„Mea culpa“ vor der Sommerpause im Nationalrat
Eine Entschuldigung gab es von ÖVP-Kanzler Karl Nehammer im Hohen Haus. Dazu Gesetzesbeschlüsse, einen davon zu Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind.
Von Karin Leitner
Wien – Nun ist parlamentarisch vorerst Schluss. Die Nationalratsabgeordneten verabschieden sich in die Sommerpause. Drei Tage lang – von Mittwoch bis Freitag – wurde im Plenum des Hohen Hauses diskutiert und abgestimmt. Mehr als 40 Gesetze wurden beschlossen.
Die gestrige Sitzung begann mit einer „Fragestunde“. Geladen war ÖVP-Kanzler Karl Nehammer. Von ihm kam eine Entschuldigung – dafür, dass von seiner Staatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) auf eine „Dringliche Anfrage“ der FPÖ nicht Adäquates gekommen sei. Die Antworten würden schriftlich nachgereicht. Schuld sei nicht Plakolm, die ihn vertreten habe. Er nehme die Verantwortung auf sich, sagte Nehammer.
Zu allerlei wurde er von Mandataren befragt, auch zur Kassenreform, erwirkt vom vormaligen türkis-blauen Bündnis. Eine „Patienten-Milliarde“ bis 2023 war versprochen worden. Tatsächlich attestiert der Rechnungshof einen Mehraufwand von 215 Millionen. Dazu sagte Nehammer: Jede Reform koste anfangs, langfristig brächte „Effizienzsteigerung“ aber „Einsparung“.
Einmal mehr verwahrte sich der Regierungschef gegen einen „Preisdeckel“ bei Treibstoffen. Das habe sich als Mittel gegen die Teuerung in jenen Staaten, die es angewendet hätten, als nicht probat erwiesen.
Und was ist gestern gesetzlich fixiert worden? Etwa das: Geflüchtete aus der Ukraine können hierzulande Familienbeihilfe beanspruchen, haben damit verbundene Sozialleistungen. Die türkis-grüne Koalition hat nach monatelangen Verhandlungen damit eine Lösung gefunden. Seit Kriegsbeginn sind 79.000 vertriebene Ukrainer in Österreich registriert worden, das Gros Frauen und Kinder. Sie unterliegen in EU-Staaten einem eigenen Rechtssystem, weshalb sie in Österreich bisher ob einer Gesetzeslücke keine Familienleistungen beziehen konnten, hieß es aus dem Familienministerium. Die Regelung soll rückwirkend ab März gelten.
Weiters ist die Indexierung der Familienbeihilfe aufgehoben worden; diese war ein Prestigeprojekt der türkis-blauen Regierung. Nur die Freiheitlichen stimmten gegen die Korrektur. Basis für diese war ein Spruch des Europäischen Gerichtshofes.
Erster Beschluss des gestrigen Tages war eine Dienstrechtsnovelle, mit der der Quereinstieg in den Lehrerberuf erleichtert wird. Und die Bezahlung für Personal an den „Sommerschulen“ wird verbessert. Rote und Blaue kritisierten die Regierenden. SPÖ-Mandatarin Selma Yildirim sprach von „Pfusch“. Und sie verlangte, Pragmatisierung wieder zu ermöglichen, detto eine Altersteilzeit für Beamte.
Replik von Grünen-Vizekanzler und Beamtenminister Werner Kogler: Die Attraktivierung des öffentlichen Dienstes sei „ein gemeinsames Ziel: Da sollten wir uns treffen, nicht alles zur Weltuntergangskrise erklären.“
Beschlossen wurde auch die „Kindergarten-Milliarde“. Die FPÖ stimmte mit der Koalition. SPÖ und NEOS gehen die Zuwendungen für die Elementarbildung zu wenig weit. Die Milliarde wird über fünf Jahre „gestreckt“, je 200 Millionen Euro fließen.
Am gestrigen Abend gab es eine Personalwahl. ÖVP-Mandatarin und Ex-ÖVP-Vizegeneralsekretärin Gabriela Schwarz wurde als Nachfolgerin von Gesinnungsfreund Werner Amon in der Volksanwaltschaft per Votum erkoren; Amon ist nunmehr Landesrat in der Steiermark. Bei ihrer Abschiedsrede nannte sie „das Recht auf Leben“, Freiheit, Sicherheit und freie Meinungsäußerung prioritär.
SPÖ kritisiert Sparen bei Familien
Das eine Schuljahr ist zu Ende, da wirft das nächste seinen Schatten voraus: SPÖ, Gewerkschaft und Arbeiterkammer werfen dem Sozialministerium vor, bei den Schulstart-Paketen für sozial schwache Familien zu sparen. Statt Sachleistungen im Wert von 100 Euro pro Kind wie im Vorjahr gebe es nur Gutscheine im Wert von 80 Euro. Anspruchsberechtigt sind rund 50.000 Kinder aus Haushalten, die Sozialhilfe oder Mindestsicherung beziehen.
Das Sozialministerium weist die Kritik zurück. Mit Gutschein seien die Familien flexibler, heißt es. Dadurch sei der Nutzen höher. Das Ministerium beteuert zudem, dass es trotz des geringeren Betrags für die Aktion mehr Geld ausgibt als im Vorjahr. Denn eine Förderung der EU wurde stark gekürzt – das Ministerium komme für die Lücke auf.
Zahlen zu dieser Rechtfertigung blieb das Ministerium auf Anfrage der TT allerdings schuldig. (TT)