Containerschiffe

Ungewöhnlich lange Schiffstaus auch in der Nordsee: Viele Güter stecken fest

Massive Schiffsstaus, hohe Transportkosten und daraus resultierende Lieferengpässe hemmen den Warenaustausch.
© IMAGO/BODE

Durch die Warteschlangen vor mehreren wichtigen Häfen – und etwa auch in der Nordsee – dürfte es noch länger Lieferprobleme im Welthandel geben. Auf dem Roten Meer sind gut 20 Prozent weniger Containerschiffe unterwegs als unter normalen Umständen zu erwarten wären.

Berlin – Die Staus von Containerschiffen in der Nordsee nehmen dem Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) zufolge in der Tendenz zu. "Über zwei Prozent der globalen Frachtkapazität stehen dort still und können weder be- noch entladen werden", sagte IfW-Experte Vincent Stamer am Mittwoch. Für die Nordsee sei dies "sehr ungewöhnlich". Auch vor den chinesischen Häfen von Shanghai und Zhejiang wächst die Warteschlange: Mehr als vier Prozent der globalen Frachtkapazität stecken hier fest.

"Ein Ende der Staus in der Containerschifffahrt ist derzeit nicht in Sicht", sagte Stamer. "Für Deutschland und die EU beeinträchtigt dies vor allem den Überseehandel, speziell mit Asien, woher etwa Unterhaltungselektronik, Möbel oder Textilien geliefert werden."

"Dauerproblem für den Einzelhandel"

Die deutschen Einzelhändler befürchten noch ein ganzes Jahr lang Lieferprobleme. Diese könnten bis Mitte 2023 anhalten, wie das Ifo-Institut bei seiner am Mittwoch veröffentlichten monatlichen Umfrage herausfand. 75,7 Prozent der Händler klagten im Juni, dass nicht alle bestellten Waren geliefert werden können. Im Mai waren es sogar 80,1 Prozent. "Auch in diesem Jahr wird es zu Weihnachten wieder Lücken in den Regalen geben", sagt der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. "Die Lieferprobleme sind zu einem Dauerproblem für den Einzelhandel geworden."

Auf dem Roten Meer - der wichtigsten Handelsroute zwischen Europa und Asien - sind dem IfW zufolge derzeit gut 20 Prozent weniger Containerschiffe unterwegs als unter normalen Umständen zu erwarten wären. So groß sei die Lücke zuletzt nach Ausbruch der Corona-Pandemie vor zwei Jahren gewesen. "Maßgeblich dafür könnte sein, dass sich die negativen Effekte des Lockdowns in Shanghai aufgrund der 40-tägigen Fahrt von China nach Europa nun erst zeigen", sagte Stamer. "Auch der Containerschiffstau in der Nordsee und eine zunehmende Bedeutung des Schienentransports auf der Neuen Seidenstraße reduzieren dort womöglich das Frachtaufkommen."

Trotz dieser Probleme zog der Welthandel im Juni im Vergleich zum Vormonat leicht an, wie aus dem Kiel Trade Indicator hervorgeht. "Aber massive Schiffsstaus, hohe Transportkosten und daraus resultierende Lieferengpässe hemmen den Warenaustausch, insbesondere mit Blick auf Europa", sagte Stamer. Für Deutschland zeigen die Werte einen Zuwachs bei den Importen an (+2,5 Prozent) und eine rote Null bei den Exporten (-0,1 Prozent).

Russland wendet sich Asien zu

Das Frachtaufkommen in russischen Häfen lässt dem IfW zufolge eindeutig auf den Versuch schließen, den wegen der kriegsbedingten Sanktionen verlorenen Handel mit Europa durch Asien zu substituieren. Im Ostseehafen St. Petersburg, wo Waren aus Europa ankommen, sei das Frachtaufkommen nachhaltig eingebrochen. In den übrigen, im Asien-Handel eingebundenen Häfen, erhole es sich dagegen etwas. "Allerdings können die Importe aus Asien bisher noch nicht den Handel mit Europa ersetzen", sagte Stamer. (APA/Reuters)