoll aufzuzeigen. Gibt es hier doch unendlich viel zu lesen, werden durch Zahlen und Fakten abstrakte Zusammenhänge greifbar gemacht, mit dem Ziel, aufzurütteln, bei jedem Einzelnen ein grundsätzliches Umdenken anzustoßen. Gleichzeitig werden sozusagen als optimistische Perspektive aber auch Alternativen aufgezeigt. Um anhand konkreter Beispiele etwa aus Dänemark, Deutschland oder der Schweiz vorzuführen, wie es möglich ist, mit der letztlich überall gleichen Problematik klüger umzugehen. Etwa in Basel, wo ein Mehrwertabgabenfonds einrichtet worden ist, der der Allgemeinheit zugutekommt.
Info
aut. architektur und tirol. Lois-Welzenbacher-Platz, Innsbruck; bis 22. Oktober, Di–Fr 11–18, Sa 11–17 Uhr
Die Ausstellung soll einerseits dazu animieren, das eigene Gewissen zu erforschen, richtet sich aber auch an die Politik. Um aufzuzeigen, wie sehr das aktuelle Steuerrecht die fatale Spekulation mit Grund und Boden noch befördert. Wodurch es etwa möglich ist, dass der Wert eines Grundstücks in Kitzbühel, wenn es von Grün- in Bauland umgewidmet wird, um satte 16.000 Prozent steigt.
Durch die Schau erfährt man aber auch von der Krux rund um die Raumplanung. Wo sehr viele mitreden und am Ende keiner schuld an den oft problematischen Ergebnissen bzw. deren Konsequenzen für unsere immer mehr zersiedelte Landschaft sein will. Zu lösen gilt es aber auch möglichst zeitnah das Paradoxon, dass es gleichzeitig zu viel und zu wenig Bauland gibt bzw. die Problematik, in bestehende Widmungen einzugreifen.
Dass viel Wunschdenken bei den Ausstellungsmachern im Spiel ist, liegt angesichts explodierender Mieten, erschreckend hoher Leerstandsquoten, ständig steigender Wohnflächen pro Person und noch immer an die Ortsränder geklotzter Einkaufszentren auf der Hand. Präsentiert in einer rosa Wolke, die dem, der es immer noch nicht kapiert hat, wohl klarmachen soll, dass Boden schlicht und einfach kein Joghurt ist. Also nicht beliebig vermehrbar, sondern Tausende von Jahren braucht, um zu einem solchen zu werden, wie eine Reihe von Bodenprofilen zeigen, die in ihrer Haptik die Flut an spröder Information erfrischend aufmischen.
Wer noch intensiver in das Thema einsteigen will, dem sei das zur Ausstellung erschienene Buch „Boden für alle“ wärmstens empfohlen.