„Nichts zu besprechen": Lawrow sorgt bei G20-Treffen auf Bali für Eklat
Der russische Außenminister verließ nach seiner Rede den Sitzungssaal. Schon zum Auftakt gab es lautstarke Forderungen, den Krieg in der Ukraine zu beenden.
Nusa Dua, Moskau, Kiew – Beim G20-Treffen in Indonesien hat Russlands Außenminister Sergej Lawrow für einen Eklat gesorgt. Lawrow verließ den Saal gleich nach seiner Rede und hörte sich seine Kritiker gar nicht mehr an. Anschließend warf er dem Westen vor, den Übergang zu einer friedlichen Lösung des Konflikts in der Ukraine zu verhindern. Wenn die EU und die USA einen Sieg der Ukraine auf dem Schlachtfeld anstrebten, "dann haben wir wahrscheinlich mit dem Westen nichts zu besprechen", sagte er.
Russland sei aber bereit, mit der Ukraine und der Türkei über Getreide zu verhandeln, so Lawrow. Die Ukraine sollte die Blockade ihrer Häfen beenden, diese entminen oder eine Durchfahrt durch die Minenfelder gewährleisten", sagte der Außenminister. Danach würden Russland und die Türkei außerhalb des ukrainischen Hoheitsgebiets für die Sicherheit der Frachtschiffe sorgen, damit sie weiter ins Mittelmeer fahren könnten. Es sei aber unklar, wann solche Gespräche stattfinden könnten. In der Ukraine lagern Millionen Tonnen Getreide, die nicht exportiert werden können.
Rundumschlag gegen Sanktionen, Abreise nach Rede
Einmal mehr wies Lawrow Vorwürfe des Westens zurück, dass Russland durch seinen Krieg in der Ukraine die Weizenexporte verhindere und so die Lebensmittelsicherheit in der Welt in Gefahr bringe. Das ukrainische Getreide mache nur ein Prozent der Versorgung aus, sagte er. Zugleich kritisierte Lawrow, dass Russland wegen der Sanktionen des Westens sein eigenes Getreide nicht exportieren könne, weil etwa Schiffe nicht versichert würden oder keine ausländischen Häfen anlaufen könnten.
Im Saal saß Lawrow zwischen Vertretern aus Saudi-Arabien und Mexiko - weit weg von seinen schärfsten Kritikern aus den USA und Europa. Später sagte er, der Westen dränge die Ukraine dazu, für die Kämpfe "seine Waffen zu benutzen". Der Minister kritisierte, dass die Vertreter westlicher Staaten Russland wegen der Lage in der Ukraine als "Aggressor" und "Besatzer" anprangern, ohne sich die Gründe anzusehen. "Alle haben uns aufgerufen, diese Operation zu beenden", sagte er. Dagegen lobte Lawrow den G20-Gastgeber Indonesien als "verantwortliches Land", das die souveränen Rechte eines Landes achte.
Nach seiner Rede verließ Lawow den Saal im Luxushotel Mulia und entzog sich damit auch der Replik der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). "Wir überlassen Russland nicht die internationale Bühne", sagte die amtierende Vorsitzende der G7-Gruppe führender demokratischer Wirtschaftsmächte . "Und vor allen Dingen lassen wir nicht zu, dass der russische Präsident mit seinem Angriffskrieg die Welt in ein Chaos stürzt." Es müsse jetzt darum gehen, ärmere Länder vor den Folgen des Krieges zu schützen, sagte die Grüne mit Blick auf steigende Preise für Nahrungsmittel und Energie. "Wir werden als G7-Staaten, als stärkste Industrienationen, alles dafür tun, auch wenn wir diesen Krieg nicht verursacht haben, dass die Folgen nicht die Ärmsten dieser Welt treffen", sagte Baerbock.
Indonesien dringt auf Kriegsende
Indonesien als amtierende G20-Präsidentschaft selbst mahnte ein Ende des russischen Angriffskriegs in der Ukraine an. "Es liegt in unserer Verantwortung, den Krieg früher als später zu beenden und die Differenzen am Verhandlungstisch zu lösen und nicht auf dem Schlachtfeld", sagte Außenministerin Retno Marsudi zum Auftakt von Beratungen der G20-Ressortchefs.
Die Anwesenheit Lawrows bei den Beratungen galt auch als Test für eine mögliche Teilnahme von Kremlchef Wladimir Putin am G20-Gipfel am 15. und 16. November, der ebenfalls auf Bali stattfindet. Mehrere Staaten haben ihre Teilnahme infrage gestellt, sollte Putin persönlich zum Gipfel kommen.
Bei der Begrüßung Lawrows im Badeort Nusa Dua hatten zwei deutsche Journalisten dem Minister Fragen zugerufen. Der ZDF-Korrespondent Andreas Kynast fragte: "When do you stop the war?" (deutsch: "Wann beenden Sie den Krieg?"). Kynast wurde im Anschluss nach eigenen Angaben von indonesischen Sicherheitsbeamten aus der Empfangshalle gebracht. Weitere Einschränkungen für ihn gab es demnach zunächst nicht. Ein zweiter deutscher Journalist rief Lawrow die Frage zu: "Why don't you stop the war?" (deutsch: "Warum beenden Sie den Krieg nicht?"). (APA/dpa/Reuters)